Literarisches – Freunde, die nicht jedermanns Freunde sind

Zu meinem Freundeskreis gehören Leute, die nicht jedermanns Freunde sind. Aber sie besuchen mich hin und wieder. Meistens zufällig. „Hast du einen Euro für mich?“ Den Euro gebe ich meistens. Willi kenne ich schon lange. Seine Oma liege im Krankenhaus, sagt er; aber die Bahn sei teurer geworden. Willis Oma ist mir das Geld wert.
Literarisches von Peter Josef Dickers

Literarisches – So habe ich etliche Freunde. Ich lud sie zum Kaffee ein. Meine Idee fand ich hervorragend. Geschenke sollten sie nicht mitbringen. Es wäre schön, wenn du kommen könntest, sagte ich Willi, sagte ich Mani und anderen Freunden. Ich erwartete sie zum Nachmittagskaffee. Kaffee und Kuchen sollte es reichlich geben. Zigaretten wollte ich jedem zuteilen. Sie mussten nicht vorsorgen. Ich wusste, sie würden wieder kommen und fragen: „Hast du?“ Ich hätte.

Sie mussten längst da sein. Den Kaffee hätte ich in Warmhaltekannen füllen sollen. Die Kuchensahne musste ich in den Kühlschrank stellen. Ich wartete auf meine Freunde. Nach zwei Stunden begann ich abzuräumen und den Kaffee weg zu gießen. Den Kuchen konnte ich morgen im Seniorenstift abgeben. Die Zigaretten auch.

Drei Tage später traf ich Willi. Als er mich sah, humpelte er davon. Ich holte ihn ein. Er stammelte etwas von seiner Oma. Es gehe ihr nicht gut. Irgendwann liefen sie mir alle über den Weg. Jeder erzählte mir eine Geschichte. Wundersame Geschichten.

Als Mani sich eines Tages bei mir Zigaretten holte, verriet er es mir. „Das mit dem Kaffee war eine gute Idee von Ihnen. Aber ich habe mich geschämt.“ Geschämt nicht vor mir, sondern vor den Freunden. Ich hatte verstanden. (opm)

Foto: aga2rk/Pixabay

Aus: Peter Josef Dickers, Meine Zeit – Deine Zeit. Weimarer Schiller-Presse. Vergriffen

Foto: Winkler

Peter Josef Dickers wurde 1938 in Büttgen geboren. Nach einem Studium der Katholischen Theologie sowie der Philosophie und Pädagogik in Bonn, Fribourg/Schweiz, Köln sowie Düsseldorf erhielt er 1965 die Priesterweihe. Anschließend  war er in der Seelsorge und im Schuldienst tätig, bis er sich 1977 in den Laienstand rückversetzen ließ und heiratete. Nach der Laisierung war er hauptamtlich tätig an den Beruflichen Schulen in Kempen (jetzt Rhein-Maas-Kolleg) mit den Fächern Kath. Religionslehre, Pädagogik, Soziallehre, Jugendhilfe/Jugendrecht.

„Seit der Pensionierung bin ich weiterhin engagiert durch meine Schreibtätigkeit, mein Vorlese-Engagement in diversen Einrichtungen und sonstige Initiativen. In den Sommermonaten lese ich zeitweise als „Lektor“ auf Flusskreuzfahrt-Schiffen aus meinen bisher erschienenen Büchern“, so Peter Josef Dickers, der mittlerweile in Mönchengladbach beheimatet ist.