Mit der Note 3,47 bewerten Grefrather Unternehmen ihren Wirtschaftsstandort. Die Analyse wirtschaftsrelevanter Zahlen und einzelner Standortfaktoren für die Gemeinde Grefrath zeigt ein ambivalentes Bild. Das geht aus der Standortanalyse hervor, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein im Niederrheinischen Freilichtmuseum vorgestellt hat.
Grefrath – „Bei unserer Unternehmensumfrage schneidet der insgesamt wichtigste Faktor, die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur, überaus positiv ab, und das trotz gestiegener Anforderung in den vergangenen Jahren“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. Die Standortanalyse basiert auf der Auswertung amtlicher Statistiken und einer Unternehmensumfrage der IHK Ende des vergangenen Jahres 2023.
Zum 30. Juni 2023 haben in Grefrath insgesamt rund 3.400 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gearbeitet – 37 Prozent weniger als 1999. „Ursächlich für diesen Einbruch der Beschäftigtenzahlen sind Wegzug, Verkleinerung oder Insolvenz verschiedener größerer Unternehmen, insbesondere in der Zeit zwischen 2004 und 2010“, so Gregor Werkle, Leiter Wirtschaftspolitik bei der IHK Mittlerer Niederrhein. Im Land Nordrhein-Westfalen und im Kreis Viersen gab es seit 1999 dagegen ein Wachstum von 25,8 beziehungsweise 19,3 Prozent. „Seit 2016 verzeichnet auch Grefrath wieder einen Zuwachs, der etwa auf Niveau des Bundeslandes liegt“, erklärte Werkle. „Dieser Trend sollte uns zuversichtlich für die kommenden Jahre stimmen.“
Beim Vergleich wichtiger volkswirtschaftlicher Indikatoren Grefraths mit Kommunen ähnlicher Größe und dem Land NRW zeigen sich ebenfalls sowohl positive Aspekte als auch einige Herausforderungen: Die schwache Beschäftigungsentwicklung hat nicht für eine Zunahme der Arbeitslosigkeit gesorgt. 2023 war die Arbeitslosenzahl in Grefrath rund 22 Prozent geringer als noch zehn Jahre zuvor. Mit einem Wert von 100,5 liegt die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in Grefrath im bundesdeutschen Durchschnitt (100). Die Zentralitätskennziffer (79,1) zeigt allerdings, dass Grefrath Kaufkraft an die umliegenden Kommunen verliert. „Dies ist insbesondere mit Blick auf die Größe der Gemeinde, den negativen Pendlersaldo und der Einzelhandelskonkurrenz in den nahen Oberzentren sowie in der Nachbarstadt Kempen nicht ungewöhnlich oder besorgniserregend“, betonte Werkle.
Ausgesprochen niedrig ist die Realsteueraufbringungskraft der Gewerbesteuer je Einwohner in Grefrath. Hier kommt keine Kommune am Mittleren Niederrhein auf einen geringeren Wert. In den 70er Jahren war Grefrath gemessen an der Einwohnerzahl die steuerstärkste Kommune im gesamten Kreis Viersen. „Die Kommune sollte sich noch mehr als bisher schon auf die Wirtschaftspolitik konzentrieren, damit sie nicht das Schlusslicht der gesamten Region bleibt“, rät Werkle, der auch einen positiven Wert nennt: „Immerhin ist die kommunale Pro-Kopf-Verschuldung niedrig.“
Ähnlich ambivalent wie die Ergebnisse aus der amtlichen Statistik sind die Resultate der Unternehmensbefragung. Rund 80 Grefrather Betriebe bewerteten den Standort insgesamt sowie mehr als 40 Standortfaktoren mit einer Schulnote zwischen 1 und 6. „Das Urteil für den Standort insgesamt fällt mit einer Bewertung von 3,47 schlechter aus als der Durchschnitt der Wirtschaftsstandorte am Mittleren Niederrhein in den vergangenen Jahren“, erläuterte Steinmetz. Die verschiedenen Standortfaktoren wurden in Themengebiete gegliedert: Harte Standortfaktoren, Kommunale Kosten und Leistungen, Innerstädtische Standortfaktoren und Arbeitsmarktfaktoren. In allen Themengebieten ist die Bewertung von Grefrath schwächer als am Mittleren Niederrhein.
Aber: Der wichtigste Standortfaktor ist die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur (IuK). Sie umfasst sowohl die Breitbandinfrastruktur als auch den Mobilfunkempfang. Ihr geben die Unternehmen in Grefrath die Note 2,89. Das ist eine deutlich bessere Bewertung als am Mittleren Niederrhein im Schnitt. „Hier hat die Gemeinde ihre Hausaufgaben gemacht“, erklärt Steinmetz.
Auch ein sehr wichtiger Standortfaktor für die Unternehmen ist die Verkehrsanbindung an das Straßen- und Autobahnnetz, die mit 2,23 gut bewertet wird. Der Zustand der überörtlichen Straßen schneidet mit der Note 3,32 deutlich schlechter ab. Im Zusammenhang mit der größeren Entfernung der Kommune zu einem Ballungsraum werden auch das Image und der Bekanntheitsgrad des Standortes mit 3,32 etwas unterdurchschnittlicher beurteilt. Die Bewertung ist seit 2019 jedoch stabil geblieben. Die Miet- und Pachtpreise sowie die Grundstückspreise werden dagegen spürbar besser bewertet als am Mittleren Niederrhein. Auch beim Wohnungsangebot sieht man leichte Vorteile. Mit solchen Faktoren kann Grefrath vor allem bei Unternehmen punkten, die keinen großen Wert auf eine zentrale Lage ihres Standorts legen.
Bei der Bewertung der innerörtlichen Faktoren werden die Höhe der Parkgebühren, das Naherholungs- und Freizeitangebot sowie die Sicherheit in den Ortszentren gut beziehungsweise mehr als zufriedenstellend beurteilt. Kritisch werden der Zustand der innerstädtischen Straßenverhältnisse, das Stadtbild und der Branchenmix in der Innenstadt gesehen. „Grefrath hat im Umkreis eine starke Konkurrenz, wie etwa die Stadt Kempen. Grundsätzlich ist es daher gut, dass die Verwaltung das Thema Stadtentwicklung mit viel Tatkraft angeht. Maßnahmen wie die Umgestaltung der Marktplätze Grefrath und Oedt mit Hilfe öffentlicher Fördermittel begrüßen wir“, betont Steinmetz. Verkehrsmaßnahmen, wie etwa die Sperrung von Haupteinkaufsstraßen für den Durchgangsverkehr, sollten immer mit den betroffenen Händlerinnen und Händlern abgestimmt werden.
Viele Unternehmen sind mit den kommunalen Kosten und Leistungen unzufrieden. „Grefrath hat für seine Größe bereits überdurchschnittlich hohe Hebesätze bei Grund- und Gewerbesteuer. Deswegen sind die Unternehmen bereits jetzt unzufriedener mit dem Hebesatz als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt“, so Steinmetz. Der IHK-Hauptgeschäftsführer spricht sich daher gegen die aktuellen Pläne zur Erhöhung der Gewerbesteuer aus. Auch die Bestandspflege, die behördlichen Reaktionszeiten und die Dauer von Plan- und Genehmigungsverfahren, die nicht nur die Gemeinde betreffen, werden von den Grefrather Betrieben kritisiert.
Besser als am Mittleren Niederrhein wird die Kommunikation mit der Kommunalverwaltung bewertet. „Und mit der Wirtschaftsförderung sind mehr Unternehmen zufrieden als vor fünf Jahren“, erklärt Steinmetz. „Das zeigt, dass die Gemeinde bei diesen Themen auf dem richtigen Weg ist.“
In der anschließenden Diskussion zwischen Steinmetz, Bürgermeister Stefan Schumeckers und dem Publikum standen unter anderem die Themen Gewerbeflächen und Steuererhöhungen im Mittelpunkt. „Wir können keine neuen Gewerbegebiete entwickeln, weil uns keine Flächen zur Verfügung stehen“, erklärte der Bürgermeister. Auf die Frage, wie es um die Areale der Unternehmen stehe, die ihr Geschäft in Grefrath aufgegeben haben, erklärte er: „Es gibt sehr viele brachliegende Liegenschaften, auf die wir aber keinen Zugriff haben. Die Besitzer sind mit dem derzeitigen Zustand zufrieden – auch, wenn es nicht im Sinne der Gemeinde ist.“ Einen Unternehmer trieb die Frage um, welche Strategie die Gemeinde verfolge: „Wollen wir eine Wohngemeinde werden, sodass die Unternehmen, die noch da sind, immer mehr Steuern zahlen müssen? Oder soll es auch noch Wirtschaft geben?“ Sein Unternehmen, das für die Entwicklung des Girmes-Geländes verantwortlich ist, warte jedenfalls seit Jahren auf eine Kanalsanierung in diesem Gebiet. Das sei für Ansiedlungen von Unternehmen erforderlich. „Wir sehen uns als Service-Gemeinde und unterstützen Sie gerne bei der Entwicklung“, betonte Schumeckers. „Kommen Sie gerne auf uns zu. Dann können wir auch ein Kanal-Problem lösen.“
Nicht gelöst ist das Problem Steuererhöhungen. „Wie ist der Stand der Dinge in Sachen Erhöhung der Gewerbesteuer?“, wollte Steinmetz vom Bürgermeister wissen und forderte, die Aufwandsseite des Haushalts im Blick zu haben. Zudem wies er darauf hin, dass das Vorhaben für viele Unternehmen in der ohnehin derzeitig schwierigen wirtschaftlichen Situation eine große Herausforderung sei. Das konnte ein Unternehmer im Publikum nur bestätigen: „Corona, Mindestlohn, Energiekosten, schlechtere Erreichbarkeit durch Änderung der Verkehrsführung und jetzt die Gewebesteuer. Irgendwann ist es mal gut.“ Schumeckers erklärte, dass es noch keine politische Entscheidung zur Steuerfrage gebe. „Wir werden uns auch die Aufwandseite anschauen, aber wir sind ausgepresst“, betonte er.
Am Ende der Diskussionsrunde vereinbarten Steinmetz und Schumeckers, die Zusammenarbeit zwischen der IHK und der Gemeindeverwaltung generell zu intensivieren. Die komplette Analyse ist zu finden unter: www.mittlerer-niederrhein.ihk.de/31514. (opm)