Krieg gegen die Ukraine, Spannungen zwischen Großmächten, Sanktionen und Protektionismus: Die Aktivitäten der Unternehmen am Mittleren Niederrhein werden immer mehr von geopolitischen Risiken beeinflusst.
Region – Dies geht aus einer Unternehmensbefragung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein hervor, an der sich 200 Unternehmen aus auslandsaktiven Branchen aus Krefeld, Mönchengladbach, dem Rhein-Kreis Neuss und dem Kreis Viersen beteiligt haben. „Wir erwarten von der Politik, dass sie sich für den weltweiten Abbau von Handelshemmnissen einsetzt“, betont IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. „Gleichzeitig raten wir allen Unternehmen, ihr geopolitisches Risikomanagement systematisch auszubauen.“
Für knapp zwei Drittel der Unternehmen aus Industrie, Großhandel und Logistik hat die Erfassung geopolitischer Risiken eine sehr hohe oder hohe Bedeutung. Für nur 11 Prozent haben geopolitischen Risiken keine oder eine sehr geringe Bedeutung. Zwei Drittel der Unternehmen rechnen damit, dass geopolitische Risiken in den nächsten fünf Jahren zu Problemen auf Bezugs- beziehungsweise Absatzmärkten führen werden. Nur 14 Prozent der Betriebe rechnen nicht damit.
Die geopolitischen Spannungen spitzen sich nach Ansicht von IHK-Hauptgeschäftsführer Steinmetz nicht nur aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zu. „Besonders bedrohlich ist das zunehmend belastete Verhältnis zwischen der Volkrepublik China und den USA. Die kürzliche Erweiterung der BRICS-Gemeinschaft aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika- um sechs weitere Länder, unter ihnen Iran und Saudi-Arabien, kann als fortschreitende Lagerbildung gedeutet werden – mit potenziell negativen Folgen für den Welthandel“, analysiert Steinmetz.
Da immer mehr Betriebe damit rechnen, dass geopolitische Risiken Einfluss auf Bezugs- und Absatzmärkte haben werden, haben 45 Prozent der Unternehmen – wo es möglich ist – ihre Lieferketten bereits diversifiziert. Weitere 18 Prozent planen dies. Immerhin gut 50 Prozent der Unternehmen betreiben beziehungsweise planen Friendshoring und Nearshoring, also den Bezug von Vorprodukten bei Unternehmen aus befreundeten Staaten beziehungsweise aus der Nähe. „Während das Friendshoring insbesondere durch Kriege, Konflikte und mögliche Lagerbildung zu einer bedeutenden Maßnahme wird, dürfte gerade die Corona-Pandemie dazu beigetragen haben, dass mehr Unternehmen auf Nearshoring setzen. Seinerzeit waren viele transkontinentale Lieferbeziehungen zusammengebrochen“, erklärt Steinmetz.
Auf sehr unterschiedliche Maßnahmen setzen die Betriebe am Mittleren Niederrhein, wenn es darum geht, das eigene geopolitische Risikomanagement aufzustellen. Drei Maßnahmen stechen heraus: der regelmäßige Austausch mit anderen Unternehmen, die regelmäßige Überprüfung der Risikobereitschaft des Unternehmens sowie die Schulung und Sensibilisierung von Mitarbeitenden. Diese Schritte sind jeweils bei etwa 45 Prozent der Betriebe Bestandteil des unternehmensinternen geopolitischen Risikomanagements. „Die Maßnahmen zur Absicherung geopolitischer Risiken sorgen zudem für immer höhere Kosten“, erklärt Steinmetz. Bei 48 Prozent der Unternehmen sind sie durch Vorbeugung und Absicherung von geopolitischen Risiken gestiegen, bei 6 Prozent sogar stark. 46 Prozent der Unternehmen melden gleichbleibende Kosten. Kein Unternehmen, das sich an der der Umfrage beteiligt hat, konnte die entsprechenden Kosten in den vergangenen zehn Jahren senken.
Aus Sicht der Unternehmen ist auch die Politik gefordert. Für mehr als 60 Prozent der Betriebe sollte sich die deutsche Politik stärker für den Abbau von internationalen Handelshemmnissen einsetzen. Passend dazu fordert die Hälfte, dass ehrgeizige Handelsabkommen mit befreundeten Staaten beschlossen werden. Ein Drittel der Unternehmen macht sich zudem dafür stark, die multilateralen Regeln zum Beispiel innerhalb der Welthandelsorganisation WTO zu verbessern. „Das ist ein klarer Arbeitsauftrag der auslandsaktiven Wirtschaft für die Politik“, so Steinmetz.
Die IHK Mittlerer Niederrhein hat zehn Tipps für ein geopolitisches Risikomanagement zusammengestellt. Vor allem die Geschäftsführung von auslandsaktiven Unternehmen sollte sich umfangreiches Wissen darüber aneignen. „Angesichts der Vielzahl an geopolitischen Herausforderungen müssen die Betriebe aus unserer Sicht für mögliche geopolitischen Szenarien konkrete kurz-, mittel- und langfristige strategische und operative Maßnahmen entwickeln“, rät Steinmetz. Die Studie und Handlungsempfehlungen stehen auf der Website der IHK zur Verfügung: www.mittlerer-niederrhein.ihk.de/30729 (opm)