Vor gut 60 Jahren machte Johannes Nilles aus Viersen seinen Meister im Tischlerhandwerk. Zu seinem Jubiläum verrät der Seniorchef des Bestattungshauses August Nilles, weshalb er Särge immer vor Feiertagen fertigte. Und warum er viele Jahre keinen gemeinsamen Urlaub mit seiner Frau Marlene gemacht hat.
Viersen – Zwei Holztüren, zwei Glastüren, vier Schubladen, der Korpus aus Nussbaum, handpoliert: Das ist Johannes Nilles‘ Meisterstück – und ja, der Wohnzimmerschrank hat die sechs Jahrzehnte gut überstanden. Das gilt trotz einiger gesundheitlicher Rückschläge auch für seinen Erbauer. Davon konnte sich jetzt Robert Hellmann überzeugen, ehemaliger Obermeister und heutiger Ehrenobermeister der Tischler-Innung Kreis Viersen: Er zeichnete Johannes Nilles bei einem Besuch in dessen Wohnung mit dem Diamantenen Meisterbrief der Handwerkskammer Düsseldorf aus – wegen Corona mit gut einjähriger Verspätung.
Nilles kann nicht nur auf sein Meisterjubiläum zurückblicken, sondern auch auf die inzwischen 111-jährige Geschichte des Unternehmens, das er viele Jahre in der dritten Generation leitete. 1911 gründete sein Großvater Ignaz Heckers in Dülken eine „Tischlerei mit Sarglager“. Nur wenige Jahre später diente er als Soldat im Ersten Weltkrieg. Seine Frau führte in dieser Zeit die Schreinerei weiter. Und als ihr Schwiegersohn August Nilles im Zweiten Weltkrieg an die Front musste, war es seine Frau und ihre Tochter Maria, die sich um das seit 1924 an der Gladbacher Straße in Viersen ansässige Unternehmen kümmerte – Geschichte wiederholt sich. „Der Betrieb hat nie stillgelegen“, sagt Johannes Nilles, der die Tischlerei und Bestattungsunternehmen 1966 von seinem Vater August übernahm und drei Jahrzehnte lang führte.
„Als Tischlerei haben wir alles gemacht, wir konnten auch alles“, erzählt der heute 84-Jährige. In der Kapelle des Viersener Kinderkrankenhauses habe er mehrmals größere Arbeiten durchgeführt. Schwerpunkte des Betriebs waren Fenster, Türen, Treppen und Reparaturen. Und natürlich die Fertigung von Särgen. „Wir haben damals fünf Modelle kreiert und in Serien von 40 Stück gebaut, meist vor Feiertagen, weil dann kein Privatkunde mehr eine Tischler-Baustelle im Haus haben wollte. So konnten wir die Gesellen weiter beschäftigen“, berichtet Nilles.
Stets dabei war seine Frau Marlene, mit der er seit 60 Jahren verheiratet ist. „Wir haben immer alles zusammen gemacht“, sagt Johannes Nilles. Nur eines ging viele Jahre nicht: gemeinsamer Urlaub. „Durch die Bestattungen waren wir immer sehr gebunden; es gab damals ja noch kein Handy“, erklärt Nilles. Und deshalb machte das Paar mit den beiden Kindern stets getrennt Urlaub im Allgäu – jeweils 14 Tage lang.
1996 übergab Johannes Nilles den Familienbetrieb an seinen Sohn Thomas, der ebenfalls Tischlermeister ist. Auch Tochter Silvia arbeitet im Unternehmen, das sich inzwischen ausschließlich auf Bestattungen konzentriert. Bis vor acht Jahren hat Johannes Nilles immer noch mitgearbeitet. „Der Bestatter ist für viele Menschen der erste Ansprechpartner, nachdem ein Angehöriger verstorben ist“, sagt er. Da komme es auf Fingerspitzengefühl und Zuwendung an, aber auch auf eine umfassende Dienstleistung.
Viele Jahre engagierte sich Johannes Nillen für seinen Berufsstand. Er gehörte rund 15 Jahre dem Vorstand der Tischler-Innung Kreis Viersen als Lehrlingswart an, saß im Meisterprüfungsausschuss der Handwerkskammer und führte 26 Jahre lang als Vorsitzender den Kreisverband der Bestatter. Sein großes Hobby war die Kaninchenzucht, die er über 40 Jahre intensiv betrieb. Die Ställe baute er natürlich selbst. Mehr als drei Jahrzehnte lang bewertete er als Preisrichter die Tiere auf Ausstellungen. Heute arbeitet Johannes Nilles gerne am Computer und gestaltet Glückwunschkarten. (opm)