Die Stadt Viersen schlägt die Umstellung des aktuell genutzen Abfallbeseitigungssystems vor – das wäre je nach Müllaufkommen allerdings mit höheren Gebühren verbunden.
Viersen – Eigentlich hätte der Ausschuss für Klima- und Umweltschutz, Land- und Forstwirtschaft über die Vorlage der Stadtverwaltung beraten. Mit der Entscheidung Aufgaben während der pandemischen Lage auf den Stadtrat zu übertragen, findet der Dialog nun online statt.
Das derzeitige System der Abfallsammlung genießt eine Monopolstellung, was bei Ausschreibungen, die dieses System vorgeben, vergaberechtlich zumindest kritisch hinterfragt werden kann, zudem wird die genutzte Variante Veridat vom Hersteller nicht mehr weiterentwickelt. Bei einer von der Stadt nicht zu beeinflussenden Einstellung des Verfahrens stünde die Stadt möglicherweise unvermittelt ohne abgesichertes Messsystem bei der Abfallbeseitigung da. Hinzu kommt, dass Veridat in der Erstinstallation teuer und zudem wartungs- und instandhaltungsintensiv ist. Dies ist für viele Entsorger ein Hemmnis zur Teilnahme an Ausschreibungen, was den Wettbewerb und damit die Option auf ein günstiges Ausschreibungsergebnis einschränkt.
Ebenfalls auf den Prüfstand gestellt werden soll das Festhalten an einer Sperrmüll- und Bündelabfuhr oder die Einführung von zusätzlichen Behältervolumina sowie eines Mindestbehältervolumens und von Mindestleerungen. Der Ausschuss für Bauen, Umwelt und Klimaschutz hatte die Verwaltung seinerzeit einstimmig beauftragt, gemeinsam mit der NEW Umwelt GmbH die Möglichkeiten einer Optimierung der Abfallbeseitigung ab 2022 zu prüfen.
Die Verwaltung hat sich zur Unterstützung der Prüfung des Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH (INFA) aus Ahlen bedient. Bei ihrer Arbeit hat das INFA zudem noch die Bereiche Wertstofftonne und Wertstoffhof mit betrachtet.
In der Sitzung des Ausschusses für Bauen, Umwelt und Klimaschutz am 07.11.2019 hat der geschäftsführende Gesellschafter des INFA, Prof. Dr.-Ing. Klaus Gellenbeck, das Ergebnis seiner Untersuchung vorgestellt. Im Ergebnis empfiehlt INFA die Umstellung des Messsystems Veridat auf das in Deutschland überwiegend zum Einsatz kommende Identsystem, die Änderung der Sperrmüllabfuhr auf bedingtes nutzungsabhängiges Gebührensystem sowie die Einführung einer Wertstofftonne ist nur auf Kreisebene möglich
Bei einem Identsystem werden die zu entsorgenden Abfälle nicht mehr über eine Ultraschalltechnik gemessen, sondern es wird als Abfallmenge das jeweilige Behältervolumen und die Anzahl der Leerungen zugrunde gelegt. Um dem Bürger hier eine gewisse Flexibilität zu geben, besteht die Absicht, neben den bisher verwendeten 120 l und 240 l Tonnen auch eine 60 l Tonne anzubieten. An dieser Stelle sei jedoch schon vorweggenommen, dass derjenige, der Abfall vermeidet und die kostenrechnende Einrichtung Abfallbeseitigung nur im unbedingt erforderlichen Maß in Anspruch nimmt, auch weniger Gebühren zahlt als derjenige, für den Abfallvermeidung weniger bedeutsam ist.
Die Umstellung des Systems ermöglicht es den Eigentümern oder Verwaltern größerer Wohneinheiten Sammelbehälter mit sogenannten Müllschleusen aufzustellen. Hierdurch besteht für Vermieter/Verwalter die Möglichkeit, die Abfallgebühren verursachergerecht bei der Erstellung der Nebenkostenabrechnung zu verteilen. Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass Systeme, die dies ermöglichen, nicht durch die öffentliche Hand beschafft oder gefordert werden können. Die zu tätigenden Investitionen und die verursachergerechte Verteilung der Abfallgebühren sind Sache der Eigentümer.
Die vom INFA durchgeführte Untersuchung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sperrmüllabfuhr, wie sie derzeit in Viersen praktiziert wird, dazu verleitet, dass System öfter als notwendig in Anspruch zu nehmen, weil die jeweilige Inanspruchnahme für den Einzelnen nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Bei Abwägung aller Umstände empfiehlt die Verwaltung deshalb, bei der Sperrmüllabfuhr an dem bisherigen Abrufsystem festzuhalten.
Mit der Umstellung vom Volumenmess- zu einem Identsystem verbunden sind notwendigerweise auch Änderungen in der Gebührenstruktur. Zudem sollen die notwendigen Anpassungen auch genutzt werden, diejenigen, die bisher (illegal) versucht haben, das bisherige System zur Vermeidung von Gebühren zu umgehen, in das neue Gebührensystem einzubinden und Ihnen die Anreize einer illegalen Abfallbeseitigung (zumindest in Teilen) zu nehmen.
Immer wieder fallen Gebührenpflichtige auf, die zwar eine graue Tonne haben und hierfür die entsprechende Behältergebühr entrichten, die jedoch im Laufe eines Jahres die Tonne nicht zur Entleerung bereitstellen. Wenn diese Fälle auffallen, wird in der Regel die Behauptung aufgestellt, man vermeide jedweden Abfall. Solche Behauptungen sind nicht glaubwürdig; auch gerichtlich ist mittlerweile mehrfach festgestellt worden, dass in jedem Haushalt ein Mindestanfall an Restabfall zu verzeichnen ist. Wenn dies nicht der Fall ist, spricht dies für eine illegale Entsorgung des anfallenden Restabfalls zu Lasten der Allgemeinheit. Um die mit solchen Verhaltensweisen einzelner bisher verbundenen zeitaufwändigen Auseinandersetzungen zukünftig zu vermeiden, soll ein Mindestbehältervolumen je Einwohner oder Einwohnergleichwert (Firmen und Unternehmen) sowie eine Mindestanzahl an Entleerungen festgelegt werden. Gebühren für Mindestbehältervolumen und Mindestleerungen sind in jedem Fall, unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Einrichtung Abfallbeseitigung zu zahlen.
Es wird vorgeschlagen, von einem Mindestrestabfallvolumen von wöchentlich 15 l/Einwohner oder Einwohnergleichwert auszugehen. Dieser Wert liegt an der unteren Grenze des bundesweiten durchschnittlichen Restabfallaufkommens. Um diesen Wert zu erreichen, müssen Bürgerinnen und Bürger sorgfältig ihren Abfall trennen und sich bemühen, jedweden unnötigen Abfall zu vermeiden. Das derzeitige Durchschnittsaufkommen an Restabfall liegt in Viersen bei rd. 21,52 l/Einwohner/Woche in 2020. Dieser Wert übersteigt geringfügig das durchschnittliche Restabfallaufkommen der Jahre 2018 (20,39 l/Einwohner/ Woche) und 2019 (20,46 l/Einwohner/Woche). Das Mehraufkommen in 2020 wird der Tatsache geschuldet sein, dass die Bürger in Zeiten der Pandemie überwiegend zu Hause sind.
Über die Feststellung eines Mindestbehältervolumens hinaus, soll eine gewisse Anzahl von Leerungen in jedem Fall durchgeführt und berechnet werden. Hiermit wird erreicht, dass niemand mehr zur Vermeidung von Gebühren verleitet wird, seinen Abfall gänzlich illegal zu beseitigen. Gleichzeitig darf die Anzahl von Mindestleerungen nicht so hoch gewählt sein, dass keine Anreize zur Abfallvermeidung mehr bestehen. Derzeit wird derjenige belohnt, der das System weniger häufig in Anspruch nimmt, weil ein Anreiz geschaffen wird, die Tonnen nicht nur gering, sondern möglichst vollständig befüllt zur Abholung bereit zu stellen. Die Verwaltung erhofft sich mit dem neuen System mittelfristig eine spürbare Reduzierung des Restabfallaufkommens.
Wegen ständiger Verschmutzung der jeweiligen Umgebungen wurden zum 01.01.2017 die blauen Container für Papier, Pappe und Kartonagen im öffentlichen Straßenraum abgeschafft. Im Gegenzug dazu wurde die blaue Tonne für alle Grundstücke ohne zusätzliche Kosten zur Verfügung gestellt. Die Finanzierung dieser Leistung erfolgt im Wesentlichen über die am Markt für Papier und Pappe zu erzielenden Erlösen. An diesem System möchte die Verwaltung festhalten. Sollten die Erlöse für Papier und Pappe am Markt dauerhaft nicht mehr zu erzielen sein, müsste über eine andere Gebührenerhebung nachgedacht werden.
In den vergangenen Jahren sind in Neubaugebieten zum Teil Erschließungsanlagen hergestellt worden, die für LKW in der Größe von Müllfahrzeugen keine Wendemöglichkeit vorsehen. Nach berufsgenossenschaftlichen Vorschriften dürfen Müllfahrzeuge jedoch nur bedingt Strecken rückwärts fahren. Dies hatte zur Folge, dass Abfallbehälter durch die Müllwerker aufwendig einzeln von den zu entsorgenden Grundstücken abgeholt werden müssen. Die hierdurch entstehenden nicht unerheblichen Kosten gehen zu Lasten aller anderen Gebührenzahler. Soweit die örtlichen Gegebenheiten dies zulassen, soll die Stadt zukünftig berechtigt sein, Behältersammelplätze in der Nähe der zu entsorgenden Grundstücke auszuweisen; die jeweiligen Grundstückseigentümer müssen ihre Abfallbehälter dann an diesen Behältersammelplätzen zur Entsorgung bereitstellen. Die gesamte Vorlage der Verwaltung ist auf viersen.de unter Ratsregmien transparent einsehbar. (dt/Vorlage Stadt Viersen)