Die Geschäftslage der Betriebe ist mehrheitlich negativ und die Erwartungen sind pessimistisch, die Arbeitslosigkeit steigt, bleibt aber im NRW-Vergleich niedrig. Zwar entwickeln sich einige Indikatoren im Kreis Viersen besser als in der Gesamtregion, dennoch spüren auch die Unternehmen im Kreis die Wirtschaftskrise.
Kreis Viersen – „Wir haben nicht nur ein konjunkturelles Problem, sondern eine massive strukturelle Krise. Der Standort Deutschland ist im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Unternehmen stark sind und das Potenzial haben, die Krise zu meistern.“ Mit diesen Worten fasst Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein, das Wirtschaftsjahr 2024 zusammen. Für 2025 rechnet er noch nicht mit einer spürbaren Verbesserung der Konjunktur, sieht aber Indizien, dass so etwas wie eine Bodenbildung erreicht sein könnte. „Wenn wir unser hohes Staatsausgabenniveau halten möchten, kann das nur über ein spürbares Wirtschaftswachstum finanziert werden. Dafür benötigen wir Reformen auf allen Ebenen“, fordert der IHK-Hauptgeschäftsführer.
In den Konjunkturumfragen der IHK hatte die regionale Wirtschaft im Jahresverlauf eine sich stetig verschlechternde Geschäftslage gemeldet. Im Frühsommer meldeten zum ersten Mal seit dem Corona-Lockdown im Winter 2020/21 mehr Unternehmen eine schlechte Lage als eine gute. Mit Ausnahme der Pandemiezeit gab es dies zuletzt im Zuge der Lehman-Krise zu Jahresbeginn 2010. „Die pessimistischen Erwartungen des Vorjahrs sind jetzt eingetreten“, so Steinmetz. Auch im Kreis Viersen ist die Geschäftslage negativ. 29 Prozent der Unternehmen bewerten die Lage gut, 31 Prozent bewerten die Lage schlecht. Die Erwartungen sind auch im Kreis weniger pessimistisch als zu Jahresbeginn, aber weiterhin überwiegen die Pessimisten gegenüber den Optimisten deutlich. 18 Prozent der Unternehmen rechnen mit besseren, 28 Prozent mit schlechteren Geschäften.
Die Industrieumsätze haben im Kreis Viersen in diesem Jahr zugenommen. Der Umsatz liegt 2024 von Januar bis September um 3,3 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. „Die Industrieumsätze im Kreis Viersen haben sich somit günstiger entwickelt als in NRW beziehungsweise in der Region Mittlerer Niederrhein im Schnitt“, so Steinmetz.
Dennoch sind die Folgen der Krise inzwischen auch auf dem Arbeitsmarkt im Kreis Viersen spürbar, obgleich die Lage dort entspannter als in anderen Teilregionen des IHK-Bezirks ist. Die Arbeitslosenquote und die Zahl der Arbeitslosen sind im laufenden Jahr gestiegen. So weist die Arbeitsagentur mittlerweile eine Arbeitslosenquote von 5,8 Prozent aus, nach zuvor 5,5 Prozent. Es waren außerdem im November 6,6 Prozent Menschen mehr arbeitslos gemeldet als im Vorjahresmonat. Positiv ist: Die aktuellen Beschäftigungsdaten aus dem März weisen darauf hin, dass die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse im Kreis Viersen – gegen den Trend – weiter steigt. Knapp 850 Beschäftigungsverhältnisse sind hinzugekommen. Das entspricht einem Plus von 0,9 Prozent. „Der Kreis Viersen ist die einzige Teilregion, in der noch ein spürbarer Beschäftigungsaufbau gemeldet wird“, so Steinmetz. Ob dies angesichts der restriktiven Beschäftigungserwartungen, die die Unternehmen bei der IHK-Konjunkturumfrage äußerten, so weitergeht, stellt Steinmetz allerdings infrage. Eine größere Entlassungswelle erwartet er jedoch nicht, da der Fachkräftemangel nach wie vor ein großes Problem für die Unternehmen sei.
Der IHK-Hauptgeschäftsführer ist optimistisch, dass es nach den Bundestagswahlen bei den fünf wichtigsten wirtschaftspolitischen Themenfeldern zu Reformen kommt und so die Trendumkehr gelingt. „Wir brauchen eine langfristig sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen, mehr Ausgaben in die öffentliche Infrastruktur, eine Unternehmenssteuerreform, Maßnahmen zur Linderung des Fachkräftemangels und einen Abbau von Bürokratie“, fordert Steinmetz. Das würde nicht nur der Wirtschaft, sondern eben auch den Menschen helfen, weil es Arbeitsplätze sichert. Steinmetz: „Eine erfolgreiche Wirtschaft sorgt auch für höhere Steuereinnahmen.“
Positiv wertet Steinmetz, dass die Gewerbesteuererträge in der Region immer noch sprudeln. „Wir gehen davon aus, dass wir in der Region auch im Jahr 2024 weiterhin steigende Gewerbesteuereinnahmen verzeichnen. Das zeigt, wie leistungsstark die hiesige Wirtschaft trotz der trüben Konjunktur ist. Mit den richtigen Reformen werden wir die Krise meistern“, so Steinmetz.
Für den Wirtschaftsstandort Kreis Viersen sieht der IHK-Hauptgeschäftsführer mittelfristig gute Chancen, sich weiter gut zu positionieren. So gab es 2024 grünes Licht für den Verdion Javelin Park Niederrhein in Niederkrüchten. Dort stehen auf 158 Hektar 650.000 Quadratmeter für moderne Logistik und für Industrie zur Verfügung. „Das ist nicht nur für Niederkrüchten eine gute Nachricht“, betont Steinmetz. „Dieses Gewerbegebiet wird positive Effekte für das gesamte Kreisgebiet haben.“ In Willich wird die Erfolgsgeschichte mit dem Gewerbegebiet V weitergehen.
„Zudem ist es sehr positiv, dass der Rat der Stadt Kempen beschlossen hat, dass die Stadtverwaltung der Gütegemeinschaft Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung beitritt. Wir würden uns sehr freuen, wenn sich weitere Kommunen aus dem Kreis Viersen als Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung zertifizieren lassen möchten“, so Steinmetz. (opm)