IHK zum Jahreswechsel: Infektionszahlen und Rohstoffkosten bremsen Erholungsprozess der Wirtschaft

Steigende Infektionszahlen im Herbst, eine nie dagewesene Rohstoffknappheit und lang andauernde Schließungen vieler Betriebe im ersten Halbjahr – das Wirtschaftsjahr 2021 war für die Unternehmen im Kreis Viersen von großen Herausforderungen geprägt.

Kreis Viersen – „Trotz aller Schwierigkeiten haben wir 2021 einen erfreulichen wirtschaftlichen Erholungsprozess erlebt“, resümiert Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein. Das Jahr habe gezeigt, wie widerstandsfähig die niederrheinische Wirtschaft sei. Dennoch bleibt Steinmetz vorsichtig: „Der weitere Pandemieverlauf und die Entwicklung der Rohstoffkosten bestimmen im kommenden Jahr die konjunkturelle Lage.“

Der IHK-Hauptgeschäftsführer erinnert an die enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des vergangenen Jahres: „Bei der Bewertung des Wirtschaftsjahres dürfen wir nicht vergessen, wo wir herkamen und dass viele Betriebe der kontaktintensiven Branchen bis weit in das Frühjahr hinein durch die Bundesnotbremse komplett geschlossen waren.“ So lag der IHK-Geschäftslageindex – also der Saldo aus dem Anteil der Betriebe mit guter Geschäftslage und dem Anteil der Betriebe mit schlechter Geschäftslage – für die Region zu Jahresbeginn bei -8,3 Punkten, im Frühsommer bei +8,1 Punkten und im Oktober sogar bei 23,6 Punkten. Im Kreis Viersen lag der Lageindikator zuletzt sogar bei 25,5 Punkten und damit leicht über dem Schnitt der Gesamtregion.

Auch die von der Pandemie besonders betroffenen Branchen, wie der Einzelhandel und die Gastronomie, waren bei der vergangenen Umfrage deutlich positiver gestimmt als bei den Vorumfragen. Allerdings: „Beide Branchen haben zwar eine verbesserte, aber noch keine guten Lageeinschätzungen geliefert. Sie waren eher durch optimistische Erwartungen getrieben“, so Steinmetz. So meldeten 38 Prozent der Einzelhändler und 52 Prozent der Betriebe des Gastgewerbes, dass sie mit einer Verbesserung der Lage rechnen. „Diese Erwartungen dürften sich jedoch aufgrund der sich verschärfenden Infektionslage nicht vollständig erfüllen“, so Steinmetz. Viele Gastronomieunternehmen hätten in der Weihnachtszeit Stornierungen hinnehmen müssen. Auch die Frequenzen in den Einkaufsstraßen sind noch deutlich unter dem 2019er-Wert.

Aus Sicht der IHK müsse im Jahr 2022 ein kompletter Lockdown weiterhin verhindert werden. „Bei den sicherlich notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen sollten den Betrieben nicht zu große bürokratische Lasten aufgebürdet werden“, so Steinmetz. Der Hauptgeschäftsführer erwartet, dass die Pandemie durch eine höhere Impfquote bald überwunden werden kann.

Neben der weiteren Entwicklung der Corona-Krise beobachten vor allem die Industrieunternehmen besorgt, wie sich die Rohstoffknappheit und die steigenden Rohstoffpreise weiterentwickeln. „Die hohen Rohstoffkosten haben die gute Stimmung im Herbst gedämpft, und sie haben sicherlich das Potenzial, den Erholungsprozess zu bremsen“, erklärt Steinmetz. 80 Prozent der Industrieunternehmen hatten angegeben, dass sie in den hohen Rohstoffkosten ein Geschäftsrisiko für den eigenen Betrieb sehen.

Wie bemerkenswert die Aufholjagd der Industrie im Jahr 2021 war, wird auch durch die Industrieumsatzstatistik von IT.NRW deutlich. Von Januar bis Oktober konnten die Industriebetriebe im Kreis Viersen trotz aller Schwierigkeiten ihre Umsätze im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,6 Prozent erhöhen. Auch der Wert von 2019 wurde damit schon wieder leicht – um 0,6 Prozent – überschritten. Bei den Exporten ist ein Plus von 7,2 Prozent, bei den Inlandsumsätzen von einem Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu beobachten. „Die direkten Auswirkungen der Pandemie haben in der Industrie im Jahr 2021 nur in wenigen Wirtschaftszweigen eine Rolle gespielt“, so Steinmetz.

Neuere Daten von IT.NRW seien jedoch nicht so verheißungsvoll. „Der NRW-Auftragseingangsindex der Industrie für Oktober ist spürbar zurückgegangen. Ich hoffe nicht, dass dies ein Vorbote dafür ist, dass die Aufholjagd ein Ende findet“, so Steinmetz. Bei der vergangenen Konjunkturumfrage waren noch 40 Prozent der regionalen Industriebetriebe von besseren Geschäften im Jahr 2022 ausgegangen, nur 12 Prozent rechneten mit einer Verschlechterung.

Der wirtschaftliche Erholungsprozess hat auch spürbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosquote lag im November 2021 mit 5,2 Prozent unter dem Vorjahreswert (6,0 Prozent). Der Fachkräftemangel wird von der Hälfte der Betriebe als wesentliches Geschäftsrisiko für die kommenden Monate angesehen. „Werte in dieser Höhe haben wir sonst nur in Zeiten der Hochkonjunktur gemessen“, erklärt Steinmetz. „Die Beschäftigungsaussichten für gut ausbildete Fachkräfte sind daher sehr gut.“ (opm)

Foto: Rheinischer Spiegel