Kritik an unsicheren Jobs: Im Kreis Viersen waren zuletzt 38 Prozent aller neu abgeschlossenen Arbeitsverträge befristet. 2.375 von insgesamt 6.247 Neueinstellungen hatten im zweiten Quartal 2020 ein Verfallsdatum.
Kreis Viersen – Darauf macht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) aufmerksam und beruft sich hierbei auf Zahlen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. „Befristete Jobs sind besonders stark im Lebensmittelhandwerk und im Gastgewerbe, aber auch in der Ernährungsindustrie verbreitet – und können gerade für jüngere Beschäftigte zur Falle werden“, sagt Karim Peters, Geschäftsführer der NGG-Region Krefeld-Neuss. Wer nur eine Stelle auf Zeit habe, bekomme etwa nur schwer eine Wohnung oder einen Kredit. Sogar die Familienplanung werde erschwert.
Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) waren im vergangenen Jahr bundesweit 56 Prozent aller Neueinstellungen im Nahrungs- und Genussmittelgewerbe befristet. Im Gastgewerbe lag die Quote mit 45 Prozent ebenfalls weit über dem branchenübergreifenden Durchschnitt von 38 Prozent. „Im Zuge der Corona-Pandemie können Befristungen für die Betroffenen zu einem großen Problem werden, weil viele Firmen ihre Arbeitsverträge auslaufen lassen“, warnt Peters. Es sei überfällig, dass die Politik Befristungen ohne einen sogenannten Sachgrund eindämme. Als Sachgründe gelten etwa eine Elternzeitvertretung oder eine Probezeit.

An die Beschäftigten aus den Branchen der NGG appelliert der Gewerkschafter, sich vor der Bundestagswahl über die Wahlprogramme der Parteien in puncto Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zu informieren und am 26. September wählen zu gehen. „Am Thema Befristungen zeigt sich, wie sehr es auch auf die Stimme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ankommt“, unterstreicht Peters. Wer im Kreis Viersen in der Ernährungsindustrie, in Hotels und Gaststätten, Bäckereien oder Fleischereien arbeite, für den stehe bei dieser Wahl viel auf dem Spiel. „Denn wie viele Stunden die Menschen arbeiten müssen, welche Rente sie am Ende bekommen oder ob aus einem Minijob eine feste Stelle wird – das entscheidet sich auch bei der Bundestagswahl“, so Peters.
Wichtig sei auch, dass die kommende Bundesregierung die Tarifbindung stärke. Laut IAB arbeiteten im letzten Jahr lediglich 45 Prozent aller westdeutschen Beschäftigten nach einem Branchentarifvertrag. Im Jahr 2000 waren es noch 63 Prozent. Zugleich fordert die Gewerkschaft NGG, die Lasten der Corona-Krise gerecht zu verteilen. „Es kann nicht sein, dass einzelne Unternehmen Dividende an ihre Aktionäre ausschütten, nachdem sie vom Staat großzügig mit dem Kurzarbeitergeld unterstützt wurden“, so Peters. (opm/paz)