65 Jahre KG Blau-Wette Jonges sorgten für einen mitreißenden Zauber in der Manege

65 Jahre im Zeichen des jecken Brauchtums, 65 Jahre als starke, närrische Gemeinschaft, die die Karnevalsgesellschaft Blau-Wette Jonges e.V. 1959 Viersen raffiniert im Roahser Winterzelt zu feiern wussten.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker und Fotograf Martin Häming

Viersche – Als in der vergangenen Session der Wegfall des evangelischen Gemeindehauses drohte, zogen die Blau-Wette Jonges kurzerhand ins Winterzelt der Roahser Jonges um. ‚Ob eine Sitzung im Zelt denn überhaupt funktioniert?‘, wurde im Vorfeld getuschelt. ‚Ob da überhaupt Stimmung aufkommt?‘, wurde diskutiert. Doch die Karnevalsgesellschaft Blau-Wette Jonges e.V. 1959 Viersen wusste genau was sie tat und so wurde ihr Abend zu einer erfolgreichen, begeisternden Premiere … und etwas so Gutes, das muss natürlich wiederholt werden. Passenderweise bietet sich dazu ein (wenn auch nicht-närrisches) Jubiläum an.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Die ganze Woche wurde deshalb gemeinsam mit den Roahser Jonges im Zelt an der Sittarder Straße fleißig Hand angelegt. Schließlich sollte keiner frieren. Die Außenwände wurden abgedichtet, die Seitenwände verkleidet. Heizung? Funktioniert! Traversen für Licht und Ton wurden hochgezogen, Vorhänge zum Abtrennen von Thekenbereich und Toiletten aufgehangen – sowie 1.200 Luftballons aufgeblasen.

Was für eine Arbeit mag sich nun der eine oder andere denken, aber es hat sich gelohnt. Am Ende stand passend zum Freitagabend die außergewöhnliche Partylocation, die an diesem Wochenende fleißig von direkt drei jecken Vereinen genutzt wird.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Dass die Gesellschaft voller Stolz durch die gut besetzten Reihen der Karnevalisten aus der ganzen Region schritt, dass sei ihnen von Herzen gegönnt. Schließlich ist das, was hier auf die Beine gestellt wurde, mit großem Respekt der jecken Welt begleitet. Auf der Bühne führten dabei erneut die Sitzungspräsidenten Dirk Hechel, in diesem Jahr als Clown (die bekannte Eule muss leider restauriert werden und fällt in dieser Session aus), und Jürgen Vogt als Zirkusdirektor durch das wohl gewählte, abwechslungsreiche Programm, welches traditionell mit den Ehrungen begann. Diese konnten erneut über die große Leinwand verfolgt werden und so erreichte das Programm spielerisch auch die hinteren Reihen, während DJ Christian Leyers die erste Stimmungskanone fest im Griff hatte.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

KLN-Schatzmeister Klaus Hund gebührte die hohe Ehre den Verdienstorden des Karnevalsverbandes linker Niederrhein in Silber an Anna-Lena Bergs und den Verdienstorden in Bronze an Dirk Hechel für ihre Verdienste im närrischen Brauchtum zu überreichen. Ebenfalls der bereits beim Ordensabend gekürte Ehrensenator, Andreas Kunze, durfte bei den Vorstellungen nicht fehlen.

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Andreas Kunze ist nicht nur Präsident der KG Elfenrat aus Moers-Eick, der neue Senator arbeitet seit über 32 Jahren für ein Logistikunternehmen für Systemgastronomie. Von der Aushilfe, bis hin zum stellvertretenden Standortleiter des 30.000m² großen Logistikzentrum in Rheinberg hat er die Karriereleiter erklommen. Wenn das Trömmelche schlägt ist nicht nur er mit Herz und Seele Karnevalist, auch seine Frau und seine Kinder sind dem Bazillus Karneval verfallen.

Angesteckt damit hat ihn seine Frau, denn Karneval feierte er früher eigentlich nur von Altweiber bis zum Nelkensamstagszug. Seine Familie brachte ihn dann zur KG Elfenrat und nun lebt er nach dem Motto „Karneval is a lifestyle, not holiday“. Mit aktiven Zeit ab 2017 und seiner Wahl zum Präsidenten in 2020 kam dann auch die Verbindung zu den Blau-Wette Jonges, die auf eine lange Freundschaft der Gesellschaften zurückgeht, denn bereits in den 70er-Jahren wurden hierzu die Wurzeln gepflanzt.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Von da an ging es Schlag auf Schlag in dem fesselnden Programm und in das Rampenlicht der Bühne traten die Tanzgarden der Blau-Wette Jonges. Einen ersten Eindruck der neuen Tänze hatte man bereits zuvor beim Karnevalserwachen auf dem Remigiusplatz erhaschen können. Fleißig hatten die Mariechen ihre Schritte geprobt, die Bewegungen aufeinander abgestimmt. Das Ergebnis? Fantastisch und begeisternd! Das Lob wehte ihnen mit lautem Applaus entgegen und auch der Dank an die Trainerinnen Anna-Lena Bergs, Sabrina Koltermann sowie Bianca Nett wurde dabei nicht vergessen.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming
Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

In die wunderbare Stimmung des jecken Brauchtums reihte sich dann auch der Viersener Prinz mit Begleitung, Prinzengarde sowie Viersener Tambour Corps 1925 e.V. in passendem Rot ein. Und wo „Das wirbelnde Fässchen“, alias Helmut II., gerade sowieso auf der Bühne stand, da durfte schließlich das Mikrofon nicht alleine in der Ecke stehen. Ja, der Prinz weiß sein Volk zu begeistern, da steht er der Viersener Prinzengarde mit ihrem wunderbaren Tanzmariechen in Nichts nach. Allerdings alleine, ohne weibliche Begleitung, musste er diesen Abend verbringen, denn seine Prinzessin ist leider erkrankt (die Redaktion wünscht dieser holden Maid ebenso baldige Genesung wie der Boisheimer Prinzessin, die ebenfalls krankheitsbedingt fehlte).

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Als Special Guest schob sich als Abschluss des ersten Teils der heimischen Darbietungen zudem noch die frisch gegründete Gemeinschaftsgarde unter der Leitung von Trainerin Mona Stobbe und elf Tänzerinnen dazwischen, immerhin „rocken“ hier neben den Mariechen der Blau-Wette Jonges auch Mariechen der Crazy Kids, der Dü Ka Ge, der de Üüle, der Tanzgarde Süchteln und der Tanzgarde Alt Viersen 2020 mit. 

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Mit dem münsteraner Zauberer Christian Glade durften dann zwar die Plätze wieder eingenommen werden, aus dem Staunen kamen die Karnevalisten dennoch nicht heraus. Der Comedy-Zauberer bewies nämlich, was tatsächlich so alles in einen Ärmel passt. Dass dort eigentlich ein Diplom-Kaufmann auf der Bühne stand, das konnten die Gäste eigentlich so gar nicht glauben, denn Glade war seiner Leidenschaft gefolgt und ist mittlerweile international erfolgreich.

Ob nun der Merlin Award als „Best Comedy Magician Germany“, den die berühmte International Magicians Society in New York vergibt, oder als Gewinner des Internationalen Showpreises des Varieté Festivals, die Juroren trafen ihre Entscheidung wohl und seine Illusionen fanden auch im Rahser Festzelt fruchtbaren Boden – eben passend zum diesjährigen Vereinsmotto „Zauber in der Manege“.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Als dann tanzende Frösche die Bühne (stylisch eingespielt durch die Castle Pipers) eroberten, mussten die Jecken erst einmal zurück in die Wirklichkeit und zurück aus der Welt der Magie finden. Äh … Frösche … zumindest bezeichnet sich das Tanzcorps Höppe Kroetsch e. V. so, welches aus Eschweiler angereist war. 32 Tänzerinnen und 12 Tänzer umfasst das Corps, das mit einem energiegeladenen Mix aus alten und neuen Karnevalshit und bekannten Stimmungsliedern überzeugte.

Dabei blieben die Mitglieder nur selten am Boden, denn Hebefiguren und Akrobatik begleiteten den beeindruckenden Auftritt, für den das Festzelt fast schon zu niedrig war. Ihre Fans fand die Truppe bereits selbst in Frankreich und auch auf den Vierscher Bühnen seien ihnen nach dem positiven Applaus der Zeltgemeinde weitere Darbietungen in der 5. Jahreszeit gegönnt.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Wer sich als begeisterter Zuschauer des Quatsch Comedy Clubs oder der NightWash-Reise outete, für den war auch der sich anschließende Comedian Marius Rohmann nicht unbekannt. Auf den Bühnen in der Region ist auch er eher selten zu sehen, dafür findet man ihn regelmäßig im Fernsehen. Der 1955 in Bielefeld (sicher? Also Bielefeld, das gibt es doch gar nicht … Bielefeldverschwörung) geborene Künstler war nämlich schon bei Aktenzeichen XY … ungelöst ebenso zu sehen wie in dem Drama The Boxer oder am Theater. Und, wie das so ist, weiß er natürlich auch über erfolglose Castings als Schauspieler zu berichten – die aber im Nachhinein zumindest in der Erinnerung für begeisterte Lacher sorgten.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Nach dem Fitnesstraining der Lachmuskeln mussten dann die Hände wieder ran, was wäre eine solche Karnevalssitzung auch ohne die üblichen Fitnessmomente. Also: Aufstehen zum Einzug, die Hände schnell von außen nach innen führen, dabei berühren sich die Handinnenseiten. Diese Übung wiederholen wir rund 20-mal, dann hinsetzen und nochmals die Hände in Bewegung bringen.

Schließlich wollte die Werstener Music Company bei ihrem Auftritt auch gebührend unterstützt werden. Die Showband mit großem Bläserset aus Düsseldorf ist seit mittlerweile 1964 auf den Brettern, die die Welt bedeuten, beheimatet. Die WMC hat nämlich eine gelungene Rezeptur gefunden um Bläser und Sänger zu vereinen. Mit ihren voluminösen Klangkörpern erreichten sie auch die hinterste Ecke des Zeltes und wirkte auf den Körper ein wenig wie ein Bass, der mit seiner Wirkung auf unser auditives System dafür sorgt, dass unser Gehirn Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin ausschüttet. Übersetzt heißt das: Die Klänge machten glücklich und die Partystimmung heizte fleißig weiter an.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Beste Voraussetzungen für die heimischen Gewächse der großen Süchtelner Tanzgarde, die nicht in Tanzuniform das Zelt stürmten, sondern mit blonden Perücken und passendem ABBA-Outfit. Ihr diesjähriges Showprogramm hat trägt Titel „Mamma Mia, how can I resist Süchteln?“ und dieser Frage kann man sich eigentlich nicht entziehen. „Mamma mia, here I go again, my, my, how can I resist you? Mamma mia, does it show again, my, my, just how much I’ve missed you?“ … bekannte Texte zum Mitsingen tief aus dem Herzen, dem Bauch und aus der Seele heraus.

Widerstehen unmöglich, aber warum auch, denn was diese Mädels auf die Bühne bringen ist atemberaubend. Übrigens hat sich am vergangenen Wochenende auch die Bambini-Garde aus Süchteln erstmals auf der Bühne gezeigt, der Nachwuchs ist damit also gesichert.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Als dann Hendrik, Ansgar, Jens, Dennis, Julien und Luca die Bühne und das feiernde Publikum übernahmen, das kündigte sich bereits langsam aber sicher das Ende des Abends an. Die sechs Musiker formen zusammen die Band CologneUnplugged und ihre Projekt leben sie mit tiefer Leidenschaft.

Seit 2019 sind sie gemeinsam unterwegs, auch wenn ihre Wurzeln bereits ein Jahr zuvor gelegt wurden. Mittlerweile haben sich zu den Coverstücken, mit den sie begonnen haben, eigene Songs hinzugesellt und so punkteten sie nicht nur mit ihrer Ballade „Jetz bes du do“, sondern natürlich auch mit ihrem aktuellen Titel „Tapas un Bajett“.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Als dann noch die „buckelige“ Verwandtschaft einzog, da war der Abend perfekt und komplett. Die Band Bajaasch muss man in jecken Kreisen nicht vorstellen und auch in Viersen sind sie längt immer wieder ein gern gesehener musikalischer Act. Wer vorher nicht schon tanzte, der war jetzt mit dabei, als janz Kölle, Verzeihung, et Roahser op dem Kopp stond.

Nur original in den festlichen Kölner Stadtfarben ruut un wieß kame, äh, „kumme se met allemann vorbei“ und ließen die Zeltwände erbeben. Der Rhythmus begleitete auch noch bis in die Nacht hinein und vielleicht hält er sogar noch bis zum Samstagabend, wenn die KG Roahser Jonges ebenfalls zu einem Jubiläum in das Winterzelt einladen und erneut ein begeisterndes Programm startet. (nb)

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming