Die erste Sitzung des neu gewählten Thüringer Landtags endete im völligen Chaos: Ein scharfer Streit um die Geschäftsordnung und die Wahl des Landtagspräsidenten führte zur Vertagung der Sitzung. AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler steht dabei im Zentrum der Auseinandersetzungen, während die anderen Parteien ihn scharf kritisierten. Nun muss das Verfassungsgericht eingreifen, um Klarheit zu schaffen.
Von RS-Redakteur Dietmar Thelen
Magazin – Der Auftakt des neuen Thüringer Landtags wurde von erheblichen Differenzen zwischen der AfD und den übrigen Parteien überschattet. Der Landtag konnte sich nicht wie vorgesehen konstituieren, was bedeutet, dass er seine Arbeit zunächst nicht aufnehmen kann. Die Ursache: Ein erbitterter Streit um die Geschäftsordnung und die Wahl des Landtagspräsidenten. Alterspräsident Jürgen Treutler von der AfD weigerte sich, einen von der CDU und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gestellten Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung zuzulassen, was zu einem handfesten Eklat führte.
Laut Treutler könnte der Landtag erst nach der Wahl eines Landtagspräsidenten überhaupt eine solche Änderung beschließen. Diese Interpretation stieß bei den anderen Parteien auf scharfen Widerspruch. Sie argumentierten, dass die Geschäftsordnung auch vor der Wahl geändert werden könnte. In der Sitzung eskalierte die Situation: Mehrfach wurde sie unterbrochen, während hitzige Diskussionen hinter verschlossenen Türen stattfanden.
Die Art und Weise, wie Treutler die Sitzungen leitet, löste besonders bei der CDU Empörung aus. Man sprach von einer „Machtergreifung“ und kritisierte Treutler scharf für dessen Verhalten. Der Alterspräsident hatte mehrfach Geschäftsordnungsanträge der CDU ignoriert und seine ablehnende Haltung mit dem Argument untermauert, dass der Landtag vor der Wahl des Präsidenten nicht befugt sei, die Geschäftsordnung zu ändern.
Treutler, der als Alterspräsident bis zur Wahl des Landtagspräsidenten die Sitzung leitet, nutzte seine Position, um ein Plädoyer für die Ernennung eines AfD-Politikers zum Landtagspräsidenten zu halten. Er verwies auf ein angebliches „Gewohnheitsrecht“, wonach die stärkste Fraktion – in diesem Fall die AfD – das Vorschlagsrecht für das höchste Amt im Landtag habe. Die anderen Parteien widersprachen dieser Interpretation vehement.
Im Verlauf der Sitzung wurden die Proteste der anderen Parteien immer lauter. Der Abgeordnete warfen Treutler vor, ihre Rechte zu missachten und die zuvor getroffenen Absprachen zwischen den parlamentarischen Geschäftsführern zu ignorieren. Die Mehrheit des Landtags fordert eine Abstimmung über den Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung, doch Treutler verweigerte dies.
Die Situation verschärfte sich weiter, als Treutler damit drohte Abgeordneten im Saal das Mikrofon abzuschalten und weitere Ordnungsrufe zu erteilen. Die Sitzung entwickelte sich zunehmend zu einem politischen Schlagabtausch, der schließlich in eine Unterbrechung mündete. Die AfD hatte Wiebke Muhsal als Kandidatin für das Amt der Landtagspräsidentin vorgeschlagen. Diese persönliche Entscheidung sorgt jedoch ebenfalls für Aufregung, da Muhsal in der Vergangenheit wegen Betrugs verurteilt wurde. 2018 hatte sie nachweislich das Thüringer Parlament betrogen, indem sie den Arbeitsvertrag einer Mitarbeiterin vordatierte, um zusätzliche finanzielle Mittel zu erhalten. Trotz dieser Vorgeschichte hält die AfD an ihrer Kandidatin fest.
Da die erste Sitzung nicht zu einer Konstituierung des Landtags führte, muss nun das Landesverfassungsgericht entscheiden, wie es weitergeht. Die anderen Parteien fordern eine schnelle Lösung, um den Landtag arbeitsfähig zu machen. Ein Termin für die nächste Sitzung ist bereits für Samstag angesetzt, doch ob bis dahin eine Einigung erzielt wird, bleibt unklar. Die kommenden Tage und die Entscheidung des Verfassungsgerichts werden zeigen, ob und wie sich der Thüringer Landtag aus diesem politischen Scherbenhaufen befreien kann. Klar ist jedoch schon jetzt: Der politische Konflikt in Thüringen wird weiter an Schärfe gewinnen. (dt)