Gemeinsamer Schlag von Landesregierung NRW und niederländischer Regierung gegen menschenunwürdige Unterbringung von Arbeitnehmern

In einer gezielt durchgeführten landesübergreifenden Aktion haben nordrhein-westfälische und niederländische Behörden am 12. und 13. Februar 2022 Kontrollen von Unterkünften im deutsch-niederländischen Grenzgebiet durchgeführt.

NRW/Niederlande – Insgesamt sechs Sammelunterkünfte in Geldern und Emmerich wurden dabei in Bezug auf Bauvorschriften, Wohnqualität, Überbelegung und Hygienevorschriften überprüft. Dabei bestätigte sich der Verdacht einer organisierten Einschleusung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, vorwiegend aus Rumänien und Bulgarien, sowie Mieter- und Arbeitnehmerausbeutung durch Unternehmen der Leiharbeit im deutsch-niederländischen Grenzgebiet. Die festgestellten Rechtsverstöße sollen ordnungsrechtlich geahndet werden. In den kontrollierten Unterkünften wurden unter anderem erhebliche Brandschutzmängel, Schimmel, Schädlingsbefall, fehlende Stromversorgung und weitere bau- und wohnungsrechtliche Mängel festgestellt. Es werden zudem voraussichtlich Nutzungsuntersagungen für einige Unterkünfte erlassen. Eklatante Verstöße gegen Arbeitsschutzrecht (Mindestlohn, Arbeitszeiten, Kündigungsschutz) werden die niederländischen Behörden zusätzlich ahnden. Dort wo es einen Anfangsverdacht von Steuerstraftaten gibt, werden zudem die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet.

Über 140 Personen wurden den beiden Kontrolltagen von je 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschiedlicher deutscher und niederländischer Behörden im Rahmen der Kontrollaktion kontrolliert und über ihre Schutzrechte aufgeklärt. Neben einer Vielzahl von kommunalen Behörden, wie Bauaufsicht, Wohnungsaufsicht, Ordnungsamt, lokale Feuerwehr und Gesundheitsamt, war auch der Arbeitsschutz der Bezirksregierung Düsseldorf, die Steuerfahndung sowie der staatliche niederländische Arbeitsschutz beteiligt. Für die Sicherheit der insgesamt 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sorgten Aufgebote der Kreispolizeibehörde Kleve und der Bundespolizei. Die Kontrollaktion wurde vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen initiiert und koordiniert.

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen: „Mit der grenzübergreifenden Kontrollaktion von Sammelunterkünften ist uns ein Schlag gegen die menschenunwürdige Unterbringung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gelungen. Die Landesgrenzen dürfen kein Hindernis sein, um gegen ausbeuterische Strukturen vorzugehen. Mit der erstmalig grenzübergreifend durchgeführten Kontrollaktion haben wir die Scheinwerfer auf prekäre Arbeits- und Wohnverhältnisse gerichtet und illegale Strukturen aufgedeckt, um Betroffene aus den menschenunwürdigen Bedingungen zu befreien. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behörden und den Sicherheitskräften, die an der Kontrollaktion beteiligt waren.“

„Arbeitsmigranten haben wie alle anderen auch Anspruch auf angemessenen Wohnraum und ordentliche Arbeitsbedingungen. Das gilt hier genauso wie jenseits der Grenze. Deshalb bin ich froh, dass wir die Zusammenarbeit mit Nordrhein-Westfalen intensiviert haben. An diesem Wochenende haben die ersten gemeinsamen Inspektionen in der Grenzregion stattgefunden. Gemeinsam mit unseren deutschen Partnern können wir so grenzüberschreitende Missstände anpacken und die Situation von Arbeitsmigranten verbessern“, sagt Karien van Gennip, Ministerin für Soziales und Arbeit der Niederlande.

Silke Gorißen, Landrätin Kreis Kleve: „Skrupellose Unternehmer schlagen auf perfide Weise Profit aus der Not vieler Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten aus Südosteuropa. Durch seine Nähe zu den verarbeitenden Betrieben in den Niederlanden ist der Kreis Kleve besonders stark von Zuwanderungen betroffen. Die Situation dieser Menschen können wir nicht tatenlos hinnehmen. Als Modellregion hat der Kreis Kleve die Möglichkeit, das Landesministerium bei der Bekämpfung der untragbaren Zustände mit Nachdruck zu unterstützen.“

Sven Kaiser, Bürgermeister der Stadt Geldern: „Wir sind dem Ministerium von Ministerin Ina Scharrenbach dankbar für die Koordinierung dieses groß angelegten Einsatzes. Zusammen mit den Mitarbeitenden unserer Verwaltung wurde die Aktion seit Monaten im Hintergrund akribisch vorbereitet. Wie in vielen Kommunen nahe der niederländischen Grenze beschäftigt uns die Leiharbeiter-Problematik auch in

Geldern schon seit längerer Zeit. Die jetzt durchgeführte Aktion ist deshalb auch ein deutliches Signal an die Hintermänner dieses Systems, dass die Landesregierung und die betroffenen Kommunen nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft Hand in Hand entschlossen gegen dieses System des Menschenhandels und der Ausbeutung vorgehen werden, um die bestehenden Missstände zu bekämpfen.“

Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind in Sammelunterkünften grenznah auf der deutschen Seite untergebracht und arbeiten auf der niederländischen Seite – jeweils unter prekären Bedingungen. Sie werden in den Niederlanden unter unwürdigen Arbeitsbedingungen beschäftigt. Vor allem Leiharbeitsunternehmen, vorwiegend mit Geschäftsbeziehungen in die fleischverarbeitende Industrie, bauen solche Strukturen auf. Alleine im Kreis Kleve (mit den Städten Geldern und Emmerich) gehen Schätzungen davon aus, dass etwa 2.000 Arbeitsmigrantinnen und -migranten betroffen sind.

„Die grenzüberschreitende Kontrollaktion war und ist ein erster wichtiger Schritt, um Missstände auf beiden Seiten der Grenze aufzudecken und zu bekämpfen. Nur so lassen sich auf Dauer angemessene Arbeits- und Wohnbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Griff kriegen“, so Ministerin Scharrenbach weiter.

Mit dem zum 01. Juli 2021 eingeführten Wohnraumstärkungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen wurden die Kommunen bei der Überprüfung von Gebäuden und Unterkünften, die für die Unterbringung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genutzt werden, in ihren Befugnissen gestärkt. Das Ministerium für Heimat Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen hat zudem parallel dazu Strukturen für eine koordinierte Zusammenarbeit mit den Niederlanden entwickelt. Nun erfolgte die Kontrollaktion auf deutschem Boden. Den Grundstein für die durchgeführten Maßnahmen wurden im Dezember 2020 im Rahmen der Regierungskonsultationen mit den Niederlanden gelegt.

„Das Wohnraumstärkungsgesetz, ist ein scharfes Schwert, was wir den Kommunen an die Hand gegeben haben, damit sie Missstände beseitigen können. Wir helfen ihnen, wie bei der jetzigen Kontrollaktion dabei, es auch zu nutzen. Deshalb war das erst der Anfang. Weitere Aktionen wie diese werden folgen, damit wir den Sumpf von ausbeuterischen Strukturen trockenlegen und menschenunwürdige Unterkünfte auflösen“, kündigt Ministerin Scharrenbach an. (opm/land.nrw)

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