Versteckt zwischen zerklüfteten Hügeln und der smaragdgrünen Küstenlinie im Südwesten Sardiniens liegt Teulada – ein Ort, dessen bescheidene Größe nicht über seine geschichtliche Tiefe und kulturelle Bedeutung hinwegtäuschen sollte.
Von RS-Redakteur Dietmar Thelen
Reisen – Auf den ersten Blick wirkt das Städtchen ruhig und zurückhaltend, doch bei genauerem Hinsehen entfaltet sich ein facettenreiches Bild eines Ortes, dessen Wurzeln bis in die punische Epoche zurückreichen und der im Laufe der Jahrhunderte immer wieder neu erfunden wurde.

Die Geschichte Teuladas beginnt nicht dort, wo heute seine Häuser stehen, sondern an der nahen Küste, in den antiken Überresten der Siedlung Bithia. Diese war einst ein florierender Ort unter punischem und später römischem Einfluss. Tempel, Thermen und Teile einer Straße zeugen von einem regen Leben in einer Zeit, als Sardinien eine Drehscheibe im Mittelmeer war. Während Bithia langsam im Sand der Jahrhunderte verschwand, rückte das heutige Teulada mehr ins Landesinnere – eine bewusste Entscheidung, um sich vor Piratenüberfällen und Angriffen vom Meer her zu schützen. Erst im späten Mittelalter entstand so das Dorf Teulada an seinem heutigen Ort, gegründet vermutlich von Bewohnern aus den zerstörten oder aufgegebenen Küstensiedlungen.
In dieser ländlichen Abgeschiedenheit entwickelte sich Teulada zu einem Ort mit starkem Bezug zur Natur, zu Landwirtschaft und Handwerk. Noch heute sind diese Ursprünge sichtbar – in den Olivenhainen, den traditionellen Lehmhäusern und den aus Naturstein errichteten Gehöften. Das tägliche Leben war lange Zeit geprägt von der harten Arbeit auf den Feldern, von Schafzucht und Weinbau. Die Menschen lebten einfach, aber im Einklang mit den Rhythmen der Jahreszeiten und den überlieferten Bräuchen ihrer Vorfahren. Dieser enge Bezug zur Erde findet seine Fortsetzung im Patronatsfest zu Ehren von San Isidoro, bei dem das bäuerliche Leben zelebriert wird – farbenfroh, festlich und tief in der sardischen Seele verwurzelt.

Besonders eindrucksvoll ist die einzigartige Küste Teuladas, deren Schönheit fast unberührt geblieben ist. Die Buchten und Strände – darunter Perlen wie Porto Zafferano oder Cala Piombo – sind nur schwer erreichbar und teilweise Teil eines militärischen Sperrgebiets. Was zunächst wie eine Einschränkung erscheint, hat paradoxerweise zur Erhaltung der Natur geführt. Die Küstenlinie blieb vom Massentourismus verschont, die Dünenlandschaften, Wacholderhaine und türkisfarbenen Lagunen wirken wie aus der Zeit gefallen. Gerade für Reisende, die das Ursprüngliche suchen, ist dies ein verstecktes Paradies.
Doch Teulada ist nicht nur ein Ort des Stillstands, sondern auch ein Beispiel für gelungene Balance zwischen Vergangenheit und Gegenwart. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine stille Transformation vollzogen. Während die jungen Menschen teils abwanderten, blieb ein Kern von Einheimischen, der sich der Bewahrung des kulturellen Erbes widmete – sei es durch den Erhalt des sardischen Dialekts, durch die Pflege der traditionellen Musik mit ihren archaischen Rhythmen oder durch die Wiederbelebung alter Handwerkskünste. Gleichzeitig entwickelte sich ein vorsichtiger, nachhaltiger Tourismus, der nicht auf große Hotelanlagen, sondern auf kleine Unterkünfte, Agriturismi und lokale Küche setzt. Besucher kommen hierher, um nicht nur Landschaft, sondern auch Authentizität zu erleben.
Ein Bummel durch das Zentrum von Teulada offenbart ein Geflecht aus schmalen Gassen, in denen der Duft von Rosmarin und Holzfeuer in der Luft liegt. Kleine Bars und Familienrestaurants bieten hausgemachte Speisen an, deren Rezepte seit Generationen weitergegeben werden. Auffällig ist auch die Gastfreundschaft, die in Teulada nicht touristische Höflichkeit, sondern gelebte Kultur ist. Wer hier verweilt, wird nicht als Fremder, sondern als willkommener Gast behandelt – ein Ausdruck jener tiefen sozialen Verbundenheit, die in kleinen sardischen Gemeinden bis heute eine große Rolle spielt.
In Teulada zeigt sich Sardinien von einer seiner ursprünglichsten Seiten – rau, schön, stolz und verwurzelt in einer Geschichte, die weiterlebt, ohne sich aufzudrängen. Ein Ort, der seine Vergangenheit nicht ausstellt, sondern in seinem Alltag mitträgt. Wer ihn entdeckt, findet nicht nur eine Region, sondern ein Lebensgefühl. (dt)

