Mit „Aliso am See“ begeistert Henriette Wesselny bereits zum dritten Mal auf dem Buchmarkt. Der Rheinische Spiegel sprach mit der Autorin über Ideen und Recherche zu ihrem historischen Roman, der die Leser mit auf eine Reise durch zwei Epochen nimmt.
Literatur – Frau Wesselny, Sie haben jetzt Ihr drittes Buch veröffentlicht. Man darf annehmen, dass Sie gerne schreiben, doch scheint es, als ob Sie erst spät diese Leidenschaft entdeckt haben.
Sie spielen auf mein Alter an (sie schmunzelt). Tatsächlich habe ich erst jetzt die Zeit und die Ruhe alles das aufzuschreiben, was mir schon immer durch den Kopf gegangen ist. Ich habe über dreißig Jahre als Sozialpädagogin in einem Jugendamt gearbeitet, habe selbst zwei Kinder und habe – auch bei meinen vielen Reisen – so viel erlebt, dass ich aus dem Vollen schöpfen kann. Das musste einfach mal raus. Dazu kommt, dass ich schon immer viel gelesen habe. Aber das ist eigentlich klar. Nur wer viel liest, mag auch das Schreiben …
Das heißt, dass Ihre Romane autobiographisch sind?
Es fließt Persönliches und Autobiographisches ein. Ich denke, das ist bei jedem Autor so. Es hält sich mit dem, was der Fantasie entsprungen ist, die Waage.
In Ihrem Buch „Aliso am See“ gibt es ungewöhnliche Zeitsprünge. Wie sind Sie denn auf diese Idee gekommen?
Es geht um Haltern am See, die Stadt in der ich lebe und die ich so schön finde, dass ich Lust hatte einige wunderbare Orte festzuhalten. Leider musste ich auch viele auslassen. Aber das ging nicht anders. Dazu kommt die römische Vergangenheit. Tatsächlich gab es ja an genau dieser Stelle vor 2000 Jahren das römische Militärlager Aliso. Das fand ich schon immer richtig spannend.
Ich bin in einer Straße aufgewachsen die „Am Römerlager“ hieß. Wenn in unserem Viertel gebaut werden sollte, rückten erstmal die Archäologen an, machten ihre Ausgrabungen und untersuchten den Boden ganz genau. Das empfand ich schon als Kind als etwas Besonderes. Dazu erinnere ich mich an eine Führung im Römermuseum, bei der die Museumsführerin auf die Bäckerei an der Weseler Straße zeigte und sagte: „Im Hof von Beermann lag der Hafen.“ Mit einem Mal war die römische Zeit für mich ganz nah herangerückt.
Daraus eine Geschichte zu machen hatte ich jahrelang im Kopf, hatte aber auch mächtig Respekt davor, weil ich befürchtete sie könnte lang und kompliziert werden.
Ja, tatsächlich umfasst Ihr Roman auch 500 Seiten.
Kürzer ging es leider nicht.
Und war es dann so kompliziert, wie Sie befürchtet haben?
Erstaunlicherweise gar nicht. Ich habe mich herangetastet.
Wie lange haben Sie für Ihr neustes Werk gebraucht?
Auf den Punkt drei Jahre. Ich habe im März 2020 angefangen – darum fängt der Roman auch im März an – und habe ihn im März 2023 beendet. Auch er endet im März.
Warum die Einteilung in Monaten?
Das hat mir geholfen mich und die Geschichte zu strukturieren.
Sie mussten viel recherchieren?
Ja, aber zum Glück gibt es ja das Römermuseum vor Ort und ausreichend Literatur zu Thema.
Dann haben Sie auch noch die Varusschlacht mit hineingenommen.
Auch das musste sein. Wenn die 19. Legion, die in Aliso stationiert war, schon beteiligt war … Leider nicht nur beteiligt, sie wurde ja praktisch vernichtet. Darüber muss man ja schreiben.
Und die Germanen?
Haben auch hier gelebt, die Brukterer. Ein weiteres, spannendes Thema.
Sie muten Ihren Lesern einiges zu.
Ich finde nicht. Im Grunde hat doch jeder schon irgendwie von den Römern in Germanien, den Germanen und der Varusschlacht gehört. Ich habe es nur zusammengefasst, weil es sich durch den Ort anbot.
Werden die Halterner ihre Stadt wiedererkennen?
Das hoffe ich doch sehr. Ich stelle mir das so vor, dass sie mit den Menschen im Buch einen Spaziergang durch die Stadt machen.
Und was ist mit den Lesern, die Haltern gar nicht kennen?
Die lernen die Stadt kennen, ein bisschen zumindest. Aber der Geschichte tut das keinen Abbruch. Man kann das Geschehen auch verstehen, wenn einem Haltern völlig unbekannt ist. Die meisten Romane, die wir lesen, spielen ja an Orten, die wir nicht unbedingt kennen.
Vielen Dank für das interessante Interview, welches Lust macht auf mehr. Der neue (halb)historische Roman „Aliso am See“ ist im Viersener Kater Literaturverlag erschienen und zu einem Preis von 25 Euro mit 500 Seiten unter der ISBN 978-3-944514-49-9 im Buchhandel erhältlich. (hw/nb)