Ausgesetzte Schildkröten verdrängen heimische Artgenossen am Niederrhein

Zahlreiche ausgesetzte Schildkröten leben mittlerweile in Teichen und Flüssen in der Region. In ihrem neuen Lebensraum werden sie zu einem Problem für die heimische Tierwelt und verenden häufig qualvoll in harten Wintern. Das Thema ist nicht neu, aber aufgrund der gestiegenen Anzahl ausgesetzter Tiere möchten wir es gerne noch einmal aufgreifen. 
Von RS-Redakteurin Ebru Ataman

Niederrhein – Sie sind längst keine Seltenheit mehr. Ausgesetzte Schildkröten und Exoten, die sich in den heimischen Gewässern ausbreiten. Nicht nur für die heimische Natur werden die Tiere zum Problem, sie stellen auch Behörden und Tierschützer vor eine schwierige Aufgabe, denn die neuen Bewohner verdrängen ihre heimischen Artgenossen und haben Geschmack an kleinen Vögeln oder Fischen gefunden. Schließlich möchte sich eine ausgewachsene Schnappschildkröte von rund einem halben Meter gerne satt in der Sonne aalen und dabei nicht gestört werden.
Beim Kauf sind diese sehr wehrhaften und als aggressiv geltenden Tiere gewohnt süß und klein, mit der Zeit wird die Haltung schwieriger und so kommt es zunehmend häufiger vor, dass die Tierbesitzer ihre „Lieblinge“ im nächsten Weiher aussehen – schließlich leben hier bereits Schildkröten.

Ein schwerwiegendes Problem für die Natur und die Tiere, über die in einem solchen Moment nicht nachgedacht wird. Schmuckschildkröten sind in öffentlichen Parks, Artenschutzgewässern und Weihern keine Seltenheit mehr. Nach Möglichkeit werden sie von den Tierschützern gemeinsam mit den Mitarbeitern der Unteren Naturschutzbehörde eingefangen, doch auch hier sind Grenzen gesetzt – denn wohin dann mit den Tieren, wenn die meisten Tierheime in diesem Bereich schon aus allen Nähten platzen.

Perfektes Wetter für Schildkröten, die im Regenwasserrückhalteteich in Viersen-Hamm ausgesetzt wurden. Foto: Rheinischer Spiegel

Zwar sind in Europa und auch in Deutschland die europäischen, unter Artenschutz stehenden Sumpfschildkröten durchaus beheimatet, aber nicht am Niederrhein anzutreffen. Die Tiere, die hier nun plötzlich durch das Schilf wandern, sind ihren Besitzern zu unbequem, zu aufwändig oder zu teuer geworden. Zu den am häufigsten ausgesetzten Arten zählen die Rotwangen- und Gelbwangen-Schmuckschildkröten, denn ihre Ansprüche werden häufig unterschätzt. Zwar wurden die Importe von Rotwangen-Schmuckschildkröten bereits 1997 aus Artenschutzgründen verboten, doch immer wieder kommt es zu Funden ausgesetzter Tiere. Doch eingewanderte Tiere sind längst nichts Neues mehr, denn per Paket oder als eigenes Mitbringsel fallen Tiere, die hier nicht beheimatet sind, immer wieder durch das Raster. Mit dem Aussetzen denken zudem viele Tierhalter, dem Tier wäre mit ihrem neuen Lebensraum etwas Gutes getan worden.

Weit gefehlt, denn nicht nur dass das Aussetzen der wärmeliebenden Tiere strafbar ist, sie sterben in harten Wintern qualvoll, weil die Teiche nicht tief genug sind und meist zu wenig Schlamm im Bodenbereich aufweisen. Gerade in Artenschutzgewässern tritt ein weiterer Faktor in den Vordergrund, denn die Wasserschildkröten sind mit einem stattlichen Appetit beschenkt worden, der sie dazu bringt alles zu fressen – ob Pflanzen oder Tiere. Jungfische, Kaulquappen oder Libellenlarven stehen auf dem Speiseplan – Tiere, die in den Gewässern eigentlich geschützt werden sollten. Überstehen sie die aktuell zu warmen Winter, vermehren sie sich zudem im nächsten Jahr, wandern sogar über weite Strecken an Land bis zum nächsten nassen Brutplatz und stören so das ökologische Gleichgewicht der Flüsse und Seen am Niederrhein.

Gefährlich werden die Tiere zudem nicht nur für andere Tiere, auch für den Menschen birgt die Größe der wehrhaften Schnappschildkröten eine Gefahr, die mittlerweile auch in Badegewässern ausgesetzt worden sind. Ihr Gebiss ist kräftig und der menschliche Eindringling wird zum Angreifer. Einmal zugeschnappt kann die Schildkröte sogar Zehen oder Finger durchbeißen. Umso wichtiger ist es, ein gefundenes Tier beim Ordnungsamt oder der Unteren Naturschutzbehörde zu melden, denn so kann das Tier nicht nur vor dem Erfrierungstod bewahrt werden, auch Mensch und Natur werden durch die Meldung geschützt. Schließlich ist nicht nur zu kalt für die Tiere verheerend, auch zu warm birgt eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Steigt die Temperatur in unseren Breitengraden weiter an, wird die Population der Schildkröten explodieren und dann werden die tierischen Einwanderer zu einer Tiervernichtungsmaschine heimischer Arten, der kaum noch Herr zu werden sein wird. (ea)