„Greta-Prozess“: Angeklagte Erzieherin zu lebenslanger Haft verurteilt

Bereits seit November verhandelt die Kammer im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Mönchengladbach das Verfahren gegen die 25-jährige Sandra M. Heute erging das Urteil.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker

Viersen/Region – Nicht nur das Medieninteresse war groß. Fernsehen, Radio und Zeitungen hatten die Presseplätze eingenommen von denen kaum einer frei blieb und auch im hinteren Bereich waren die Zuschauerbänke gefüllt. Seit November vergangenen Jahres hatten sie das Verfahren um die 1995 geborene Angeschuldigte Sandra M. verfolgt, die als Erzieherin unter anderem in Kindertagesstätten in Krefeld, Kempen, Tönisvorst und Viersen gearbeitet hatte. Angeklagt wurde sie wegen Mordes und Misshandlung von Schutzbefohlenen in neun Fällen, weil sie laut den Ermittlungen im Zeitraum vom 01.08.2017 bis zum 21.04.2020 den Brustkorb mehrerer ihr anvertrauter Kleinkinder in einer Art und Weise zusammengedrückt habe, dass bei diesen eine erhebliche Atemnot oder gar ein Atemstillstand eingetreten sei. Hierbei habe sie den Tod der Kinder mindestens billigend in Kauf genommen, ein Tod der im April 2020 bei der kleinen Greta eintrat – nur ein Tag nach ihrem dritten Geburtstag.

Am vergangenen Verhandlungstag hatte Staatsanwalt Lingens neben einer lebenslangen Haft ein Berufsverbot und eine Feststellung der besonders schweren Schuld gefordert, auf der anderen Seite des Raumes beteuerte die 25-jährige Angeklagte dagegen ihre Unschuld, hätte nie einem Kind etwas zuleide getan. Am Freitagmittag wurde zunächst noch einmal die Beweisaufnahme kurzzeitig eröffnet, denn es kam in Betracht, dass der Vorfall zum Nachteil des Jungen S. in Krefeld als gefährliche Körperverletzung zu werten ist.
Ein rechtlicher Hinweis, der sich im Urteil wiederfand, denn Sandra M. wurde wegen Mordes und der Misshandlung von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, in einem wegen gefährlicher Körperverletzung, schuldig gesprochen.

„Für mich lagen die Voraussetzungen für ein Berufsverbot vor, weshalb die Staatsanwaltschaft ein lebenslanges Berufsverbot gefordert hat. Ein Fall, in dem man in Ausübung seiner Tätigkeit und Ausnutzung der Möglichkeiten dieser Tätigkeit Vielzahl von Straftaten begeht, zum Nachteil der Schutzbefohlenen wäre für mich ein klassischer Fall um ein Berufsverbot zu verhängen, um zu verhindern das jemand jemals wieder mit Kindern tätig wird“, so Staatsanwalt Stefan Lingens auf Nachfrage. Foto: Rheinischer Spiegel

Von der Täterschaft im Fall des Mädchens J. in Tönisvorst und des Jungens S. ist das Gericht überzeugt. Auch bei der kleinen Greta in Viersen geht das Gericht davon aus, dass sich die Tat so zugetragen hat, wie die Staatsanwalt sie ausgeführt hat. Der Fall sei medizinisch gut und zeitnah untersucht worden. „Alle Fachleute haben keine medizinische Ursache für den Tod der Greta feststellen können“, so Beckers. „Letztlich spielt es auch keine Rolle inwieweit Viren- oder Bakterienbefall vorgelegen hat. Diese sind zum Tatzeitpunkt nicht zur Auswirkung gekommen. Das haben wir von einer Sachverständigen untersuchen lassen.“ Ebenfalls die Auffindesituation sei durch die Angeklage manipuliert worden, welche eine glattgestrichene Decke über dem Kind aufwies.

„Wir sind nicht der Meinung, dass wir aufgrund der Beweise ein Handlungsmotiv nicht feststellen können“, ergänzte der vorsitzende Richter. Als Tatmotiv führte das Gericht aus, das die Taten Ergebnis erzieherischer Maßnahmen der Angeklagten waren. Die Angeklagte wurde in der Verhandlung beschrieben als Erzieherin mit Durchsetzungsproblemen, die dann zu verschiedenen Bestrafungen griff. „Das ist schon bizarr vom Erziehungsverhalten“, so der Richter. „Wir gehen davon aus, dass die Angeklagte kurz vor der Tat bei Greta etwas nicht gebilligt hat. Etwas was Greta getan oder gemacht hat.“ Dann habe sie dem Mädchen die Luft abgedrückt um aus ihrer Sicht einen Erfolg zu erreichen.

Richter Lothar Beckers sprach eine lebenslange Freiheitsstrafe im Mord an der dreijährigen Greta aus, zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt, denn die Angeklagte habe heimtückisch und mit niedrigen Beweggründen gehandelt. Das bedeutet, dass eine Vollstreckung über 15 Jahre erforderlich ist, eine Bewährung kommt ebenso nicht in Betracht wie eine Sicherungsverwahrung. Ebenfalls nicht verhängt hat das Gericht ein lebenslanges Berufsverbot. Denn die von der Rechtssprechung aufgestellten Hürden wären zu hoch. „Für mich lagen die Voraussetzungen für ein Berufsverbot vor, weshalb die Staatsanwaltschaft ein lebenslanges Berufsverbot gefordert hat. Ein Fall, in dem man in Ausübung seiner Tätigkeit und Ausnutzung der Möglichkeiten dieser Tätigkeit Vielzahl von Straftaten begeht, zum Nachteil der Schutzbefohlenen wäre für mich ein klassischer Fall um ein Berufsverbot zu verhängen, um zu verhindern das jemand jemals wieder mit Kindern tätig wird“, so Staatsanwalt Stefan Lingens auf Nachfrage. „Jetzt hat das Gericht aber einige Fälle, die zur Anklage gekommen waren, als nicht sicher erachtet, auch das mag eine Rolle gespielt haben.“

Zu der Tat des Jungen S. sprach das Gericht weiterhin 2 Jahre und 6 Monate aus, bei dem Mädchen J. weitere 5 Jahre. In den anderen angeklagten Fällen bezüglich der Misshandlung von Schutzbefohlenen wurde die Angeklagte freigesprochen. Wie die Verteidigung bereits mitgeteilt hatte, würde es sich um einen Indizienprozess handeln, erläuterte Richter Lothar Beckers, doch am Ende müssten die vorliegenden Erkenntnisse ein Gesamturteil ergeben, sonst könne bei Indizien nie eine Entscheidung erfolgen. Auch bei den anderen Fällen bleibt der Verdacht der Täterschaft bestehen, doch nach den vorliegenden Beweisen der mittlerweile weit zurückliegenden Vorfälle hätte hier kein Urteil gesprochen werden können. (nb)

Richter Lothar Beckers sprach eine lebenslange Freiheitsstrafe aus, zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt, denn die Angeklagte habe heimtückisch und mit niedrigen Beweggründen gehandelt. Foto: Rheinischer Spiegel

Greta-Prozess: Staatsanwalt fordert lebenslange Haft – Angeklagte beteuert Unschuld