23 ehemalige Polizisten und eine Polizistin haben seit November 2021 in ungeklärten Mord- und Tötungsdelikten der vergangenen rund 50 Jahre – den sogenannten Cold Cases – ermittelt. Das Projekt des Landeskriminalamtes (LKA) und die dazu eingerichtete Besondere Aufbauorganisation (BAO) sind nun ausgelaufen. Die Ergebnisse der Cold Case-Ermittler werden die nordrhein-westfälische Polizei hingegen noch weiter beschäftigen.
NRW – 1.143 Cold Cases, die es seit 1970 in Nordrhein-Westfalen gibt, haben die besonders qualifizierten Polizistinnen und Polizisten unter die Lupe genommen. Hierbei ging es darum, zu bewerten, ob die bislang ungeklärten Fälle mit Kriminaltechnik von heute, mit neuen Ermittlungsmethoden, mithilfe veränderter Rechtsgrundlagen, oder auch dank neuer Hinweise aus der Bevölkerung aufgeklärt werden können. Minister Herbert Reul erklärt das Vorgehen anschaulich: „Unsere Ermittler reisen quasi in einer Zeitkapsel – bewaffnet mit kriminaltechnischem Besteck von 2023 – zurück in das Jahr der Tat.“ In 403 Fällen sehen die Polizisten gute Chancen, dass die Täter nach erneuten Ermittlungen gefasst werden können.
Herbert Reul bilanzierte zusammen mit dem Leiter des LKA, Ingo Wünsch und dem Chef der BAO Colin B. Nierenz das Projekt „Cold Cases“: „Zwar ist das Projekt beendet, die Arbeit nimmt aber jetzt erst richtig Fahrt auf. „Phase Zwei“ hat nun begonnen. In dieser Phase wird das Erfolgsmodell der BAO fortgesetzt, indem den Kriminalhauptstellen ebenfalls pensionierte Expertinnen und Experten, sogenannten Senior Experts, zur Verfügung stehen werden. Auch hier kann langjähriges Wissen und kriminalpolizeiliche Erfahrung in die Ermittlungen eingebracht werden. Die Früchte, die unsere Alt-Ermittler in der ersten Phase gesät haben, können bald geerntet werden. Da bin ich ganz sicher. Auch wenn die Verbrechen noch so lange her sind, keiner der Täter sollte sich in Sicherheit wähnen.“
Auch Ingo Wünsch zeigte sich hoch erfreut über die Ergebnisse der BAO „Cold Cases“: „Es erfüllt mich mit Stolz, dass die Idee zu dieser besonderen ‚Aufklärungsaktion‘ hier in meinem Haus, im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, geboren wurde. Die Idee war und ist getrieben von dem unbedingten Aufklärungswillen aller Beteiligten. Das Projekt haben wir beendet – nicht so unsere Arbeit an den Cold Cases. Wir bleiben dran!“
Das Projekt startete im November 2021 und war damals deutschlandweit das erste seiner Art. Im vorangegangen Sommer 2021 hatte das LKA begonnen, nach pensionierten Polizisten zu suchen, um die Ermittlungen bei ungeklärten Tötungsdelikten neu zu bearbeiten. 24 Alt-Ermittler traten den Dienst an. Bevor es an die Akten ging, hatten die ehemaligen Polizisten eine vom LKA konzipierte Auffrischungswoche durchlaufen. In dieser wurden sie über neue Ermittlungsmethoden unterrichtet und in die Bearbeitungsstruktur eingewiesen. Die Ermittler und die Ermittlerin sind zwischen 62 und 65 Jahre alt und haben unterschiedliche Hintergründe als ehemalige Todesermittler, Kommissariatsleiter, Vermisstensachbearbeiter oder als Experten der Kriminaltechnik.
Minister Reul bedankte sich für die Arbeit bei den Pensionierten: „Sie haben ihren wohlverdienten Ruhestand unterbrochen, ihrer Familie erneut etwas zugemutet, und sich grausamen Kapitalverbrechen gewidmet. Mit endlosem Tatendrang, mit jugendlicher Neugier, haben die alten Hasen sich nochmal hingesetzt und gegraben. Old but gold. Das sind Sie. Danke für Ihren Einsatz!“
Aufgabe war es, sich einen Überblick über den aktuellen Ermittlungsstand zu verschaffen, Akten zu digitalisieren, Asservate zu begutachten, Aufklärungschancen zu erkennen und Ermittlungskonzepte zu erarbeiten. Sofern sich neue Ermittlungsansätze ergeben, übernimmt jeweils die örtlich zuständige Kriminalpolizei die weitere Fallbearbeitung und schließlich entscheidet die zuständige Staatsanwaltschaft über die weiteren Ermittlungen. Bereits während die Cold Cases gesichtet wurden, konnten sechs Fälle aufgeklärt werden.
Cold Case-Ermittler Franz Wirges zeigt sich zufrieden mit den Ergebnissen der BAO: „Ich bin dankbar dafür, dass ich die Möglichkeit hatte, meine jahrzehntelange Erfahrung und meine Expertise in die Waagschale zu werfen. Zusammen mit neusten Ermittlungsmethoden und modernster Technik war das der Schlüssel zum Erfolg.“ Franz Wirges war mitverantwortlich für den Ermittlungsdurchbruch in der Mordkommission (MK) Mirow. Im Jahr 1987 kam es zu einem versuchten Raubmord in Köln-Ehrenfeld. Der mutmaßliche Täter wurde nun gefasst. (opm)