Wie lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Union verbessern? Was ist notwendig, um den Binnenmarkt weiterzuentwickeln? Wo sollte überbordende Bürokratie abgebaut werden? Um diese Fragen ging es bei einer Podiumsdiskussion zur Europawahl zu der die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein eingeladen hatte.
Region – IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz begrüßte die Teilnehmer Dr. Stefan Berger (CDU), Michael Mölders (SPD), Dr. Michael Terwiesche (FDP) und Daniel Freund (Grüne): „Unsere Region ist eine Grenzregion im Herzen Europas. Deswegen möchte ich ein klares Bekenntnis zur EU abgeben. Ein Dexit würde kein einziges Problem in diesem Land lösen, sondern nur neue Probleme schaffen.“ Gleichzeitig sollte man „nichts schönreden“, so Steinmetz. Die EU produziere zu viele bürokratische Belastungen. „Das sorgt bei Unternehmerinnen und Unternehmern nur noch für Kopfschütteln.“ In den kommenden fünf Jahren komme es darauf an, dass Europa seine Wettbewerbsfähigkeit spürbar verbessert.
Darüber, wie das gelingen kann und wie der Binnenmarkt gestärkt werden kann, diskutierten die vier Kandidaten kontrovers. „Die EU verliert global an Bedeutung, die Herausforderungen sind vielfältig“, stellte Berger fest. „Aber: Die EU hat eine große Stärke – das ist der Binnenmarkt mit 400 Millionen Menschen.“ Diesen gelte es zu stärken und offen zu halten. Die EU-Regeln müssten überall gleichermaßen gelten. „Außerdem müssen wir die Marktwirtschaft, Leistungsbereitschaft und Innovationsfreude wieder stärker fördern“, forderte Berger.
Für Mölders kommt es vor allem auf Investitionen an. „Wir müssen dringend in die Infrastruktur investieren, wenn Europa als Wirtschaftsstandort attraktiver werden soll“, so der SPD-Kandidat. „Daher sollten wir in Deutschland auch nicht weiter an einer starren Schuldenbremse festhalten.“ Dem stimmte Freund zu. „Investitionen sind dringend notwendig, vor allem auch in eine europäische Wasserstoffinfrastruktur.“ Der Grünen-Politiker betonte auch, wie wichtig es sei, dass sich die Menschen und die Unternehmen in Europa auf Rechtsstaatlichkeit verlassen können. „Leider ist das nicht mehr überall in Europa selbstverständlich – das muss sich ändern“, forderte Freund.
Der FDP-Kandidat Terwiesche warnte vor einer Deindustrialisierung Europas: „Die Unternehmen werden von den Behörden immer mehr gegängelt und ausgebremst. Es kann nicht sein, dass Betriebe drei, vier Jahre auf Genehmigungen warten müssen.“ Angesichts zunehmender Regelungsdichte und Restriktionen schreckten immer mehr Unternehmen vor Investitionen in der EU zurück. Terwiesche ging auf das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ein: „Die Einhaltung der Menschenrechte ist wichtig. Aber es kann nicht die Aufgabe von Unternehmen in der EU sein, dies weltweit bei ihren Lieferanten zu überprüfen. Das können die Unternehmen nicht leisten, das ist die Aufgabe der jeweiligen Staaten.“
Der SPD-Kandidat Mölders hielt dagegen: „Es geht um Schutzstandards zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das halte ich grundsätzlich für richtig.“ Regulierung pauschal zu kritisieren, ist für Mölders keine Lösung: „Es muss darum gehen, Einzelfälle zu betrachten und Gesetze und Richtlinien regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen.“ Freund bemerkte, dass die Regulierung durch die EU in seinen Augen zum Bürokratieabbau in der Europäischen Union beitrage: „So gilt jetzt in der EU ein Lieferkettengesetz und nicht 27 verschiedene.“ Der CDU-Abgeordnete Berger dagegen kritisierte die Regelungsfreude der EU im Allgemeinen und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im Besonderen: „Man kann auch Ziele erreichen, ohne ständig neue Gesetze zu erlassen.“
Nach der Podiumsdiskussion stellten sich die Kandidaten den Fragen des Publikums. Die Themen Verkehrsinfrastruktur, Digitalisierung, Energieversorgung, chinesische Handelsplattformen und Handelshemmnisse beherrschten die Debatte mit den Unternehmerinnen und Unternehmern. (opm)