Im Kaleidoskop der Klänge: Eine Wickrather Musikwoche voller Überraschungen

Kleine Bosheiten erhalten die Freundschaft. „Früher haben wir das Stück langsamer gespielt. Jetzt spielen wir es schneller, denn unser Pianist meinte, wir hätten nicht mehr so lang.“ Dieser Frotzelei zwischen den „Veteranen“ der Red House Jazzband muss energisch widersprochen werden, denn alle Künstler der diesjährigen Wickrather Musikwoche hinterließen beim Publikum einen quicklebendigen Eindruck. Gleiches galt für das musikalische Angebot, das sich von Klassik über Unterhaltungsmusik bis zum modernen Jazz spannte.

Mönchengladbach-Wickrath – Erstmals in der 33. Auflage der traditionsreichen Veranstaltung wurden gleich sechs Konzerte angeboten, die alle ihr Publikum fanden. Den Auftakt bildete am Sonntag das „Trio varié“, bestehend aus Peter Fett (Bratsche, Klarinette, Saxofone), Maren Winkelmann (Violine, Fagott) und Gabriele Froitzheim (Klavier). Klassisches Repertoire von Mendelssohn und Dvorak mündete gegen Ende der Darbietung in beschwingte Weisen aus Musical („Cabaret“) und Filmmusik („Miss Marple“). Präzision und Nuancenreichtum im Vortrag der anspruchsvollen Stücke, wie immer von Peter Fett neu arrangiert, legten die Latte für die Folgeveranstaltungen hoch.

Charlotte Illinger und das „Trio Indigo“ zogen die Jazz-Fans am Dienstag magisch an. Die profilierte, mehrfach preisgekrönte Künstlerin bezauberte mit ihrer jazzigen Eleganz und Intonation – auch bei eher balladesken Stücken wie „When I fall in love“. Genügend Raum, ihr ausgezeichnetes Können in Soli zu beweisen, erhielten Martin Scholz am Klavier, Alex Morsey am Bass (mit einer nahezu entfesselten, umjubelten Scat-Einlage) und André Spajic am Schlagzeug. Ermöglicht wurde das Engagement für die Musikwoche durch die Stiftung Jürgen Kutsch. Sie fördert Bildung, Kunst und kulturellen Dialog sowie Jugendarbeit und hilft benachteiligten Menschen bei der Integration in die Gesellschaft.

Viele Musikfans lockte wohl am Dienstag die Neugier in den Nassauer Stall, wie wohl Akkordeon und Geige miteinander harmonieren. Schnell war klar: ganz hervorragend! Vater Michael Lutz am Akkordeon und Sohn Daniel Lutz, mehrfacher Preisträger bei „Jugend musiziert“, brillierten zunächst solistisch, zeigten dann aber bald im Zusammenspiel das Potenzial dieser Instrumentalisierung. Für die warme, sonore Basis sorgte das meisterhafte Akkordeonspiel, die Melodieführung übernahm mit sicherem, schwungvollem Strich die Violine. Bei der Darbietung des „Wellerman“ geriet das Publikum im Saal endgültig in Schwingung.

Erneut hatte sich das ohnehin tourneeerfahrene Mandolinen-Orchester „Edelweiß“ am Mittwoch auf die 8 km lange Reise von Giesenkirchen nach Wickrath gemacht. Unter der bewährten Leitung von Doro Davis nahm es die Zuhörer auf eine musikalische Europareise mit, bei der spanische, italienische, ungarische und österreichische Weisen erklangen. Beim Stück „Nachtfalter“ konnte man förmlich dem Flattern des Insektes um die Laterne herum zuhören, an der es schließlich – welch ein tragisches Ende – verbrannte. Versöhnlich endete ein rundum vergnüglicher Abend mit einem Potpourri aus dem „Weißen Rössl am Wolfgangsee“.

Eine sichere Bank für ein rappelvolles Haus ist immer die Red House Jazzband, die am Donnerstag Dixieland, Chicago-Jazz, Swing und Blues zu einem mehr als zweistündigen, wahrhaftigen Musik-Spektakel vereinte. Hits von Louis Armstrong und Kid Ory, aber auch das getragene, auf dem Flügelhorn präsentierte „As time goes by“ aus dem Filmklassiker „Casablanca“ rissen die Zuhörerschaft emotional mit. Geradezu wehmütig reagierte das Publikum auf den „Rauschmeißer“ des Abends, das schmissige „Das gibt´s nur einmal“ aus dem Film „Der Kongress tanzt“. Diesen Titel kann man guten Gewissens als Überschrift über die gesamte diesjährige Musikwoche setzen.

Das musikalische Schaulaufen fand am Sonntag seinen festlichen Abschluss mit dem Singen der Chöre. Den Nachmittag im maximal besetzten Gemeindezentrum eröffnete der ev. Kirchenchor Wickrathberg mit geistlichem und weltlichem Liedgut, darunter eine wunderbare deutsche Adaption des ESC-Siegertitels von 1979 „Hallelujah“ von Milk & Honey.

Der Kinderchor „crescendos“ trug gruselige Moritaten von Moorhexen und Friedhöfen vor, bei denen wagemutige Solistinnen sich mutig an Soloparts herantrauten und sie exzellent meisterten. Die 13 Nachwuchssängerinnen und ein Sänger verkündeten aber auch „Gott ist mit uns unterwegs“ (was bei Proben insgeheim schon mal zu „Gott ist mittwochs unterwegs“ umgetextet werde, wie Chorleiter Jens Ebmeyer verriet).
Mit dem Frauenchor „Quodlibet“ aus Rheindahlen blühten weithin bekannte Schlagerklassiker aus den 1930er bis 1970er Jahren zu neuer Frische auf, bei denen aus dem Chorkonzert zeitweise ein Mitpfeifkonzert wurde und eine flotte Tanzeinlage auf die Bühne kam.

Temporeiche ukrainische und russische Weisen wechselten sich im Repertoire des wie immer in florale Volkstracht gekleideten Folkloreensembles „Katjuscha“ ab, was man getrost als politisches Statement werten durfte – ebenso wie das auf Deutsch gesungene „Ein bisschen Frieden“ von Nicole. Besonders hervorzuheben sind dabei die hoffnungsvollen jungen Solistinnen Diana Bowkun und Anna Keil.

Als einziger Männerchor des Nachmittags titulierte sich dann der Gesangsverein „Eintracht“ Wickrathberg als „aussterbende Spezies“. Wer ihn aber innerlich auf die „Rote Liste“ gesetzt hatte, wurde von dem kraftvoll vorgetragenen Freddy-Klassiker „Schön war die Zeit“ und dem Shanty „Wellerman“ aber eines Besseren belehrt.
Zum Abschluss präsentierte der Frauenchor „Grenzland“ ein abwechslungsreiches Crossover-Programm von Comedian Harmonists über Münchener Freiheit bis zum eindringlich vorgetragenen „Halleluja“ von Leonard Cohen.
Der Dank des HuVV-Vorsitzenden Uli Mones galt der Gastgeberin, Frau Pastorin Gommel-Packbier, und den Vorstandmitgliedern Norbert Degen, Kurt Eitel und Uli Schröders, die die Musikwoche professionell organisiert hatten und nun vom enormen Publikumszuspruch motiviert die 34. Musikwoche vorbereiten. (opm)