NRW-Industrie schaut mit Sorgen auf die Energiekosten

Die Entwicklung der Energiepreise kennt derzeit nur eine Richtung: nach oben. Das hat die Industrie- und Handelskammern in NRW veranlasst, bei Industrieunternehmen nachzufragen, wie sich die Lage vor Ort in den Betrieben darstellt: Mehr als 470 Unternehmen wurden Mitte Januar zur aktuellen Situation der Energieversorgung befragt.

NRW – „Die Ergebnisse bestätigen den wachsenden Druck auf die NRW-Industrie“, sagt Ralf Stoffels, Präsident von IHK NRW. Für viele Unternehmen ist die Lage ernst: 59 Prozent der befragten Industrie-unternehmen rechnen mit weiter stark steigenden Energiekosten im Jahr 2022. Bereits 10 Prozent schätzen die Entwicklung als existenzgefährdend ein.

„Für die Industrie ist der aktuelle Anstieg der Energiekosten besonders kritisch, weil die Kosten oft nicht auf die Kunden umgelegt und damit in den Markt weitergegeben werden können“, sorgt sich der Präsident von IHK NRW. Damit schwinde die Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Industrie. „Wenn Vorprodukte bzw. Rohstoffe mit hohem Energieeinsatz produziert werden müssen, betrifft das ganze Wertschöpfungsketten.“

Dass Deutschland die höchsten Strompreise in Europa hat, ist seit längerem bekannt. Die Steigerung der Erdgaspreise, unabhängig von der CO²-Bepreisung, wird dagegen seit einigen Monaten zu einem großen Problem und trifft die Industrie nun in der gesamten Breite. Neben Strom, der natürlich überall eingesetzt wird, nutzen 82 Prozent der befragten Unternehmen Erdgas als Energieträger. Für 22 Prozent ist auch Öl immer noch ein wichtiger Energieträger. Kohle oder Kohlenstaub wird dagegen nur noch selten eingesetzt. Industrieunternehmen nutzen darüber hinaus Energie auch in Form von Deponiegas, Treibgas, Erdwärme, Abfällen, Biogas, Fernwärme und anderen Sonderbrennstoffen.

Hinzu kommt die zuletzt anziehende Nachfrage nach Energie. “In über der Hälfte der Unternehmen (52 Prozent) ist der mengenmäßige Energieverbrauch 2021 gestiegen, vor allem aufgrund längerer Maschinenlaufzeiten und Investitionen in neue zusätzliche Anlagen und Maschinen“, sagt Dr. Eckhard Göske, Fachpolitischer Sprecher Industrie von IHK NRW. Insgesamt gaben vier von fünf der befragten Unternehmen an, dass die Energiekosten im vergangenen Jahr angestiegen sind, obwohl viele Unternehmen mit Energieeinsparmaßnahmen und Investitionen in Energieeffizienz dagegenhalten. Alle Anstrengungen und Investitionen haben die Ausgaben für Strom, Gas usw. demnach nicht bremsen können. Das trifft also auch auf diejenigen zu, die viel tun, um den eigenen Energiebedarf zu reduzieren. Absehbar werden die Energiekosten weiterhin hoch bleiben. Verantwortlich dafür sind unter anderem steigende Netzentgelte. Damit dämpft der Anstieg der Energiepreise die Erholung der NRW-Wirtschaft zusätzlich.

Raphael Jonas, Fachpolitischer Sprecher Energie von IHK NRW weiß, dass den Unternehmen neben der Unberechenbarkeit der Energiepreise vor allem die gleichzeitig sinkende Sicherheit der Energielieferung Sorge bereitet: „Bei 10 Prozent der befragten Unternehmen ergaben sich in der letzten Zeit teils massive Probleme mit den Energielieferverträgen. Die Unternehmen berichten uns von gekündigten Lieferverträgen und mangelnden Angeboten.“

Die zunehmende Unsicherheit führe dazu, dass mehr Unternehmen über Investitionen in Erneuerbare Energien (z.B. Photovoltaik-Anlagen) oder Blockheizkraftwerke nachdenken. Laut der Befragung sehen die Unternehmen hier bisher jedoch unzureichende Rahmenbedingungen. Hinzu kommen derzeit Probleme bei der Versorgungssicherheit, der Netzinstabilität und dem Schutz vor Stromausfällen. Darüber hinaus wird die Beschaffung von CO²-freiem Strom zu einem weiteren Problem. So berichteten Unternehmen, dass sie aktuell keinen CO²-freien Strom in nennenswertem Umfang beschaffen können. Nur diejenigen, die für 2022 noch laufende Stromverträge haben, wägen sich derzeit noch auf der sicheren Seite. Wenn diese Verträge auslaufen, wird die Situation für diese Unternehmen dann allerdings neu zu bewerten sein. (opm)

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