Kundenservice verpflichtend auf Deutsch, Auszahlungspflicht für Reisegutscheine und ein Recht auf Reparatur sind einige der Reformvorhaben, die die Europäische Union 2024 auf den Weg bringen möchte. Das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland stellt die Maßnahmen vor und kritisiert, dass einige Reformen nicht weit genug gehen.
Magazin/Reisen – Der Verbraucherschutz ist einer der Politikbereiche, in dem die EU-Kommission am einflussreichsten ist. „Brüssel hat dafür gesorgt, dass die Menschen in Europa im weltweiten Vergleich grundsätzlich gut geschützt sind, wenn sie etwas kaufen“, sagt Karolina Wojtal, Co-Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland.
2024 plane die EU-Kommission mindestens zehn Maßnahmen, um den Verbraucherschutz weiter zu stärken:
1. Das Recht auf Reparatur kommt (wahrscheinlich)
Die EU-Kommission und das Europäische Parlament wollen ein Recht auf Reparatur einführen. Es soll Unternehmen verpflichten, defekte Geräte zu reparieren anstatt sie auszutauschen – sofern dies technisch möglich und finanziell zumutbar ist. Wenn die EU-Mitgliedsstaaten zustimmen, könnte das Gesetz bereits im Sommer verabschiedet werden.
2. Transparenz durch den digitalen Produktpass
Ein scanbares Etikett soll ab 2026 Informationen über die Nachhaltigkeit eines Produktes liefern. Außerdem werden die gesetzlichen Gewährleistungsrechte und Garantien des Herstellers angezeigt. Der digitale Produktpass ist Teil der Ökodesign-Verordnung, die noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll.
3. Greenwashing soll verboten werden
Einige Unternehmen vermarkten ihre Produkte zum Beispiel als „klimaneutral“ oder „biodiversitätsfreundlich“ – ohne darüber einen Nachweis zu bringen. Dieses sogenannte „ Greenwashing“ will die EU-Kommission 2024 mit einer neuen Richtlinie verbieten. Künftig sollen solche Aussagen belegt werden müssen.
4. Schlichtung soll Pflicht werden
Bei Verdacht auf Abzocke scheuen Verbraucherinnen und Verbraucher oft den Gang vor Gericht, weil dies mit einem hohen Aufwand verbunden ist. Schlichtungsstellen sind eine Alternative: Sie vermitteln außergerichtlich und können Streitigkeiten oft schnell und kostengünstig beilegen.
Mit einer Schlichtungsreform will die EU-Kommission erreichen, dass enttäuschte Kundinnen und Kunden in vielen Fällen die Einschaltung einer Schlichtungsstelle verlangen können – zum Beispiel bei irreführender Werbung, falschen Angaben oder verweigerter Lieferung aufgrund des Wohnortes („Geoblocking“).
5. Buchungsportale müssen informieren
Nutzerinnen und Nutzer von Reisebuchungsportalen sollen künftig besser geschützt werden. Geht es nach der Kommission, müssen beispielsweise Vermittler von Flugtickets Passagiere über Änderungen der Flugzeiten informieren.
6. Reisevermittler sollen schneller erstatten
Wird ein Flug von der Fluggesellschaft komplett gestrichen, sollen Reisevermittler verpflichtet werden, den Flugpreis innerhalb von 14 Tagen nach Annullierung zu erstatten.
7. Kundenservice auf Deutsch
Die Europäische Kommission will, dass Reiseunternehmen ihren Kundendienst in allen Sprachen anbieten, in denen sie auch Buchungen vornehmen. Bietet beispielsweise eine spanische Fluggesellschaft ihre Flüge auf einer deutschsprachigen Webseite an, soll auch der Kundendienst auf Deutsch antworten.
8. Beschwerden einfach einreichen können
Einige Reiseveranstalter verstecken regelrecht die Möglichkeit, eine Beschwerde einzureichen. Die Kommission will, dass Online-Formulare leichter zugänglich gemacht werden müssen.
9. Auszahlungspflicht für Reise-Gutscheine
Für Pauschalreisen will die Kommission strenge Bedingungen für Gutscheine festlegen, die im Falle einer Stornierung angeboten werden. Die Gutscheine sollen mindestens 12 Monate gültig sein. Nach Ablauf dieser Frist soll der Reisende Anspruch auf Erstattung des Geldes haben. Während der Laufzeit sollen die Gutscheine auch gegen eine Insolvenz des Veranstalters abgesichert sein.
Es soll jedoch wie bisher gelten: Reisende können Gutscheine auch ablehnen und sofort ihr Geld zurückverlangen.
10. Besserer Schutz in Ausnahmesituationen
Während der Corona-Pandemie kam es zu einem Chaos unterschiedlicher nationaler Reisevorschriften. Dies führte z. B. dazu, dass Reisen wegen strenger Vorschriften im Aufenthaltsland nicht angetreten werden durften, die Kosten aber vom Reiseveranstalter nicht erstattet wurden, weil im Land des Flughafens weniger strenge Vorschriften galten. Die Kommission möchte eine verbraucherfreundlichere Regelung einführen.
Europäisches Verbraucherzentrum erkennt Fortschritt an
Karolina Wojtal sieht in den Reformvorhaben ein positives Signal: „Vor der Europawahl im Juni scheinen EU-Kommission und Europaparlament den Verbraucherschutz-Turbo zünden zu wollen. Viele ihrer Vorhaben könnten die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich stärken.“
Im Reisebereich bemängelt die Co-Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums jedoch, dass zwei große Gesetzeslücken bestehen bleiben:
„Fluggäste bleiben im Falle einer Insolvenz der Fluggesellschaft weiterhin ungeschützt und können viel Geld verlieren. Womöglich droht dies bereits im März, denn dann wird Air Malta den Betrieb einstellen.“
Auch bei der Mitnahme des Gepäcks an Bord von Flugzeugen sind Reisende wohl auch in Zukunft ungeschützt: „Die Fluggesellschaften sollen weiterhin eigene Größen- und Gewichtsbeschränkungen für das Handgepäck festlegen dürfen. Wer mit verschiedenen Airlines fliegt, wird oft von unterschiedlichen Regelungen überrascht und muss nachzahlen“, kritisiert die Verbraucherschützerin. (opm)