Es ist Donnerstagnachmittag in der Senioreneinrichtung Haus Maria Hilf in Viersen. Der Geruch von Kaffee liegt in der Luft. Stimmengewirr und klirrendes Porzellan sind zu hören. In einer Ecke des hauseigenen Cafés steckt Musiker Roland Zetzen die letzten Kabel ein – Keyboard, Lautsprecher, Mikrofon. Kurz darauf spielt er einen Testakkord an und lächelt: Der Chor-Nachmittag beginnt.
Viersen – Seit mehreren Jahren leitet der Musiker, Texter und Komponist den Bewohner-Chor im Haus Maria Hilf. Mitgebracht hat er ein breites Repertoire an Schlagern und Volksliedern – und ein eigens mit den Bewohnerinnen und Bewohnern entwickeltes Lied: „Maria Hilf, da is et schön“.
Die Idee dazu entstand im Haus. „Wir haben uns zusammengesetzt, und ich habe gefragt: Was bedeutet euch das Leben hier? Was gefällt euch besonders?“, berichtet Zetzen. „Während die Bewohner erzählt haben, habe ich am Keyboard schon erste Melodien ausprobiert. Das Lied ist im Gespräch entstanden, in Echtzeit.“
Später hat Zetzen die Musik im Studio produziert. Dabei wurde jeder einzelne Chorteil separat aufgenommen. „Ich komme dann mit dem fertigen Playback zurück ins Haus und nehme jede Stimme einzeln auf – auch damit ich sie später im Studio sauber zusammenmischen kann. Das ist wichtig, weil nicht jeder genau im Takt oder Ton ist. Aber so klingt es am Ende richtig gut – und alle erkennen sich wieder.“
Zehn Bewohnerinnen und Bewohner singen regelmäßig mit. Auch Pflegekräfte und der Soziale Dienst begleiten die Proben, aktiv oder im Hintergrund. Es geht nicht darum, jeden Ton zu treffen, denn im Mittelpunkt steht die Gemeinschaft. „Wir nehmen alle mit“, sagt Zetzen. „Auch wer nicht mehr alles versteht oder gut hört, kann oft erstaunlich sicher mitsingen.“
Der Chor ist inklusiv – Menschen mit kognitiven Einschränkungen singen genauso mit wie rüstige Seniorinnen und Senioren. Gerade das macht die Erfahrung für viele so besonders. Für Bewohnerin Helga Peters (87) ist das Singen ein fester Bestandteil ihres Lebens. „Ich habe immer gesungen – im Kirchenchor, auf Ausflügen oder einfach so“, sagt sie. „Für mich ist das ein Bedürfnis.“ Auch jetzt folgt sie aufmerksam dem Liedtext, singt konzentriert und mit sicherer Stimme.
Dass gemeinsames Singen positive Effekte auf ältere Menschen hat, bestätigt Johannes Reichert, klinischer Musiktherapeut im Alexius/Josef Krankenhaus in Neuss: „Sänger suchen immer andere Sänger. Dort, wo gesungen wird, entsteht Gemeinschaft. Der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen und Singen befreit.“ Besonders in Pflegeeinrichtungen zeige sich die Wirkung deutlich. „Wenn gesungen wird und die Pflegekräfte in diesen Momenten dabei sind, verändert das viel. Die Musiker berichten oft, dass Bewohner den restlichen Tag besser drauf sind. Das kommt der Pflege zugute.“
Einmal pro Woche verwandelt sich ein gewöhnlicher Nachmittag in der Senioreneinrichtung in ein lebendiges Beispiel dafür, wie Musik menschliche Verbindungen stärkt und das Wohlbefinden fördert: Eine gesungene Form der Gesundheitsvorsorge. (opm)

