Soll eine Straße/Weg in Wickrathberg umbenannt werden?

Der Verein für Heimat und Denkmalpflege (VHD) Wickrathberg hatte auch im Namen der anderen ortsansässigen Vereine zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Hier ging es insbesondere um die Änderung des Werner-Lüderitz-Weges in einen anderen Namen.
Bericht von RS-Redakteurin Marlene Katz Referat von Hans Ulrich Rosocha

Jochem Enzenmüller, Barbara Fitzek, Hans Ulrich Rosocha

Mönchengladbach – Barbara Fitzek vom VHD begrüßte die Besucher im Gemeindehaus in Wickrathberg und erläuterte, warum diese Veranstaltung stattfinden sollte. Ganz herzlich begrüßte sie die Pfarrerin Esther Gommel-Packbier sowie den Referenten des Abends, Pfarrer i.R. Hans Ulrich Rosocha aus Rheindahlen.

Als der VHD mit der Planung zur Aufstellung von Infotafeln an der Kirche begann, beschäftigten sie sich daher auch eingehender mit der langjährigen Geschichte von Wickrathberg, die, in historische Abschnitte eingeteilt, inzwischen auf deren Homepage veröffentlicht ist.

Zur Zeit des Nationalsozialismus stellte er bei Nachforschungen unter anderem fest, dass der damalige Pfarrer Werner Lüderitz und alle damaligen Vertreter der Kirchengemeinde Anhänger der „Deutschen Christen“ waren. Neben den anderen unsäglichen Dingen aus dieser Zeit hat uns in diesem Zusammenhang erschreckt, dass Werner Lüderitz hier in Wickrathberg 2005 auf Vorschlag des damaligen Vorstandes des VHD mit einem Straßennamen geehrt wurde.

In den Gesprächen, die daraufhin geführt wurden, merkte man, dass kaum jemand Kenntnis von den Zielen der Gruppierung der „Deutschen Christen“ hat, was diese Straßenbenennung vielleicht erklären kann.

Auf den turnusmäßigen Treffen mit den anderen Vereinen im Dorf, wurde sich darüber ausgetauscht und man entschloss sich gemeinsam, zu dieser Informationsveranstaltung einzuladen, da man sich einig war, dass dieser Straßenname nicht tragbar ist.

Die weitere Moderation an diesem Abend übernahm Jochem Enzenmüller, der Vorsitzende des Männergesangvereins Eintracht Wickrathberg. Dieser gab dann das Mikrofon weiter an Rosocha.

Rosocha dankte für die Einladung und wies darauf hin, dass das Thema an diesem Abend nicht erfreulich sei. Hier ist ein Teil seines Referates wiedergegeben:

Die Frage, über die wir heute nachdenken wollen, ist, ob ein Mann wie Werner Lüderitz es verdient hat, dass eine Straße in Wickrathberg nach ihm benannt ist, oder ob seine Rolle während der Hitler-Diktatur in Deutschland es nicht erforderlich macht, diese Straße umzubenennen.

Zunächst wollen wir uns mit der Person des Wickrathberger Pfarrers Lüderitz befassen; danach will ich Sie über die „Deutschen Christen“ informieren, zu denen Pfarrer Lüderitz gehörte und die in der evangelischen Kirche in Deutschland eine verhängnisvolle Rolle gespielt haben.

Werner Max Paul Eugen Lüderitz wurde am 16.8.1896 in Emmerich geboren, studierte an den Universitäten Bonn und Tübingen Evangelische Theologie und legte am 1.4.1922 in Koblenz sein 1. und am 31.10.1923 dort auch sein 2.Theologisches Examen ab, war dann Hilfsprediger in Emmerich von 1922-23, Synodalvikar von 1924-25 und wurde am 10.2.1924 in Sulzbach ordiniert. Von 1925-1930 war er Pfarrer in Dudweiler und von 1930 bis zu seinem Tod am 15.4.1951 Pfarrer in Wickrathberg.

Pfarrer Lüderitz war überzeugter „Deutscher Christ“. Im Kirchenarchiv der Gemeinde Wickrathberg befinden sich Fotos, auf denen er bei Konfirmationen auf den Gruppenbildern in Uniform zu sehen ist. Er soll auch das Abzeichen der „Deutschen Christen“ getragen haben. (Kreuz mit Hakenkreuz)

Bei einem Familienabend des Wickrathberger Kirchenchores am 20. Mai 1933 lobte Pfr. Lüderitz die neue Stabilität nach der Machtübernahme Hitlers und erblickte in ihm einen zweiten eisernen Kanzler.

Am 11. September 1933 bildete sich in der Evangelischen Kirche im Rheinland die Rheinische Pfarrbruderschaft, in der sich die Gegner der Deutschen Christen und deren nationalsozialistisch gesteuerter Kirchenpolitik sammelten. Ihr schlossen sich 20 der 33 Pfarrer im damaligen Kirchenkreis Gladbach, zu dem Wickrathberg gehörte, an.

Der Wickrathberger Pfarrer Werner Lüderitz jedoch, der zu den Deutschen Christen gehörte, blieb der Rheinischen Pfarrbruderschaft gemeinsam mit anderen Pfarrern aus dem Lager der Deutschen Christen fern, wie etwa Wilhelm Krumme, Pfarrer der Gemeinde Odenkirchen und Hans Mahlert, Pfarrer der Gemeinde Waldniel.

Nun fragen wir uns natürlich, welche Bedeutung die sogenannten „Deutschen Christen“ damals hatten, zu denen Pfr. Lüderitz gehörte.

Die Deutschen Christen waren eine organisatorisch vielschichtige und auch in ihrer theologischen Haltung nicht einheitliche kirchenpolitische Gruppe während des Dritten Reiches, Exponentin des Nationalsozialismus in der evang. Kirche. Begründet wurden sie von Männern, die der Suggestion des Nationalsozialismus verfallen waren und sich auch als Pfarrer auf Gedeih und Verderb mit ihm verbunden hatten. Ihr erstes Auftreten wurde gekennzeichnet durch den politischen Soldaten im Talar, der sich die nationalsozialistischen Kampfmethoden angeeignet hatte. Auf der Reichstagung in Berlin im April 1933 wurden eine Reichskirche und ein Reichsbischof gefordert und ein unbedingter Führungsanspruch erhoben.

Zur Machtergreifung der „Deutschen Christen“ innerhalb der Evangelischen Kirche kam es durch die Kirchenwahl vom 31.Juli 1933, bei der Parteikreise und Hitler selbst in einer Rundfunkrede Partei für die „Deutschen Christen“ ergriffen hatten.

Das Ergebnis war eine absolute Mehrheit für die DC in den meisten Synoden, was zur Umbildung der Kirchenleitungen und Verfassungen in ihrem Sinne führte.

Am 13. November 1933 jedoch fand die berüchtigte „Sportpalastkundgebung“ der Berliner DC statt. Der Gauleiter der Berliner Deutschen Christen, Dr. Reinhold Krause, hielt vor 20 000 Menschen eine Rede, die die Pläne der Deutschen Christen in Bezug auf die Deutsche Evangelische Kirche mit überdeutlicher Klarheit herausstellte.

Er sagte unter anderem folgendes, was ich Ihnen jetzt ganz bewusst in der Sprache von damals vortragen werde, damit Sie einen Eindruck davon haben, wie diese Worte des Gauleiters Dr. Krause auf die Menschen im Berliner Sportpalast am 13.11.1933 gewirkt haben mögen: „Was einem Jahrtausend deutscher Geschichte nicht gelang, was auch Bismarck nicht erreichen konnte, das hat Gott durch die Kraft unseres Führers Adolf Hitler wahr werden lassen.“ „Der Sturm der nationalsozialistischen Revolution hat auch vor den Türen der Kirche nicht Halt gemacht. Schon ist manches Morsche auch in der Kirche Luthers gebrochen.“ „Da die Seele (des deutschen Volkes) restlos dem neuen Staat gehört, so kann der Totalitätsanspruch des nationalsozialistischen Staates auch vor der Kirche nicht halt machen“.

Krause forderte die „Befreiung von allem Undeutschen im Gottesdienst und im Bekenntnismäßigen, Befreiung vom Alten Testament mit seiner jüdischen Lohnmoral, von diesen Viehhändler– und Zuhältergeschichten“.

„Wenn wir Nationalsozialisten uns schämen, eine Krawatte von Juden zu kaufen, dann müssten wir uns erst recht schämen, irgendetwas, das zu unserer Seele spricht, das innerste Religiöse vom Juden anzunehmen. Hierbei gehört auch, dass unsere Kirche keine Menschen judenblütiger Art mehr in ihren Reihen aufnehmen darf, judenblütige Menschen gehören nicht in die deutsche Volkskirche, weder auf der Kanzel, noch unter der Kanzel. Und wo sie auf den Kanzeln stehen, haben sie so schnell wie möglich zu verschwinden. Es wird aber auch notwendig sein, dass unsere Landeskirche sich damit beschäftigt, dass alle offenbar entstellten und abergläubischen Berichte des Neuen Testaments entfernt werden und dass ein grundsätzlicher Verzicht auf die ganze Sündenbock- und Minderwertigkeitstheologie des Rabbiners Paulus ausgesprochen wird, der eine Verfälschung jener Botschaft begangen hat“.

„Wir müssen fordern: Rückkehr zu einem heldischen Jesus, dessen Leben für uns vorbildliche Bedeutung besitzt, und dessen Tod das Siegel auf dieses Leben ist, das der Beschluss eines heldischen und kämpferischen Lebens für die ihm vom Vater übertragene Aufgabe ist. Wir müssen uns daher auch hüten vor der übertriebenen Herausstellung des Gekreuzigten. Wir können als Führer keinen in der Ferne thronenden Gott gebrauchen, sondern nur einen furchtlosen Kämpfer. Führer braucht unsere Kirche, einen Führer hat sie in unserem Heiland.“

„Heldenehrung muss Gottesehrung werden. Heilige Stätten müssen erwachsen in unserem Lande. Unsere heiligen, blutgedüngten Stätten müssen uns mehr sein als ferne Stätten in Palästina, weil die Opfer des deutschen Freiheitskampfes mit ihrem Blut diesen Heimatboden getränkt haben.“

„Wir wollen Lieder singen, die frei sind von allen Israelitismen. Wir wollen uns frei machen von der Sprache Kanaans und zur deutschen Muttersprache kommen, weil nur in der deutschen Muttersprache der Mensch am tiefsten das Beten, Loben und Danken zum Ausdruck bringen kann“.

„Wir werden erleben, wie eng sich die Verwandtschaft des nordischen deutschen Geistes mit dem heldischen Jesusgeist zeigt. Es wird dann offenbar werden, dass die Vollendung der Reformation Martin Luthers der endgültige Sieg des nordischen Geistes über orientalischen Materialismus bedeutet.“

Soweit einige Auszüge aus der Sportpalastrede des Gauleiters der Berliner „Deutschen Christen“ Dr. Reinhold Krause am 13.November 1933 und ich muss Ihnen sagen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wenn ich das höre, läuft es mir kalt den Rücken herunter.

Doch erfreulicherweise erhob sich gegen diese Sportpalastkundgebung der Deutschen Christen mit ihren Forderungen ein Sturm der Empörung in der ganzen evangelischen Kirche. Viele, die gutgläubig Mitglied der Deutschen Christen geworden waren, traten unter Protest aus der Glaubensbewegung wieder aus.

So erklärten 9 Pfarrer der Kreissynode Bonn: „Wir unterzeichneten Pfarrer der Kreissynode Bonn haben anlässlich der Sportpalastereignisse mit Entrüstung und schwerer Enttäuschung festgestellt, dass die „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ in ihren entscheidenden Führern und Gruppen durch das Eindringen neuheidnische Anschauungen so entstellt und verfälscht worden ist, dass wir ihr ein ernsthaftes Arbeiten an ihren ursprünglichen Zielen und ein klares Eintreten für Evangelium und Bekenntnis nicht mehr zutrauen. Wir sind daher aus dieser Bewegung unter schärfstem Einspruch ausgetreten. Die Ortsgruppen unserer Gemeinden sind uns fast restlos gefolgt“.

Aber leider blieben trotzdem viele evangelische Gemeinden und Gemeindeglieder im Lager der „Deutschen Christen“ so wie auch Pfarrer Lüderitz aus Wickrathberg.

In den „Rengsdorfer Thesen“ der Deutschen Christen vom 5.Oktober 1933 kann man nachlesen, worum es ihnen eigentlich ging. Dort heißt es unter anderem:

„Für den deutschen Menschen kann es nur ein im deutschen Volkstum verwurzeltes Christentum geben“ (These 2).
„Die nationalsozialistische Revolution hat im deutschen Menschen eine einheitliche Haltung geprägt, die dem Glauben und dem Volkstum in gleicher Weise gerecht wird“ (These 5).

Aus Protest gegen die Machenschaften der DC trat am 10. Juni 1934 im Wichernhaus Mönchengladbach [Marktstieg 9] die „Freie Bekenntnissynode Gladbach“ zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. 10 Pfarrer und 25 Presbyter aus dem Kirchenkreis Gladbach gehörten dazu. Pfarrer Lüderitz jedoch gehörte nicht zu ihnen, sondern er bekannte sich trotzdem auch weiterhin zu den „Deutschen Christen“.

Diese versuchten, sich durch Rechtsbruch und mit Hilfe der GESTAPO an der Macht zu halten und durch eine kirchliche Diktatur die Opposition niederzuringen.

Durch den Rückzug von Staat und NS-Partei aus dem Kirchenkampf Ende 1934 verloren die DC jedoch weithin ihren Rückhalt, nachdem die Partei sich ihrer als kirchliche Stoßtrupps jahrelang bedient hatte. Damit verband sich ihr innerer Zerfall in Gruppen und sektenhafte Absplitterungen.

Dennoch blieb Pfarrer Lüderitz auch jetzt noch „Deutscher Christ“.

In der „Godesberger Erklärung der Nationalkirchlichen Einung Deutsche Christen“ vom 4. April 1939 lesen wir: „Mit allen Kräften des Glaubens und des tätigen Lebens dienen wir dem Manne (= Adolf Hitler), der unser Volk aus Knechtschaft und Not zu Freiheit und herrlicher Größe geführt hat“

„Indem der Nationalsozialismus jeden politischen Machtanspruch der Kirche bekämpft und die dem deutschen Volke artgemäße nationalsozialistische Weltanschauung für alle verbindlich macht, führt er das Werk Martin Luthers nach der weltanschaulich-politischen Seite fort und verhilft uns dadurch in religiöser Hinsicht wieder zu einem wahren Verständnis des christlichen Glaubens“. „Der christliche Glaube ist der unüberbrückbare Gegensatz zum Judentum“. Soweit ein Auszug aus der „Godesberger Erklärung“ der „Deutschen Christen“.

Die „Deutschen Christen“ entwickelten in den 12 Jahren des „Dritten Reiches“ sogar eigene Formen der Gottesdienstgestaltung. So hieß es in einer sogenannten „Deutsch-christlichen Feier“: „Heil Christus, Hirt aus deutschem Blut (was natürlich absoluter Unsinn ist, denn wir wissen ja alle, dass Jesus Jude war) wir stellen uns in deine Hut.

Du kamst nicht her aus fremden Landen, Du bist aus unserm Blut entstanden. Nimm weg den fremden Christuswahn! Heil deutscher Christus, geh voran!“

Die DC forderten weiter die Anerkennung „der Hoheit des NS-Staates aus Glauben“. Wer diese Haltung nicht mitmachen konnte, geriet in den Verdacht,“Sabotage am Werk des Führers“ zu treiben; viele Bekenntnispastoren wurden daher auch von DC diffamiert und bei den Behörden angezeigt.

Die weltanschauliche Abhängigkeit der Glaubensbewegung der DC gefährdete die Grundlage der Kirche. Das zeigte sich in der immer offeneren Ablehnung des AT wegen seinen „jüdischen“ Charakters, wogegen das NT einseitig aus seiner angeblich antijüdischen Haltung gedeutet wurde. Als jüdisch wurden aber auch die Kreuzestheologie und die Betonung von Sünde und Gnade in der paulinischen Verkündigung abgelehnt.

Der „Arier-Paragraph“, also die Ausscheidung aller nicht rein arischen Pfarrer sowie die Ausgliederung der jüdischen Gemeindeglieder stellte Blut und Rasse über die Gemeinschaft der Heiligen. Das Deutsche Volk wurde zum Heilsvolk, das „Gegenvolk“ der Juden.

Dieser Antisemitismus, den leider auch Pfarrer Lüderitz zusammen mit seinen „Deutschen Christen“ vertrat, war für die Jüdische Gemeinde in Wickrathberg verhängnisvoll.

Seit Jahrhunderten hatten dort Juden friedlich mit ihren christlichen Mitbürgern zusammengelebt. Eine jüdische Gemeinde bestand spätestens seit 1704 in Wickrathberg; im Jahr 1860 erfolgte ein schmuckvoller Neubau der Synagoge von 1814 an der Berger Dorfstraße. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde jedoch das Innere der Wickrathberger Synagoge völlig demoliert, aber von außen war die Zerstörung des Synagogen-Inneren nicht zu erkennen; die Täter blieben in der Nacht unerkannt.

Die Mutter von Hilde Sherman-Zander, die gleich neben der Synagoge wohnte, hatte jedoch die wertvollen Thora-Rollen in ihr Wohnhaus gebracht und sie dort auf dem Speicher versteckt.

In der folgenden Nacht vom 10. auf den 11. November 1938 wurde dann die Wickrathberger Synagoge, deren Inneres ohnehin verwüstet war, angezündet und brannte an allen Ecken.

Die Familie Zander, die neben der Synagoge wohnte, fürchtete um ihr Leben und flüchtete über die Berger Dorfstraße zu einer anderen jüdischen Familie, aber noch in der gleichen Nacht fuhren Lastwagen an deren Haus vorbei, es setzte ein Steinhagel ein und zertrümmerte alle Fensterscheiben. Die Feuerwehr rückte an, um den Synagogenbrand zu ersticken und ein Übergreifen des Feuers auf die benachbarten Häuser zu verhindern. Durch die Löscharbeiten aber war das Haus der Familie Zander derart verwüstet, dass es nicht mehr bewohnbar war.

1935 zählte die Jüdische Gemeinde noch 118 Mitglieder. Nach der Verwüstung der Synagoge und der Wohnhäuser 1938 anlässlich der Pogromnacht wurden viele jüdische Mitbürger verhaftet und in Judenhäuser gebracht. Hilde Sherman-Zander erzählt in ihrem bewegenden, 2022 von der Jüdischen Gemeinde Mönchengladbach neu herausgegebenen Buch „Zwischen Tag und Dunkel –Mädchenjahre im Ghetto“ von ihren furchtbaren Erlebnissen während der Pogromnacht.

In den folgenden Jahren wurden die jüdischen Familien immer wieder gequält und erniedrigt, bis dann vom 10. – 14. Dezember 1941 die Deportation nach Düsseldorf in den Schlachthof erfolgte und von dort aus in die KZs nach Riga und Theresienstadt. Spätestens 1942 hörte die jüdische Gemeinde in Wickrathberg auf zu existieren. Hilde Zander war eine der wenigen, die wie durch ein Wunder die grauenhaften Jahre im KZ Riga überlebten.

Ich frage mich nun, nachdem ich das alles weiß, ganz ernsthaft: Soll es auch weiter in Wickrathberg eine Straße geben, die nach einem Mann benannt ist, der zu den „Deutschen Christen“ gehörte, die den Hass gegen jüdische Mitbürger in so offensichtlicher Weise mitgetragen und gefördert haben? Sollte nicht vielmehr diese Straße nach einer respektablen Persönlichkeit benannt werden, um auch kommende Generationen immer wieder an das zu erinnern, was den jüdischen Mitbürgern auch in Wickrathberg in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland an unbeschreiblichem, furchtbarem Leid angetan worden ist oder sollte alternativ der Name einer Person gewählt werden, die über Wickrathberg hinaus durch ihr dichterisches Werk überregional bekannt geworden ist? Soweit das Referat von Hans Ulrich Rosocha.

Nach diesem Referat fand eine rege Diskussion zwischen den Anwohnern des Werner-Lüderitz-Weges sowie den übrigen Bürgern von Wickrathberg statt. Auch das Presbyterium der evangelischen Gemeinde in Vertretung von Christoph Strunk erklärte, dass dieses voll hinter dem Antrag des VHD stehe.

Auf die Frage, wie eine Änderung des Straßennamens erfolgen müsse erklärte Fitzek dieses so: der Antrag muss an die Bezirksverwaltungsstelle gestellt werden, diese berät und bewilligt und dann geht der Antrag in den Rat, der das dann beschließt.

Seitens des VHD wurden dann zwei Namen vorgeschlagen und zwar einmal Luise Förster, die Lehrerin in Wickrathberg war und auch auf dem hiesigen Friedhof beerdigt wurde. Weiter wurde sie als Schriftstellerin verschiedenster Bücher unter ihrem Pseudonym Ada Linden bekannt.

Zum zweiten Hilde Sherman-Zander, eine Jüdin, die in Wanlo geboren und mit ihrer Familie in Wickrathberg lebte und als einzige der Familie das KZ überlebte.

Auch über diese Vorschläge gab es rege Diskussionen. Marianne Beckers, die frühere Bezirksvorsteherin Wickrath, räumte ein, warum könne man nicht einfach den Vornamen weglassen und die Straße Lüderitz-Weg nennen. Damit erinnert man sich an den Sohn von Werner Lüderitz, Gert Lüderitz, der viel für Wickrathberg getan habe und man ihn so in Erinnerung behalten könne.

Seitens der Pfarrerin Gommel-Packbier kam dann der Vorschlag, der VHD solle sich mit den Bewohnern des Werner-Lüderitz-Weges treffen und mit ihnen hierüber sprechen. Danach könne man immer noch in ein großes Plenum gehen. Mit diesem Vorschlag waren die Anwohner einverstanden und man erklärte ihnen, dass sie natürlich auch ein Mitspracherecht bei der Namensfindung hätten.

Zum Schluss des Abends überreichte Steffi Herpens-Usemann noch ein Geschenk an Rosocha für sein ausführliches Referat.

 

Hilde Sherman-Zander

INFO:
Hilde Sherman, geborene Hilde Zander, (* 22. März 1923 in Wanlo; † 11. März 2011 in Jerusalem) Am 6. Dezember 1941 heiratete sie Kurt Winter aus Korschenbroich.

Luise Förster, *1.Oktober 1847 in Münstereifel, Kreis Rheinbach, † 23. November 1911 in Wickrathberg. Wohnte 1876 bis zum Tod in Wickrathberg 59 = Schulhaus = heute: Auf dem Damm 7,