Ev. Kirchenkreis Krefeld-Viersen: Sichtung aller Personalakten zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt

Im Evangelischen Kirchenkreis Krefeld-Viersen werden derzeit sämtliche Personalakten der vergangenen Jahrzehnte geprüft. Ein externes Team aus erfahrenen Fachleuten – drei pensionierte Kriminalbeamte und ein Richter a.D. – untersucht die Akten systematisch auf mögliche Hinweise zu Fällen sexualisierter Gewalt.

Krefeld-Viersen – Der Kirchenkreis will damit im Rahmen der landeskirchenweiten Aufarbeitung Verantwortung übernehmen und ein klares Zeichen setzen: Eine Kultur des Wegschauens darf es nicht geben!

Seit Anfang August warten rund 4.100 Akten drauf, gesichtet zu werden: etwa 1.860 elektronische Personalakten aktueller und seit 2021 ausgeschiedener Mitarbeitender sowie ca. 2.250 Papier-Akten von Mitarbeitenden aus den Personal-Archiven von Kirchenkreis, Diakonie und dem Gemeindeverband Krefeld. Bislang hat das vierköpfige Sichtungsteam gut 400 Akten in Augenschein genommen.

Die Überprüfung der Dokumente erfolgte mit einem Leitfaden der Evangelischen Kirche im Rheinland, der nach einem Pilotprojekt des Kirchenkreises Wuppertal jetzt allen Kirchenkreisen für ihr Aktenstudium zur Verfügung gestellt wurde. Er entspricht den fachlichen Standards im Umgang mit Fragen sexualisierter Gewalt und stellt sicher, dass alle Aktenscreener*innen die gleichen Kriterien anlegen. Das vierköpfige Krefelder Fachteam prüft alle Unterlagen auf mögliche Hinweise, die auf grenzverletzendes Verhalten, Übergriffe oder Missbrauch hindeuten könnten.

„Auffälligkeiten können sich beispielsweise aus ungewöhnlich häufigen Versetzungen, Beschwerdebriefen oder internen Notizen ergeben“, erklärt Klaus Kattendahl-Biedemann, ehemaliger Kriminalbeamter und einer der vier Aktenscreener. Werden entsprechende Hinweise gefunden, gehen die Akten an das Landeskirchenamt in Düsseldorf. „Dort übernehmen pensionierte Staatsanwälte die weitere Bewertung. Sie prüfen nicht nur die mögliche strafrechtliche Relevanz, sondern auch, wie kirchliche Leitungen in der Vergangenheit mit solchen Fällen umgegangen sind“, so Kattendahl-Biedemann. Ziel der umfassenden Sichtung ist es, Betroffenen Gehör zu verschaffen und gleichzeitig Strukturen zu verbessern, um künftig noch konsequenter zu handeln. Parallel zur Aufarbeitung legt der Kirchenkreis großen Wert auf Prävention. „Beides gehört für uns untrennbar zusammen“, so Superintendentin Barbara Schwahn.

Alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden sind verpflichtet, regelmäßig an Schulungen zur Prävention sexualisierter Gewalt teilzunehmen und den Verhaltenskodex einzuhalten. Die Teilnahme ist Pflicht. „Wer Schulungen wiederholt versäumt, muss mit arbeitsrechtlichen oder disziplinarischen Konsequenzen rechnen“, so die Superintendentin. Das gelte für hauptamtliche wie für ehrenamtliche Mitarbeiter*innen.

Das Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt, das für den Kirchenkreis, seine Institutionen und Gemeinden gilt, dient zudem als wichtiger Leitfaden, um Fehlverhalten oder strafrechtlich relevantes Verhalten von Mitarbeitenden künftig zu verhindern oder zu erkennen. Dabei stellt es sicher, dass auftretende Fälle mit der nötigen Transparenz und Konsequenz aufgearbeitet werden und Betroffene unmittelbar Unterstützung erhalten. Erste Anlaufstelle für Betroffene sind dabei die Vertrauenspersonen. Im Kirchenkreis Krefeld-Viersen sind das Kerstin Leuchten, Pfarrer Torsten Möller und als Seelsorge-Pfarrerin Katrin-Fürhoff.

Informationen zum kirchenkreisweiten Schutzkonzept und den Vertrauenspersonen finden Sie auf der Webseite:

Rahmen-Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt

Die Aktensichtung im Kirchenkreis ist Teil der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Die bundesweite ForuM-Studie hatte im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass Beschwerden über sexualisierte Gewalt in früheren Jahrzehnten häufig nicht ernst genommen oder unzureichend verfolgt wurden. Der Evangelische Kirchenkreis Krefeld-Viersen umfasst derzeit 21 Kirchengemeinden. Er erstreckt sich von Nettetal im Westen bis Krefeld im Osten, und von Meerbusch im Süden bis Kempen im Norden. Der Kirchenkreis ist die Gemeinschaft der in ihm zusammengeschlossenen Kirchengemeinden. Zur Erfüllung der Aufgaben der Kirche schafft er gemeindeübergreifende Dienste und Einrichtungen. Die Kreissynode mit Vertretungen aus allen Gemeinden leitet den Kirchenkreis. Wenn sie nicht tagt, ist dies der Kreissynodalvorstand mit der Superintendentin an der Spitze. Die zentrale Verwaltung mit dem Sitz der Superintendentin befindet sich in Krefeld. (opm)

Superintendentin Dr. Barbara Schwahn, Vertrauensperson Kerstin Leuchten und Klaus Kattendahl-Biedemann, einer der vier unabhängigen Aktenscreener*innen. Foto: Kirchenkreis Krefeld-Viersen