Stolpersteine in Mönchengladbach-Wickrath, Sandstraße 22

Mit seinen STOLPERSTEINEN erinnert der Künstler Gunter Demnig seit Jahren an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig einlässt. An der Sandstraße in Wickrath lebte eine jüdische Familie, deren Angehörige die Verfolgung überlebten oder rechtzeitig emigrierten – bis auf den Vater, der im Ghetto ums Leben kam.

Mönchengladbach-Wickrath – Alexander Harf wurde am 18. Juli 1882 in Wickrath als zehntes von vierzehn Kindern des Metzgers Andreas Harf (1837-1923) und der Henriette Harf geborene Rosendahl (1844-1893) geboren. Das Ehepaar Harf wohnte im Haus Sandstraße 22.

Sohn Alexander, von Beruf Fabrikarbeiter, später Althändler, heiratete am 7. Oktober 1904 in Wickrath die Haushälterin Bertha Wiesenfelder aus Eiterfeld in Hessen, geboren am 8. Mai 1876. Ihre Eltern waren der Viehhändler Herz Wiesenfelder und seine Frau Hannchen geborene Schaumberg.

Zwischen 1905 und 1913 wurden Alexander und Bertha Harf fünf Kinder geboren, darunter am 12. Mai 1911 Johanna Harf. Diese war bis 1938 Zurichterin in der Wickrather Lederfabrik. Als begeisterte Sportlerin gehörte Johanna oder einfach Hanna Harf der Damen-Handballmannschaft des Gladbacher R.j.F. [Reichsbund jüdischer Frontsoldaten] an.

Ihr Vater Alexander Harf engagierte sich in der Dorfgemeinschaft. Er war Angehöriger der Freiwilligen Feuerwehr Wickrath. Beim 50jährigen Jubiläum der Feuerwehr im Jahr 1930 sieht man ihn auf einem Foto inmitten seiner Kameraden. Im Jahr darauf verlor er seine Frau. Bertha Harf verstarb am 10. März 1931. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten gerieten die Wickrather Juden wie überall im Deutschen Reich unter Druck.

Im August 1939 musste Alexander Harf in das Haus seines Bruders Moritz Harf an der Rheindahlener Straße 30 ziehen. Seit dem 24. Juli 1941 war Harf in Köln, Alexianerstraße 50, gemeldet, von wo aus er am 30. Oktober 1941 in das Ghetto Lodz (Litzmannstadt) deportiert wurde. Dort fand er am 6. Juli 1942 den Tod. Tochter Johanna wurde am 10. Dezember 1941 nach Riga deportiert, wo sie bis Anfang Dezember 1943 verblieb.

Danach begann eine Odyssee durch verschiedene Konzentrationslager: Bis September 1944 befand sie sich im KZ Kaiserwald, von September 1944 bis Februar 1945 im KZ Libau, von Februar 1945 bis zum 1. Mai 1945 im Gefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel und anschließend im KZ Kiel-Hassee. Dort wurde Johanna befreit.

Einigen Nachkommen der Harfs gelang es, rechtzeitig nach Kolumbien auszuwandern. Zu ihnen stieß die KZ-Überlebende Hanna Harf, die dort Emil Kamp heiratete. Das Paar kehrte 1967 nach Deutschland zurück und siedelte sich 1976 in Düren an. Hanna Kamp starb 1999, ihr Mann im Jahr 2000. Das Paar liegt auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Düren begraben.

Zur Erinnerung an den ermordeten Alexander Harf und seine verfolgte und deportierte Tochter Hanna Kamp wurden ihnen am 16. April 2021 vor dem Haus Sandstraße 22 zwei Stolpersteine gesetzt.

Quellen: https://www.moenchengladbach.de/de/stolpersteine
Günter Erckens ►Juden in Mönchengladbach, Band 1, S. 567, Band 2, S. 297-298, 322, 325, 341, 368