„Der letzte Kittel“ – Die IG Med ruft zum Protest auf und auch niederrheinische Apotheken beteiligen sich

Mit der Protestaktion „Der letzte Kittel“ wendet sich die IG Med an die Praxen und Apotheken – insbesondere allerdings an Gesundheitsminister Lauterbach. Zahlreich beteiligen sich deutschlandweit Betroffene und auch der Niederrhein packt Kittel, damit diese den Appell unterstützten können. 

Deutschland – Das Apothekensterben lässt pro Jahr fast 400 Apotheken von der Landschaft verschwinden, Notärzte suchen dringend nach Betten und die zahnärztliche Versorgung auf dem Land leidet durchschnittlich durch mangelnde Nachfolge und mangelndes Personal – nur drei Beispiele aus dem Aufruf der IG Med zur aktuellen Aktion „Der letzte Kittel“.

„Seit seiner Zeit als Berater der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ist Karl Lauterbach im Hintergrund und nun auch in verantwortlicher Position als Gesundheitsminister für die Fehlentwicklungen im Gesundheitssystem mitverantwortlich. Das Gesundheitsreformgesetz aus dieser Zeit legte den Grundstein für den Ruin in der medizinischen Versorgung in Deutschland, der jetzt zu dem Desaster führt, unter dem unsere Patienten, unsere Mitarbeiter und vor allem wir, als diejenigen, die das System noch irgendwie am Laufen gehalten haben, jetzt leiden“, so die IG Med, ein Zusammenschluss niedergelassener Ärzte aller Fachrichtungen aus dem gesamten Bundesgebiet.

Viele Mitglieder haben bereits den Weg aus der Kassenmedizin angetreten, viele denken darüber nach und werden es tun. Entweder, in dem sie ihre Kassentätigkeit aufgeben, ihre Praxis oder Apotheke schließen oder so früh wie möglich in die Rente gehen statt – wie früher üblich – noch bis ins höhere Alter in selbständiger Tätigkeit ihre Patienten zu versorgen. Was den meisten bleibt, ist „Der letzte Kittel“, der mit dem Abschließen der Praxistür an den Nagel gehängt wird.

Die IG Med bittet nun deutschlandweit darum diesen letzten Kittel, oder der, der es mal sein wird, nicht zu entsorgen, sondern ihn dem Gesundheitsminister schicken – „als Zeichen für seine Gesundheitspolitik, die für uns „DAS LETZTE“ ist.“ Hierzu hat die Interessengemeinschaft mit der Freien Apothekerschaft, dem VUV und den Vereinten Therapeuten vereinbart den letzten Kittel an die verschiedenen Standorte des Bundesgesundheitsministeriums zu schicken.

Beschriftet mi den Problemen der täglichen Arbeit, mal mit einer kleinen Trauerkarte und dem klaren Appell, dass es so nicht weitergehen kann, ist die Aktion bereits Anfang März gestartet, noch bis zum 27.03.2023 können die Kittel an die neue Adresse des Dienstsitzes des BMG – Mauerstraße 29, 10117 Berlin Mitte geschickt werden.

Der Aufruf der IG Med ist klar: „Der Apotheker haftet für die Verordnung genauso wie der Ärzte quasi mit seinem Privatvermögen – gibt es formale Fehler im Rezept oder ist das Medikament nach Ansicht der Kranken Kassen nicht wirtschaftlich, gibt es keinen Cent für das ausgegebene Medikament – DAS IST DAS LETZTE!

Die Zahngesundheit wird durch die erneute Budgetierung der zahnmedizinischen Leistungen gefährdet. Zahnerhaltende Leistungen werden notgedrungen heruntergefahren, innovative Therapiestrecken, welche auch einen erheblichen positiven Einfluss auf Allgemeinerkrankungen haben, werden kaputtgekürzt. Die zahnärztliche Versorgung auf dem Land leidet durchschnittlich durch mangelnde Nachfolge und mangelndes Personal.- DAS IST DAS LETZTE!

Weder für Neupatienten noch für chronisch kranke Patienten findet sich noch eine adäquate ambulante Versorgung. Die verbleibenden Praxen sind zum Bersten voll. Die verbliebenen Kollegen pfeifen auf dem letzten Loch – körperlich, seelisch und finanziell. Medizinische Fachangestellten sind fast nicht mehr zu finden, weil die Arbeit am Patienten für Ärzte und ihr Personal nicht mehr lukrativ ist – DAS IST DAS LETZTE!

Die Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und anderen medizinischen Heilmittelerbringer müssen darum kämpfen, dass ihre Leistungen wirklich bezahlt werden und nicht wegen Formfehlern abgesetzt werden. Durch eine geplante Akademisierung wird der Zugang zur Ausbildung beschränkt, so dass der Fachkräftemangel bei den medizinischen Therapeuten (Heilmittelerbringern) angeheizt wird – DAS IST DAS LETZTE!

Notärzte suchen händeringend nach Betten, wenn sie einen schweren Erkrankten oder verunfallten Patienten in stationäre Behandlung bringen wollen und fahren stundenlang über Land. Mit der geplanten Schließung von Krankenhäusern wird es weniger Intensivstationen und Notaufnahmen geben und damit auch weniger Ausbildungsstellen für Notärzte. Die Bezahlung ist in manchen Ländern lächerlich für den Einsatz der Rettungskräfte – DAS IST DAS LETZTE!

Die Kranken Kassen verwalten sich für 11 Mrd. Euro selbst zu Tode und verweigern im Gegenzug die finanziellen Mittel für die Versorgung ihrer Versicherten. Das neue GKV-Finanzierungsstärkungsgesetz verpflichtet die in der Medizin Tätigen dazu, für 97 Kranken Kassen auf Kosten der Patienten zu sparen, während diese weiterhin Gelder mit vollen Händen ausgeben dürfen – DAS IST DAS LETZTE!

Die Gesundheitspolitik vergeudet Gelder für elektronische Spielereien, die niemandem etwas nützen und die wertvolle Zeit am Patienten noch verknappen. Die Telematikinfrastruktur erweist immer wieder, dass sie die Praxen in ihrer Arbeit behindert, dass sie nicht ausfallsicher und gefährdet die Daten der Patienten. Sie verlagert Verwaltungstätigkeit in die Praxen und wird als Datenkrake die individuellen Daten der Patienten zur Ware für Konzerne machen – DAS IST DAS LETZTE!

Selbst basale Medikamente sind auf Grund einer ungesunden Politik, die auf Rabattverträge, Billigstproduktion in Schwellenländern unter unsäglichen Bedingungen und Globalisierung des Medikamentenmarktes setzte, nicht mehr oder nur unter schwierigsten Bedingungen zu besorgen. Ärzte und Apotheker müssen über beständige Mehrarbeit diese Scharte der Politik auszuwetzen und gerade in Notfällen sieht es inzwischen düster aus mit der Versorgungssicherheit – DAS IST DAS LETZTE!

Die Liste der Zumutungen ließe sich noch über Seiten fortsetzen und jeder von Ihnen könnte sie um persönliche Erfahrungen ergänzen. Wir haben seit Jahren und Jahrzehnten als „Letzte medizinische Generation“ immer wieder versucht, die Scharten im deutschen Gesundheitswesen irgendwie auszuwetzen. Wir haben versucht, die falschen Versprechungen einer desaströsen Gesundheitspolitik irgendwie auszugleichen, damit es nicht an unseren Patienten ausging. Wir haben uns vorgemacht, dass es „unter dem Strich“ schon noch irgendwie reichen würde, um mit unserem erfüllenden Beruf auch noch unseren Mitarbeiter und Familien ein zufriedenstellendes Leben zu ermöglichen. Wir haben als in der Medizin Tätigen DAS LETZTE gegeben – vor der Pandemie, während der Zeit mit Corona und auch jetzt. Wir werden uns aber nicht mehr länger in unserer Praxis „festkleben“ – jetzt geben wir eben „DEN LETZTEN KITTEL“!“ (opm/dt)

Foto: orzalaga/Pixabay