Das Erntejahr 2023 ist aufgrund der anhaltenden Niederschläge genau in den Wochen, in denen normalerweise große Teile der Ernte im Land eingefahren werden, mit besonderen Herausforderungen für Landwirtinnen und Landwirte in Nordrhein-Westfalen verbunden.
NRW – An vielen Orten in Nordrhein-Westfalen konnte das Getreide, vor allem Weizen, erst später eingeholt werden, da es zu nass war. Im Extremfall waren einzelne Bestände durch die anhaltende Feuchtigkeit so stark ausgewachsen, dass sie mit dem Mähdrescher nicht mehr geerntet werden konnte.
Wirklich belastbare Zahlen können dieses Jahr daher nur für die Wintergerstenernte genannt werden, die mit überdurchschnittlichem Ergebnis von 8,1 Tonnen pro Hektar und guten Qualitäten vor der Regenphase abgeschlossen wurde. Bei Winterweizen schwanken die Erträge zwischen 9 Tonnen pro Hektar, die mit guter Qualität vor Mitte Juli gedroschen wurden, und Flächen, die vielerorts gar nicht mehr zu ernten waren.
Um sich selbst ein Bild von der regional schwierigen Situation vieler landwirtschaftlicher Betriebe zu machen und über vorläufige Ernteergebnisse zu berichten, hat Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Silke Gorißen gemeinsam mit dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Karl Werring, das Gut Marienfeld in Titz besucht, ein Ackerbaubetrieb im Kreis Düren.
Ministerin Silke Gorißen: „In der Landwirtschaft gibt es immer wieder unvorhersehbare Ereignisse, die buchstäblich die Ernte verhageln. Aber so ungünstig wie in diesem Jahr war der Wechsel zwischen Regen und Hitze schon lange nicht mehr. Ältere Landwirte sprechen davon, dass es letztmalig 1960 – also vor 63 Jahren – eine ähnlich schwierige Getreideernte gab. Für viele Landwirtinnen und Landwirte war die bisherige Ernte – vor allem des Weizens – ein besonderer Kraftakt.“
Ministerin Gorißen weiter: „Wir danken unseren Landwirtinnen und Landwirten für ihren Einsatz für unser tägliches Brot in diesem Jahr unter erschwerten Bedingungen ganz besonders. Wir werden uns weiterhin mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass sie in verlässlichen Rahmenbedingen anbauen und ernten können.“
Die bisherige Ernte kann in zwei Abschnitte unterteilt werden. Während vor den Niederschlägen Ende Juli durchschnittliche bis gute Erträge erzielt werden konnten, nahmen vor allem die Qualitäten nach Ende der Regenperiode deutlich ab. Die anhaltende Feuchtigkeit hat dazu geführt, dass der als Brotweizen angebaute Weizen oftmals nicht mehr die gewünschte Backqualität erreichte. Auf dem Gut Marienfeld im Kreis Düren konnte Winterweizen vollständig geerntet werden, allerdings in zwei Margen – eine vor und eine nach der Regenperiode. Sichtbar wird hier auch der Qualitätsunterschied der Weizenkörner. Ein Teil eignet sich als Brotweizen, der andere Teil, der nach der Regenperiode geerntet wurde, kann allenfalls als Tierfutter verkauft werden.
Karl Werring, Präsident der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen: „Die Getreideernte war in diesem Jahr herausfordernd und wurde für viele Betriebe zu einem Geduldsspiel. Das Jahr war bisher von mehreren Extremen geprägt. Zunächst hatten wir ein nasses und kühles Frühjahr, das bis Mitte Mai andauerte. Die schlagartig eintretende Trockenheit führte besonders auf sandigen Standorten, die das Wasser nicht gut halten können, zu Trockenstress bei den Pflanzen. Aufgrund der anschließenden Regenperiode musste die Ernte für mehrere Wochen unterbrochen werden.“
Regionale Unterschiede bei der Weizenernte
Die Bedeutung von Weizen ist in Nordrhein-Westfalen groß: Winterweizen wächst auf knapp jedem vierten Acker und ist auf rund 237.000 Hektar Anbaufläche die mit Abstand wichtigste Getreideart im Land. Bis zum einsetzenden Regen waren im Rheinland rund 70 Prozent der Flächen geerntet, während am Niederrhein, im Münsterland und Ostwestfalen noch mindestens 70 Prozent der Bestände auf dem Feld standen.
Wintergerste wurde auf 138.000 Hektar angebaut. Diese Ernte konnte weitestgehend vor den Niederschlägen abgeschlossen werden. Die Erträge liegen teilweise deutlich über dem langjährigen Mittel.
Roggen und Triticale, eine Kreuzung aus Roggen und Weizen, die als Futter angebaut wird, haben noch größere Auswuchs- und Durchwuchsprobleme als Weizen. Nur der Roggen, der vor den Niederschlägen geerntet wurde, eignet sich für Brot.
Bessere Aussichten für kommende Ernte
Im Gegensatz zum Getreide haben Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben von der warmen und nassen Witterung profitiert.
Für alle drei Kulturen gilt, dass sie wegen des nassen Frühjahrs vergleichsweise spät ausgesät werden konnten. Bei Mais ist mit guten bis durchschnittlichen Erträgen zu rechnen, genau wie bei Zuckerrüben.
Bei Kartoffeln ist die Lage schwieriger: Auf der einen Seite können die nassen Bedingungen zu einem hohen Anteil an faulen Knollen und Krautfäule führen. Auf der anderen Seite können bei einer reichlichen Wasserversorgung ohne Krankheitsdruck hohe Erträge erzielt werden.
Fast 50 Prozent der Fläche Nordrhein-Westfalens wird landwirtschaftlich bewirtschaftet. Rund 30.000 Landwirtinnen und Landwirte leisten dabei einen großen Beitrag für die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln. (opm)