Migrantenvertreter im Integrationsrat „schockiert“ über Aussagen der Viersener Ratsmitglieder

Züleyha Tok, Vorsitzende des Viersener Integrationsrates und der Viersener Liste im Integrationsrat und Josif Tsivalidis, stellv. Vorsitzender des Viersener Integrationsrates, Vorsitzender der griechischen Gemeinde Viersen sowie der interkulturellen Liste im Integrationsrat staunten nicht schlecht, als die Ratmitglieder Kritik in einem Pressebericht einer hiesigen Zeitung am Integrationsrat übten, die selber gerne durch Abwesenheit glänzen.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker

Viersen – Ausschlaggebend für den Bericht war die Beschlussunfähigkeit in der letzten Sondersitzung. Obwohl das Gremium noch verspätete Mitglieder erwartete, beharrte SPD-Ratsmitglied Garcia Limia auf seinem Antrag die Sitzung wegen Beschlussunfähigkeit zu schließen. Dadurch können nun für Viersen wichtige Integrationsprojekte nicht fortgeführt werden, die auf die Förderung durch den Integrationsrat angewiesen sind.

„Nicht nur, dass durch den fehlenden Willen einige Minuten mit dem Beginn der Sitzung zu warten nun die Projekte teilweise stillliegen“, erklärt Züleyha Tok, „der Bericht und der Angriff aus den Reihen der SPD und Linken ist eine Unverschämtheit.“ Um die Arbeit des Integrationsrates voranzutreiben, arbeiten die Migrantenvertreter des Integrationsrates in enger Abstimmung mit dem Landesintegrationsrat, nehmen an Seminaren teil und laden zu regelmäßigen außerordentlichen Treffen ein um die Arbeit zu besprechen, für die eine Sitzung zu kurz ist. An diesen Treffen hat, neben den Migrantenvertretern und trotz mehrfacher Einladung, bisher nur Ratsmitglied Frank a Campo (FDP) teilgenommen. Bei der ersten ordentlichen Sitzung in diesem Jahr fehlten zudem SPD und Linke, keine Vertreter wurden geschickt, genau diese Ratsmitglieder üben jedoch Kritik. „Alle Ratsmitglieder außer a Campo, die ebenso Teil des Integrationsrates sind, haben den Weg zu diesen Planungstreffen bisher nicht gefunden, beklagen aber eine unprofessionelle Arbeit“, sagt Josif Tsivalidis. „Es ist mir zudem schleierhaft, wie gerade die Ratsmitglieder, die bereits in der letzten Periode des Integrationsrates anwesend waren und dort die Leitlinien und Vorlagen für Förderanträge abgesegnet haben, nun diese beklagen können.“

Züleyha Tok gibt ihrem Stellvertreter recht: „Bei Ideen für Projekte zur Flüchtlingsproblematik wurde uns von Dr. Schrömbges mitgeteilt, der Integrationsrat wäre nicht Teil des Handlungsplans. Dann ging es weiter mit dem kommunalen Wahlrecht. Wir haben es hier angestoßen, wurden von Sitzung zu Sitzung vertröstet, weil der Antrag vom Landesintegrationsrat, der bereits von vielen Kommunen getragen wird der Stadt und Parteien nicht gefiel, dieser plötzlich langwierig neu juristisch geprüft werden musste – obwohl dies alles im Vorfeld geschehen war. Als ich um eine Terminbitte im Vorzimmer der Bürgermeisterin vorstellig wurde, wurde plötzlich vergessen dies weiterzugeben. Wir werden hingehalten, Unterstützung durch die Stadt erfolgt nur spärlich, Sitzungen werden trotz Bitte nicht vorab mit mir abgesprochen.

Von den Ratsmitgliedern bringt sich so gut wie keiner ein. Am Anfang wurde uns mitgeteilt, dass diese nur da säßen um unsere Arbeit zu kontrollieren und die Informationen in die Fraktionen mitzunehmen. Dann frage ich mich, warum lässt man uns nicht arbeiten? Wir sind kein Förderausschuss, wir sitzen dort nicht um 8.000 Euro zu verteilen. Wir wollen arbeiten, Projekte für alle in Viersen vorantreiben und das umfasst nicht nur den von uns angestoßenen Dialog um das kommunale Wahlrecht. Wir sind die mit den Erfahrungen in der Integrationsthematik. Wir alle sind gewählte Vertreter der Migranten und wir können diese Menschen nicht vertreten, wenn die Viersener Politik uns daran hindert.“

Wenn die Ratsmitglieder nicht gemeinsam mit den Migrantenvertretern die Integration in Viersen unterstützen und vorantreiben möchten, dann haben sie im Integrationsrat nichts zu suchen, da sind sich beide einig. Auch der Nachtritt durch Linken-Ratsmitglied Lohbusch: „Der Integrationsrat beschäftigt sich in erster Linie mit sich selbst. Ich erinnere mich, dass der jetzige Integrationsrat nach seiner Wahl darüber diskutierte, dass die Schlösser an den Türen ausgetauscht werden müssten, weil ihre Vorgänger die Schlüssel nicht zurückgegeben hätten“, ist eine Unverschämtheit. „Wir mussten uns mit dieser Problematik aufgrund von Datenschutz beschäftigen, der Beschluss war innerhalb kürzester Zeit getroffen.“

Wie die Ratsmitglieder gegen die Migrantenvertreter arbeiten, zeigt sich unter anderem darin, dass ein Ratsmitglied im Vorfeld der Sitzung andere Ratsmitglieder angerufen hatte um für eine Projektablehnung zu werben. „Mit den Migrantenvertretern wurde nicht gesprochen. Die Ratsmitglieder bilden ein eigenes Grüppchen, das nicht im Rahmen seiner Aufgabe im Integrationsrat arbeitet“, sagt Josif Tsivalidis. „Immer dann, wenn es nicht nach ihrem Willen läuft, blocken sie ab und sprechen den gewählten Vertretern, die bereits seit vielen Jahren in der interkulturellen Arbeit tätig sind, das Fachwissen ab.“ „Erstaunlich ist auch, dass uns alle regelmäßig Bürger mit Problemen erreichen, also nur die Ratsmitglieder der SPD und der Linken erreichen niemanden“, schließt Züleyha Tok ab. „Bürger, um deren Probleme wir uns kümmern. Bürger, mit denen wir Gespräche aufnehmen, sie zu Ämtern begleiten und einiges mehr. Wir gehen der Sache nach, auch wenn es der Stadt oder Politik nicht gefällt und wenn dabei Beschwerden über sie, wie vor einiger Zeit gegen Mitarbeiter des Ausländeramtes, nachgegangen wird.“ (nb – Dieser Bericht erschien zunächst auf unserem Viersen Stadtmagazin/Facebook am 17. Mai 2016)

Fest des Viersener Integrationsrates im Oktober 2016. Foto: Rheinischer Spiegel