Literatur: „Mama, komm bald wieder“ – Erinnerungen griechischer Einwanderer

Seit August letzten Jahres nimmt die zweisprachige, im Kater Literaturverlag erschienene Ausgabe des neustens Werkes der bekannten Schriftstellerin Εleni Delidimitriou-Tsakmaki mit auf eine Reise voller Ungewissheit, Ängste und auf die Suche nach einer neuen Heimat.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker und Εleni Delidimitriou-Tsakmaki

Literatur – Bereits im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit sind Spuren griechischer Migration in Deutschland bekannt. Zu dieser Zeit beschränkte sich die Einwanderung jedoch meist auf vereinzelte Kleriker und Gelehrte oder Glücksritter. Im 18. Jahrhundert nahm im Zuge der Intensivierung des Balkanhandels die Einwanderung zu, die in der Arbeitsmigration zu Beginn der 1960er Jahre gipfelte. Die griechische Regierung wollte hiermit ein Ventil für die eigene, notorische Unterbeschäftigung im Land schaffen und so soziale Konfliktpotenziale entschärfen.

In dieser Zeit spielt das Werk „Mama, komm bald wieder“ der Zeitzeugin Εleni Delidimitriou-Tsakmaki – basierend auf dem Leben von Kindern griechischer Einwanderer in Deutschland. „In den 1960er Jahren, als Arbeitslosigkeit, Armut und Mittellosigkeit Griechenland
plagten, waren viele junge Menschen gezwungen, ihre Heimat und ihre Kinder zu verlassen und ein Land aufzusuchen, welches ihnen eine vorübergehende Beschäftigung anbot“, so Übersetzerin Chrissi Argiriadou-Hermann. „Die Schriftstellerin beschreibt in ihrem Buch die Lebensweise in jener Zeit. Ein Leben, das sich in einem Dorf abspielt, in welchem die Einwohner ohne Annehmlichkeiten, ohne Telefon, Fernseher, Autos und vieles mehr, das im Laufe der Jahre hinzukam, ihre Tage bestritten.“

Die Kinder des 232-Seiten umfassenden Werkes leben in einem Dorf in der Zeit, bevor die allgemeine Entwicklung und die materiellen Güter, die Deutschland zu bieten hatte, in ihr Leben traten. Die meisten dieser Kinder hatten nur wenig mütterliche Liebe und väterliche Präsenz genossen.
Sie wurden mit den Entscheidungen ihrer Eltern konfrontiert, die eine Mitnahme ihrer Kinder in das neue Land verweigerten und somit zu der Entstehung eines Lebens zwischen zwei Heimatländer beitrugen. Sie nahmen Abschied von Großeltern, ihren Verwandten und Freunden, von ihren ersten Beziehungen. Sie brachen die Verbindung mit allen bekannten und vertrauten Dingen ab und begannen ihre Flügel in einem unbekannten und für ihre Augen sehr bunten Land langsam auszubreiten, während sie in ihrem Herzen weiterhin stets ihr Heimatland und ihr Dorf trugen. Obwohl sie in dem neuen Land viel Gutes entdeckten, war der Vergleich unvermeidlich: Sie dachten, sie würden Griechenland verraten, was dazu beitrug, dass ihr Geburtsort für sie noch schöner erschien.

Eleni Delidimitriou-Tsakmaki (rechts) berichtet Verlegerin Iris Kater aus ihrem Leben. Foto: Rheinischer Spiegel

„Ich bin selbst ein Kind von Einwanderern, Dozentin für Neugriechisch und Englisch an der Volkshochschule und Übersetzerin. Mit Freude, Emotionsgefühlen und Nostalgie habe ich dieses Buch übersetzt und bin der Überzeugung, dass die zweisprachige Ausgabe auch das Interesse der jüngeren Generation der in Deutschland lebenden Griechen wecken wird“, erklärt Chrissi Argiriadou-Hermann. „Ich bin zuversichtlich, dass dieses Buch auf seine Weise dabei unterstützt, dass diese Generation noch mehr über ihre Abstammung erfahren und verinnerlichen wird, damit sie sich besser mit ihren Wurzeln identifizieren kann. Es wird dazu beitragen, auf die Stimme ihrer Großeltern und Eltern zu hören, und Stolz und Bewunderung für sie und das Verfolgen ihrer Ziele zu empfinden. Ziele, die sie nur unter schwierigen Umständen in einem fremden Land, das inzwischen zu ihrer zweiten Heimat geworden ist, angestrebt und erreicht haben; die Bemühungen der Großeltern und alles, was sie ihnen ermöglicht haben, höher zu schätzen. Darüber hinaus bietet dieses Buch seinen Lesern auch eine Übung in der griechischen Sprache.“

Das Buch von Εleni Delidimitriou-Tsakmaki ist ein einschneidender Bericht, eine bittere Realität, die von hunderttausenden griechischen Kindern gelebt wurde und teilweise immer noch wird. Aber die Autorin vermittelt in ihrer Erzählung eine sehr positive mentale Grundlage. Die Menschen kämpfen tapfer, sie sind nicht innerlich gebrochen, sie sind nicht erschüttert, sie kämpfen sich durch, obwohl sie sich in zwei Heimatländer aufteilen müssen, die letztendlich beide fremd für sie sind.

Die Sprache ist sorgfältig ausgewählt, einfach, illustrativ. Κampfgeist, Menschlichkeit und liebevolle familiäre Beziehungen dominieren. Aber hinter der Tapferkeit des Ausdrucks scheint deutlich der Schmerz der Auswanderung hindurch, der Schmerz der Kinder, die zurückbleiben und ihre Bemühung, sich in einem fremden Land zu integrieren … Am Ende jedoch herrscht im Buch nicht die Traurigkeit; der Kampfgeist und die Hoffnung auf das Beste überwiegen.

Eleni Delidimitriou-Tsakmaki wurde in Zangliweri bei Thessaloniki 1938 geboren. Im Alter von siebzehn Jahren hat sie geheiratet. Seit 1961 lebt sie mit Ihrer Familie in München. Sie wuchs in den Jahren des zweiten Weltkrieges in Katerini auf. Finanzielle Schwierigkeiten zwangen sie 1961, mit ihrem Ehemann nach Deutschland auszuwandern. Heute ist sie eine pensionierte und glückliche Großmutter mit ihren sieben Enkel- und fünf Urenkelkindern und teilt ihr Leben auf zwei Heimatländer auf.

Bis jetzt hat sie dreizehn Bücher und sechs Theaterstücke geschrieben. Das Buch „Lebenswege” beinhaltet Zeugnisse griechischer Einwanderer und wurde im Rahmen des Wettbewerbs „Fremde Heimat‘‘ der Stadt München prämiert. Für das zweisprachige Theaterstück mit dem Titel „Tragikomische Szenen aus dem Leben der Emigranten” erhielt Eleni Delidimitriou-Tsakmaki 1995 den Ehrenpreis der Vereinigung der Schriftsteller Griechenlands und den ersten Preis beim Theater Festival der Universität Rethimnon in Kreta. Eleni Delidimitriou-Tsakmaki ist auch Protagonistin im Dokumentarfilm „Töchter des Aufbruchs“. Zu Wort kommen im Film fünfzehn Frauen, die mit Charme und Tiefgang ihre Einwanderungsgeschichten erzählen. Dieser Dokumentarfilm tourt erfolgreich durch das Land.

„Mama, komm bald wieder“ ist im Viersener Kater Literaturverlag als deutsch-griechische Ausgabe erschienen und im Buchhandel erhältlich („Mama, komm bald wieder“ – „Μαμά, να γυρίσεις σύντομα“, ISBN 978-3-944514-36-9, 12,90 €). (nb)