Der Landminen-Monitor 2023 meldet auch im achten Jahr in Folge eine hohe Zahl von Opfern durch Antipersonen-Minen einschließlich improvisierter Minen sowie durch andere explosive Kriegsreste.
Aktuell – 4.710 Menschen wurden durch diese Waffen und Blindgänger im Jahr 2022 getötet oder schwer verletzt, 85 % davon stammen aus der Zivilbevölkerung. Diese hohe Zahl ist vor allem auf die Zunahme der bewaffneten Konflikte und die Verseuchung durch improvisierte Minen seit 2015 zurückzuführen. Die Streitkräfte Russlands und Myanmars haben in großem Umfang Antipersonen-Minen eingesetzt – dies gilt auch für nichtstaatliche bewaffnete Gruppen in mindestens fünf Ländern. Mit Blick auf das weiterhin diskutierte Minenverbot fordert die humanitäre Hilfsorganisation Handicap International (HI) die internationale Staatengemeinschaft auf, Konfliktparteien dazu zu drängen, den Einsatz dieser barbarischen Waffen einzustellen. Auch 26 Jahre nach Annahme des Vertrags über ein Verbot von Antipersonen-Minen töten und verstümmeln diese Waffen weiterhin.
Der Landminen-Monitor 2023 erfasst die Umsetzung der Ottawa-Konvention, die den Einsatz, die Herstellung, die Weitergabe und die Lagerung von Antipersonen-Minen verbietet, für das Kalenderjahr 2022 und enthält außerdem Informationen bis Oktober 2023 (wo möglich).
Syrien, Ukraine, Jemen und Myanmar mit höchster Anzahl an Opfern
Im Jahr 2022 wurden mindestens 4.710 Personen durch Landminen oder explosive Kriegsreste getötet oder verletzt. Dieser Rückgang gegenüber den 5.544 Todesopfern im Jahr 2021 ist in erster Linie auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Datenerfassung in Afghanistan zurückzuführen.
1.661 Menschen verloren ihr Leben und 3.015 wurden verwundet. 85 % der Opfer stammen aus der Zivilbevölkerung und fast die Hälfte der zivilen Opfer waren Kinder (1.071 oder 49 %).
Syrien verzeichnet mit 834 gemeldeten Opfern im Jahr 2022 das dritte Jahr in Folge die höchste Zahl an getöteten und verletzten Menschen, gefolgt unter anderem von der Ukraine (mindestens 608 Opfer), dem Jemen (582) und Myanmar (545).
Viele Opfer auch nach Beendigung des Konflikts
„Nach Jahren des Rückgangs haben wir seit 2015 jedes Jahr eine hohe Zahl von Minenopfern zu beklagen. Die Konflikte nehmen zu und einige Armeen setzen Landminen in großem Umfang ein. Wir beobachten auch, dass Gebiete über längere Zeit kontaminiert bleiben. Das führt zu Opfern, lange nachdem der Konflikt beendet ist. Im Jemen beispielsweise ist die Gewalt seit einem Waffenstillstand im Oktober 2021 deutlich zurückgegangen, aber die Menschen werden weiterhin Opfer von Blindgängern. Im Jahr 2022 wurden in diesem Land fast 600 Menschen durch Minen, improvisierte Sprengsätze oder explosive Überreste getötet oder verletzt“, sagt Dr. Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von Handicap International Deutschland.
Neuer Einsatz von Landminen in Myanmar, Russland und Ukraine
Während des Berichtszeitraums wurden neue Fälle von Landminen-Einsätzen durch Myanmar, Russland und auch die Ukraine gemeldet:
Nach Aussage des Landminen-Monitors haben die Streitkräfte Myanmars seit 2021 den Einsatz neuer Minen erheblich ausgeweitet, auch in der Nähe kritischer Infrastruktur wie Mobilfunkmasten, Bergbauunternehmen und Energiepipelines.
Die russischen Streitkräfte haben seit Beginn der Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022 in großem Umfang Antipersonen-Minen eingesetzt – Berichten zufolge sogar mindestens 13 verschiedene Arten. Der Monitor berichtet auch über den Einsatz von Antipersonen-Minen durch ukrainische Regierungstruppen in und um die Stadt Izium im Jahr 2022, als die Stadt unter russischer Kontrolle war. Die Ukraine ist an den Minenverbotsvertrag gebunden.
Nichtstaatliche bewaffnete Gruppen in mindestens fünf Ländern setzten ebenfalls Antipersonen-Minen ein: in Kolumbien, Indien, Myanmar, Thailand und Tunesien.
Das Ausmaß der Kontamination
Insgesamt 85 Länder und fünf Gebiete sind mit Landminen verseucht. Im Oktober 2023 wird in mindestens 24 Vertragsstaaten eine Kontamination durch improvisierte Minen vermutet oder ist bekannt: Afghanistan, Bosnien-Herzegowina, Burkina Faso, Kamerun, Zentralafrika, Tschad, Kolumbien, Demokratische Republik Kongo, Guinea-Bissau, Irak, Mali, Mexiko, Mosambik, Niger, Nigeria, Philippinen, Somalia, Thailand, Togo, Tunesien, Türkei, Ukraine, Venezuela und Jemen.
Im Jahr 2022 entfielen die meisten Opfer (1.517 bzw. 32 %) im siebten Jahr in Folge auf improvisierte Minen (manuell platzierte Sprengkörper, die in der Regel handwerklich hergestellt werden, sich selbst aktivieren und wie eine Landmine töten und verletzen). Auf industriell hergestellte Minen entfielen 628 Todesopfer. Auf Blindgänger entfielen 2022 rund 20 % der vom Monitor erfassten Opfer (946).
Enorme Herausforderungen bei der Räumung
Die Stadt Rakka im Nordosten Syriens ist ein anschauliches Beispiel für die enormen Herausforderungen, denen sich die Räumungsexperten auch in den kommenden Jahren stellen werden. „In Rakka räumen wir nicht-explodierte Bomben, Überreste von Sprengkörpern, Sprengfallen, Minen und mehr. Unsere Minenräumung findet in den unterschiedlichsten Gebieten statt, darunter auf dem Land, in den Trümmern zerstörter Gebäude und sogar unter dem Wasser von Flüssen oder Dämmen. Unsere Arbeit ist ausgesprochen vielfältig und komplex. Wir treffen auf das gesamte Spektrum aller Explosivwaffen und arbeiten in dicht besiedelten Gebieten, was eine Herausforderung für die Sicherheit darstellt. Die Räumungsexperten mussten sich auf diese neuen Formen der Kontamination einstellen“, erklärt HI-Länderdirektorin für Syrien, Myriam Abord-Hugon. (opm)