Befragungen im Greta-Prozess: „Sie hat Grabreden für tote Kinder geschrieben“

Vor der Weihnachtspause befragte das Mönchengladbacher Gericht weitere Zeugen im Verfahren um die 25-jährige Erzieherin Sandra. M. Ebenfalls in Kempen sei es zu vier Vorfällen gekommen, bei denen ein zweijähriger Junge Atemstillstand, Leblosigkeit und Krämpfe erlitten hatte.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker

Region/Kempen – Nachdem in der vergangenen Woche frühere Kollegen der angeklagten Erzieherin im Greta-Prozess aus Krefeld befragt wurden, stand die Zeit der 25-Jährigen in einem Kempener Kindergarten am Montagmorgen dieser Woche im Mittelpunkt.
Bereits die erste Zeugin war selbst anwesend, als der zweijährige M. aufgefunden wurde. Der Körper wäre schlaff gewesen, Schleim hätte sich im Mund gesammelt – auch dieser Vorfall betraf die Zeit der Mittagsruhe. Keine andere Erzieherin wäre zumindest bei diesem Vorfall anwesend gewesen, denn viele Erinnerungen sind bei der Befragung bereits verblasst.
Die Anklage führt aus, dass die Erzieherin während der Tätigkeit in Kempen am 31.08.2018, 01.10.2018, 29.10.2018 und 30.11.2018 auf den im August 2016 geborenen Jungen so eingewirkt hat, dass Atemstillstand, Leblosigkeit und Krämpfe die Folge waren.

Es war die erste Stelle nach dem Anerkennungsjahr als Erzieherin. „Sie wirkte aufgeschlossen, jedoch unsicher und man hatte den Eindruck, dass sie Anleitung benötigte“, erinnerte sich die ehemalige Kollegin, die ergänzte, dass sich die Angeklagte Kindern gegenüber nicht durchsetzen konnte.
Sandra M. habe ihrer Kollegin erzählt, dass sie Grabreden für tote Kinder schreiben würde. Bekannt auf Facebook, hätten Eltern sie mehrfach angeschrieben.

Foto: Rheinischer Spiegel

M. sei nicht gerne in die Kempener KiTa gegangen, so die Mutter des damals Zweijährigen. Ständig hätte das kleine Kind geweint, habe sich nur ungern von ihr getrennt. Vorfälle zu Hause seien nicht bekannt, nur im Kindergarten war es zu Atemschwierigkeiten gekommen. Nach dem vierten Vorfall hatte M. den Kindergarten gewechselt. Hier sei er gerne hingegangen, die Eingewöhnung erfolgte schnell – zudem wäre es zu keinen weiteren Vorfällen gekommen. Begleitet wurde der Junge von einer ehrenamtlichen Flüchtlingshelferin. Die 70-jährige Krankenschwester im Ruhestand lernte die Familie bereits vor der Geburt des Jungen kennen und unterstützte die Mutter in der Kinderklinik. Ohne Befund sei M. nach umfangreichen Untersuchungen wieder entlassen worden – die Gesundheit des Kindes untermauerte der befragte Kinderarzt am Morgen. Bei dem letzten Vorfall krampfte das Kind nicht nur in der KiTa, selbst im Krankenhaus hatten die Krämpfe zunächst nicht nachgelassen.

Kein ganzes Jahr war die Angeklagte in Kempen tätig. „Es war sehr anstrengend, weil sie sehr schusselig war. Sie war sehr durcheinander und hat Aufgaben nicht allein geschafft. Ich habe vieles wiederholen müssen und ich musste sogar einen Tagesablauf aufstellen, weil sie es sonst nicht behalten hätte“, so die Gruppenleiterin der Notgruppe, in der die Angeklagte tätig war. Der Umgang mit den Kindern wäre nett gewesen, auch wenn sie überfordert gewirkt hätte. Sechs Kinder wurden von den beiden betreut.
Ihrer Kollegin habe die Angeklagte erzählt, dass sie im Anerkennungsjahr gemobbt wurde, sie hätte es schwer gehabt. An einem Tag kam sie mit rasierten Haaren zur Arbeit und sagte, dass dies ihr Friseur gewesen wäre – änderte auf Nachfrage jedoch ihre Geschichte. In einer weiteren Situation berichtete die 25-Jährige sie wäre am Vortag auf dem Weg zum Auto auf zwei Jungen getroffen, welche sie schwer geschubst hätten. Nicht möglich sei dieser Vorfall gewesen, denn am Vortag habe die Gruppenleiterin die Angeklagte nach draußen begleitet.
„Man wusste nicht so genau was stimmt“, ergänzte die Erzieherin, welcher der Kontakt und die Unehrlichkeit unangenehm gewesen wäre, denn als die Angeklagte zu spät zur Arbeit kam, berichtete diese von einem Autounfall ihres Bruders, der nun im Koma liegen würde. Auf Nachfrage am nächsten Tag änderte sich diese Tatsache erneut.

Foto: Rheinischer Spiegel

Nett und freundlich sei die Angeklagte gewesen, die noch viel Anleitung benötigt hätte, so die 62-jährige Leiterin der Kempener KiTa, die jedoch ebenfalls von „unangemessenen Reaktionen“ in Situationen mit den Kindern berichtete. Zunehmend schlechter wäre die Arbeit der 25-jährigen Erzieherin gewesen, deren Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde. ‚Man müsse schon schlechte Leistungen bringen, damit das passiert‘ zitierte der Richter aus der Polizeibefragung. Es habe zunehmend Beschwerden von den Kollegen und Eltern gegeben, die Praktikantin habe sie „gescheucht – sie wirkte anmaßend und vergriff sich regelmäßig im Ton“.

Wie genau es zu den Vorfällen gekommen war, konnte an diesem Tag nicht gesichert dargelegt werden. Die Anklage jedoch wurde von einer Mutter untermauert, deren Tochter berichtet hatte, dass Sandra M. ihr auf den Brustkorb gedrückt hätte. Nicht genau verifiziert werden konnte der Tattag, die Dreijährige hatte allerdings die Angeklagte genau beschrieben.

Sandra M. fehlte recht häufig, bis es im Mai zu dem Vorfall im Wald kam, der von der Polizei als Falschaussage ermittelt wurde. Die Erzieherin hatte bei der Polizei angegeben, ein Mann hätte ihr Verletzungen mit einem Messer zugefügt. Untersuchungen ergaben, dass Sandra M. sich diese Verletzungen selber zugefügt haben müsse. Bei einer weiteren Befragung konnte sie sich nicht mehr an den Tatverlauf erinnern. Die Gerichtsmedizinerin hatte ihr zu diesem Zeitpunkt psychologische Unterstützung angeraten.

Mitte Mai dann kam es zu einem Gespräch mit der KiTa-Leitung, bei dem von der Übernahme abgesehen wurde, danach kam die Angeklagte bis zum Ende ihres Vertrages nicht mehr in die Einrichtung, begann ihre Tätigkeit in Tönisvorst. Hier sei es im Oktober 2019 zu einem weiteren Vorfall mit einem dreijährigen Mädchen gekommen. Sandra M. habe den Brustkorb des Mädchens, welches an einem angeborenen Herzfehler leidet, so sehr zusammengedrückt, dass dieses blau angelaufen sei und das Bewusstsein verloren habe. Hierüber wird ab Januar weiter verhandelt. (nb)