Mitten in Ostwürttemberg, rund 50 Kilometer östlich von Stuttgart, liegt Schwäbisch Gmünd – eine Stadt, die Geschichte, Handwerk und moderne Kultur auf einzigartige Weise vereint.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker
Reisen – Wer die Stadt besucht, spürt sofort die Verbindung zwischen historischen Bauwerken, idyllischen Flusstälern und lebendigen Straßen, in denen das Leben pulsiert. Vom mittelalterlichen Marktplatz bis zu den stillen Höhen der Kaiserberge bietet Gmünd einen faszinierenden Mix aus Alt und Neu, Natur und urbanem Flair.

Schwäbisch Gmünd liegt in einer Talmulde der Rems, eingebettet zwischen dem bewaldeten Welzheimer Wald im Norden und dem sanften Vorland der Schwäbischen Alb im Süden. Das Stadtgebiet erstreckt sich über fast 500 Höhenmeter – vom tiefsten Punkt am Rems-Ausfluss bei 290 Metern über Normalnull bis zum Kalten Feld auf 781 Metern. Diese topografische Vielfalt schafft einzigartige Landschaftseindrücke: geschwungene Talhänge, ausgedehnte Waldflächen und offene Höhenflächen, von denen aus Besucher weit über das Remstal blicken können.
Der Fluss Rems prägt die Stadt in mehrfacher Hinsicht. Zahlreiche Nebenbäche wie Sulzbach, Rotenbach, Tiefenbach oder der über 13 Kilometer lange Josefsbach münden in die Rems und haben die Stadtlandschaft über Jahrhunderte geformt. Südlich liegt Degenfeld, ein Stadtteil, der über den Furtlepass in das Tal der Lauter entwässert und so zeigt, wie vielfältig die hydrologischen Gegebenheiten sind. Der Schießtalsee, künstlich angelegt, ist ein beliebter Ort für Badegäste, Kanufahrer und Spaziergänger.
Geologisch ist Gmünd ein wahres Kaleidoskop: Keuperböden im Talgrund wechseln mit Stubensandstein und Knollenmergel an den Hängen, darüber liegen Schichten des Süddeutschen Juras. Die Kaiserberge, insbesondere der Rechberg, geben Einblicke in Brauneisen- und Kalksteinformationen, die historisch sowohl für den Hausbau als auch für die Eisenverhüttung genutzt wurden. Wanderer und Naturinteressierte finden entlang des Geologischen Pfads am Hohenrechberg zahlreiche gut sichtbare Aufschlüsse.
Schwäbisch Gmünd hat eine bewegte Vergangenheit. Die Stadt, einst freie Reichsstadt, entwickelte sich früh zu einem Zentrum für Handwerk und Handel. Silber- und Eisenerzvorkommen in der Region führten zu Wohlstand und prägten die Bauweise zahlreicher historischer Gebäude.
Die Stadt ist auch eng mit der religiösen Geschichte verbunden. Bereits im 13. Jahrhundert siedelten sich Franziskaner, Augustiner und Dominikaner an. Klöster wie das Franziskanerkloster am Heiligen Ludwig, das Augustinerkloster und das Dominikanerkloster Gotteszell spielten zentrale Rollen in Bildung, Seelsorge und sozialer Versorgung. Nach der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts wurden viele Klostergebäude umgewidmet: Kirchen blieben oft erhalten, andere Gebäude dienten als Gefängnis, Verwaltungsgebäude oder Wohnraum.

Römische Spuren sind in Schwäbisch Gmünd allgegenwärtig: Das Kastell Schirenhof in der Weststadt gehörte zum Limes und wurde 2005 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Zahlreiche Kleinkastelle, darunter Freimühle, Kleindeinbach und Hintere Orthalde, zeigen die strategische Bedeutung der Region in der Antike.
Kulturell bietet Schwäbisch Gmünd ein bemerkenswertes Spektrum. Die Theaterwerkstatt Schwäbisch Gmünd bringt regelmäßig lokale Produktionen auf die Bühne, während das Internationale Schattentheater-Festival alle drei Jahre Künstler aus aller Welt anzieht. Die Stadt lebt Musik: Chöre, Musikvereine und die Philharmonie Schwäbisch Gmünd gestalten ein abwechslungsreiches Programm vom Barock bis zur Moderne. Die städtische Musikschule hat Tradition seit 1745 und bildet heute zahlreiche Nachwuchsmusiker aus.
Jugendliche finden Treffpunkte in Clubs wie dem Esperanza oder dem United, wo alternative und elektronische Musik gespielt wird. Jährliche Großveranstaltungen wie Abi-Partys oder Sommerfeste sind feste Bestandteile des städtischen Kalenders.
Das Heilig-Kreuz-Münster ist das architektonische Herz der Stadt. Als größte Hallenkirche Süddeutschlands beeindruckt sie mit gotischer Baukunst, barocker Münsterbauhütte und romanischem Glockenturm. Daneben prägen die spätromanische Johanniskirche mit ihrem schiefen Turm, die Pfarrkirche St. Franziskus und die Wallfahrtskirche St. Salvator das Stadtbild.
Die Altstadt besticht durch Fachwerkhäuser, Patrizierbauten und historische Plätze. Am Marktplatz liegen die Grät, das Kornhaus, das Amtshaus im Spital zum Heiligen Geist und das Neue Rathaus von 1760 – ein Ensemble, das Geschichte und Alltagsleben auf eindrucksvolle Weise vereint. Teile der Stadtbefestigung, darunter Königsturm, Fünfknopfturm, Schmiedturm und Wasserturm, sind noch erhalten und teilweise zugänglich.
Museen wie das Silberwarenmuseum Ott-Pausersche Fabrik, das Panoramamuseum und das „schattenreich“ bieten Einblicke in die industrielle, künstlerische und kulturelle Geschichte. Besonders das Schattentheatermuseum ist weltweit einzigartig und zieht Besucher aus aller Welt an.

Die Stadt verfügt über zahlreiche Grünflächen. Der Stadtgarten am Nordrand der Altstadt, ursprünglich als Rokokogarten angelegt, beherbergt heute das Congress Centrum Stadtgarten. Die Grabenallee entlang des Josefsbachs wurde im Rahmen der Landesgartenschau 2014 modernisiert. Innovative Projekte wie der Aussichtsturm „Lindenturm“ kombinieren Natur, Architektur und Erholung.
Heute ist Schwäbisch Gmünd eine moderne Stadt, die Tradition und Innovation verbindet. Die Wirtschaft ist vielfältig: Handwerksbetriebe, Dienstleister und moderne Unternehmen prägen das Stadtbild. Gleichzeitig bleibt die historische Substanz der Stadt sichtbar – von römischen Kastellen über mittelalterliche Fachwerkhäuser bis zu barocken Kirchen. Die Stadt ist ein Zentrum für Kultur, Bildung und Freizeit in Ostwürttemberg. Musik, Theater, Museen und Feste beleben das öffentliche Leben. Wer durch Schwäbisch Gmünd schlendert, kann die Vergangenheit spüren, ohne dass die Gegenwart an Dynamik verliert. (nb)
