Die Inzidenzwerte sinken, die Zahl der Geimpften in Deutschland steigt täglich an. Doch der monatelange Lockdown hat viele Branchen an den Rand der Möglichkeiten gebracht. Die Corona-Hilfen waren hierbei nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Von RS-Redakteur Ebru Ataman
Viersen – Künstler, Messebauer, Friseure, Kosmetiker, die Aufzählung der Branchen, die im Lockdown schwer gelitten haben, lässt sich ohne Schwierigkeiten fortführen. Der Lockdown und der Totalausfall des Umsatzes seit Dezember 2020 haben zahlreichen Betrieben das Wasser bis an den Hals getrieben. Zumindest teilweise sind mit den sinkenden Inzidenzzahlen wieder Öffnungen eingetreten, doch damit ist lange kein Ende der Probleme in Sicht. Der angehäufte Schuldenberg schwebt wie ein Damoklesschwert über den Unternehmern. Die Hürden zur Beantragung von Überbrückungshilfen waren für viele zu hoch, teilweise fehlen die staatlichen Hilfen bis heute.
Der Viersener Friseurmeister Olaf Josten lässt teilhaben an seinen Erfahrungen und prangert die bürokratischen Wege an. „Mittlerweile musste ich, ebenso wie meine Kollegen, meinen Salon zwei Mal in der Corona-Pandemie schließen“, so Josten. „Zwar wurden mittlerweile Lockerungen vorgenommen, doch der Alptraum will auch nach dem Ende des zweiten Lockdowns nicht enden.“ Olaf Josten berichtet von seinen schlaflosen Nächten, finanziellen Sorgen und der Ungewissheit, was kommt. Zwar sei der Kreis Viersen auf einem guten Weg, doch im letzten Jahr habe man gesehen, wie schnell sich das Blatt wieder wenden kann. „Wenn ich morgens das Geschäft aufschließe, dann weiß ich, dass ich das vor allen Dingen lieben Freunden zu verdanken habe, die mich im Lockdown immer wieder aufgebaut haben. Finanziell war die Zeit der Schließungen nur mit der finanziellen Hilfe einer guten Bekannten zu schaffen. Ein Kredit, der nun zudem abgelöst werden muss.“
Zwar konnte der Friseur im ersten Lockdown eine Soforthilfe beantragen, doch die Finanzspritze von 9.000 Euro wurde für die monatlichen Fixkosten vollständig aufgebraucht. Das Geld für die neuen Hygieneauflagen musste anderweitig aufgebracht werden. Als sich dann im Sommer vergangenen Jahres die Situation leicht entspannte und die Läden wieder öffnen durften, entspannte sich die Lage kurzzeitig. „Aufatmen vor dem nächsten Lockdown konnten wir nur kurz“, sagt Olaf Josten. Dann startete die Zeit der Ungewissheit und der Existenzängste erneut. „Schweren Herzens musste ich vorübergehend meine Mitarbeiter kündigen. Was sollte ich tun? Ohne Einnahmen, ohne Rücklagen, ohne Unterstützung. Zum Glück konnte ich meine Mitarbeiter mittlerweile wieder einstellen.“

Dann forderte die Bundesregierung einen nicht unerheblichen Teil der Soforthilfe von März und April 2020 wieder zurück. Viele Unternehmer haben eine Sammelklage eingereicht und wir warten zurzeit noch auf die Entscheidung. „Ich weiß, dass erste Klagen bei den Gerichten abgelehnt wurden, hierbei handelte es sich teilweise jedoch um Empfänger, für die die Soforthilfe nicht geplant war.“ Ein erneuter Antrag für staatliche Hilfen musste erstellt werden.
„Der reinste Witz, denn der Antrag musste von einem Steuerberater gestellt werden und kostete 380 Euro. Selbst von dem Überbrückungsgeld habe ich bis heute nur einen kleinen Teil erhalten.“ Als der Lockdown aufgehoben wurde, schob die Bundesnotbremse mit der Testpflicht einen Riegel vor einen gefüllten Terminkalender. Nur wenige seiner Kunden hätten die Auflage in Kauf genommen sich zunächst eine halbe Stunde in die Warteschlange eines Testzentrums zu stellen, um dann irgendwann beim Friseur einkehren zu dürfen. „Ich verstehe nicht, warum wir nicht selber Selbsttests vor Ort anbieten durften“, erklärt der Viersener. „Sicherlich wäre das auch für den Einzelhandel eine gute Idee gewesen. An manchen Tagen kamen gerade einmal zwei Kunden und die Testpflicht hat einen Neustart fast zunichte gemacht. Viele meiner Kollegen mussten Mitarbeiter entlassen, einige haben ihre Salons nicht mehr geöffnet und mussten Insolvenz anmelden.“
Aktuell ist im Kreis Viersen die Testpflicht aufgehoben und mit viel Glück schafft es die Region in der kommenden Woche einen Inzidenzwert von unter 50 zu erhalten. „Sollte sich das wieder ändern“, da ist sich der Friseurmeister sicher, „wird es dunkel für den Einzelhandel aussehen.“ (ea)