Autobahnmeisterei Titz: Von Schiffsschrauben und einem Schaf

Serie „Autobahn hautnah“: An den Teichen – so lautet seit dem 1. Juni 1976 die Adresse der Autobahnmeisterei Titz, die in Jackerath, einem von 16 Ortsteilen der Gemeinde Titz im nord-östlichen Teil des Kreises Düren liegt. In Sichtweite liegt der Tagebau Garzweiler II. Das gigantische Braunkohle-Abbaugebiet grenzt im Norden direkt an die AM und hat ihre Geschichte in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich mitbestimmt.

Region – Vorzeitig letzter Höhepunkt dabei waren Anfang des Jahres die Proteste um die Räumung des Weilers Lützerath, rund drei Kilometer entfernt. Auch hier waren die Mitarbeiter*innen involviert: So hatten sich Protestanten an einer Schilderbrücke über der Autobahn 44 festgeklebt, andere ließen sich – an Rollstühlen befestigt – an einer A44-Brücke unweit der Meisterei herab.

Ebenfalls in Wurfweite befindet sich ein Unikum in der deutschen Autobahn-Geschichte: Ein, mittlerweile zurückgebautes, Autobahnkreuz mit zwei Autobahnen, die vom Tagebau geschluckt wurden. 1983 wurde das Kreuz Jackerath, das die A44 mit der A61 verband, fertiggestellt, um dann ab 2006 wieder zurückgebaut zu werden. Denn die Kohlebagger zogen weiter gen Westen: Da, wo heute nach Kohle gebaggert wird, verlief bis 2005 die A44, vom Kreuz Jackerath bis zum Kreuz Holz. Heute ist von diesem Stück nicht mehr als nur noch wenige Meter zu sehen, die dann im Tagebau verschwinden. Um den damaligen Verlust der A44 aufzufangen, wurde die A61 sechsspurig ausgebaut. Aber auch davon ist heute nichts mehr zu sehen. Denn mit der Eröffnung des neuen Dreiecks Jackerath am 1. September 2018 wurde nicht nur die Anschlussstelle Jackerath geschlossen, sondern auch die komplette Passage der A61 bis zur Anschlussstelle Mönchengladbach-Wanlo. Seitdem versinkt auch sie im Tagebau.

Die A44 ist dagegen aus diesem wiederauferstanden, wenngleich auch rund einen Kilometer weiter östlich als zuvor. Auf Satellitenbildern ist der Prozess je nach Zoomstufe noch gut zu erkennen. „Ja, die Braunkohle bestimmt hier seit Jahrzehnten mit das Geschäft“, sagt Hiltrud Jansen. Die Verwaltungsmitarbeiterin ist seit 1985 fester Bestandteil der AM und kann damit aus dem Nähkästchen plaudern. So hat sie unter anderem auch noch genaue Erinnerungen daran, als Tagebau-Bagger ihre Standorte wechselten und über die Autobahnen zogen.

Ludwig wohnte jahrelang auf der AM
Es gab aber auch etliche Ereignisse fernab der Kohle: Da war zum Beispiel das Schaf Ludwig, das einst in einer Böschung gefunden wurde und einige Jahre auf der Meisterei in einem Stall wohnte, und den bisherigen tierischen Mitarbeiterstamm, bestehend aus Hunden und Frettchen, erweiterte. Sie sind mittlerweile alle nicht mehr da, wohl aber andere Artefakte. Da wäre eine große Schiffsschraube, die mit zwei weiteren bei Otzenrath gefunden wurde, und nun am kleinen Teich direkt am Eingang ihren Platz gefunden hat. Auf bzw. in diesem ist übrigens das Surfen, Angeln, Baden und Eislaufen verboten, wie ein Schild mitteilt. Nachfragen in die Mannschaft ergeben, dass nahezu alles dort schon vorgekommen sei, das Schild also durchaus seine Berechtigung habe.

Etwas weiter entfernt findet sich dann nicht nur eine Gartenlaube, in der gerne gefeiert wird, sondern auch eine antike Säule. Der Archäologische Park Xanten bedankte sich vor Jahren mit ihr für Grabungsarbeiten an einem Brunnen durch die AM-Mitarbeiter. Diese haben scheinbar ein Gespür für historische Schätze, denn das Gelände gleicht fast überall einem kleinen Museum. Weiteres Beispiel: In einer Halle steht ein Mercedes Steiger aus dem Jahre 1977. „Ihn hegen und pflegen wir, auch wenn er vielleicht nicht ganz so hoch und weit kommt wie sein modernes Pendant“, schildert Alexander Wolf. Er ist seit 28 Jahren bei der Autobahn GmbH bzw. den Vorgänger-Betrieben und hat bis vor wenigen Wochen zusammen mit Reiner Schütz die Meisterei kommissarisch geleitet. Mit Kerstin Großmann ist die langersehnte Leitung nun da.

1979: Notlandung auf der A44
Auch im Innenbereich wimmelt es vor Erinnerungen. Eine uralte Wandkarte der Provinzen Rheinland und Westfalen schmückt eine Wand, an einer anderen hängt ein von der Band Brings unterschriebenes T-Shirt, das vom „Tag der Begegnung“ in Xanten stammt, bei dem die AM mit einem Steiger für Begeisterung sorgte. Urkunden und Pokale zeugen von einer glorreichen Vergangenheit im Fußball. Und ein Schwarz-weiß-Foto zeigt ein kleines Flugzeug, das 1979 auf der A44 bei Jülich notlanden musste.

Zurück zur Straße: 87,599 Autobahnkilometer nennt die AM ihr „Eigen“, einige davon sind speziell. Wolf: „Die neue A44 hat bekanntlich ein Wind-Problem. Weht hier bei uns ein laues Lüftchen, kann es da oben schon mächtig ziehen. Ab 80 km/h Windgeschwindigkeit wird das Stück zugemacht, was rund viermal im Jahr passiert. Dafür halten wir sogar eine eigene Bereitschaft vor.“ Diese kann mittlerweile auf festgesetzte Schilder zurückgreifen, die bei Sturm nur noch umgedreht werden müssen. In dem Fall arbeite man gut mit den Kolleg*innen aus Kaarst und Mönchengladbach zusammen.

Einige weitere Besonderheiten weist die AM Titz auf. So verfügt sie über einen eigenen Brückenprüftrupp, zwei Turbinenspritzen für den Kampf gegen den Eichenprozessionsspinner und eine moderne Salzhalle inklusive Soleanlage. Ein PWC-Serviceteam mit drei Mitarbeitern kümmert sich nicht nur um die zwei Anlagen, die zur AM gehören, sondern auch um die beiden der AM Mönchengladbach und die vier der AM Düren. Und dann wäre da noch die tolle Kameradschaft untereinander. „Wir sind einfach ein tolles Team“, so Wolf. Weitere Aufgaben sind die Kontrolle und die Unterhaltung der Autobahnen, der Straßenausstattung und der Bauwerke. Grün- und Gehölzpflege, Reinigung, Entwässerung und Winterdienst gehören ebenfalls dazu. Und gab es einen Unfall, muss abgesichert werden, die Schäden werden im Anschluss beseitigt. (opm)

Das kleine Flugzeug musste 1979 auf der A44 bei Jülich notlanden. Foto: Autobahnmeisterei Titz