Helmut II. und Anne I. regieren in der Vierscher Jubiläumssession

6 x 11 Jahre Festausschuss Viersener Karneval, was für ein grandioses Jubiläum. Und so wird in dieser Session erschallen: „Viersche fiert wie et is un woar, alle jeck em Jubeljoar“. In der vollbesetzten Festhalle proklamierten die Viersener Karnevalisten ihr neues Prinzenpaar, welches den närrischen Virus tief im Herzen trägt und mit Frohsinn die Jecken mitriss.
Von RS-Redakteurin Claudia-Isabell Schmitz, Daniela Häming und Fotograf Martin Häming

Viersche – Keine andere Veranstaltung war an diesem Abend so sehr ein Muss für das jecke Volk wie ein Besuch in der Viersener Festhalle, schließlich wollten alle dabei sein, wenn die neuen jecken Regenten den Narrenthron besteigen. Gewohnt hieß es allerdings noch gespannt auf das Prinzenpaar warten, denn die Eröffnung gebührte dem Festausschuss Viersen mit seinen Vereinen, die mit geballter Kraft einzogen. Schließlich gilt es mit 6 x 11 Jahren zudem ein besonderes Jubiläum zu feiern.

Ein beeindruckendes Bild formte sich auf der Bühne der ehrwürdigen Festhalle hinter dem Senatspräsidenten des Festausschusses Viersener Karneval, Frank Schiffers. Gekonnt teilweise im Reim hallten seine Begrüßungsworte durch die über 150 Jahre alte Halle, bevor dann die Kapelle Combo Favorit unter der Leitung des Kapellmeisters Armin Jakobi die Musikinstrumente anstimmte. Schließlich stand der Höhepunkt des Abends bereits kurz bevor.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Dann endlich der Moment, für den sich alle in Uniform und Abendkleid geschmissen hatten, denn es gibt nichts Schöneres als Prinz der Narrenherrlichkeit, oberster Narr aller Narren, Freund aller Freunde des Frohsinns in Verbundenheit mit der geliebten Vaterstadt und allen Sektionen zu sein. Die Klänge der Band summten noch leise in den Ohren, als das Trömmelche erschallte und sich das Viersener Tambour Corps 1925 e.V., die Exprinzen sowie die Prinzengarde der Narrenherrlichkeit den Weg durch den Saal und eine Schneise durch die Jecken bahnten.

Etwas über zehn Minuten genossen Helmut II. und seine Lieblichkeit Anne I. ihr Bad in der Menge. Rosen wirbelten durch die Luft. Schritt für Schritt ging es auf die Bühne zu, auf der roter Samt und zwei königliche Sitzplätze die neuen Tollitäten erwarteten. Federn, der Schlüssel der Stadt und ein Zepter mit Fässchen und Jägermeister-Geweih machten das Outfit für „Das wirbelnde Fässchen“ komplett – wie der neue Prinz nun heißen wird.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

In diesem Jahr wird allerdings nicht getanzt (obwohl der neue Prinz dafür eindeutig die Beine hätte, wie die weißen Strumpfhosen des närrischen Regenten deutlich zeigen), dafür gibt es natürlich ein Lied, welches direkt zum Schunkeln einlud. Es sollte zudem nicht die einzige Ehre an diesem Abend bleiben, denn den großen Verdienstorden am Schulterband des Festausschusses Viersener Karneval konnten stolz Elmar Orta (Zugleiter und ehemaliger Senator der Finanzen beim Festausschuss) und Walter Schmitz entgegennehmen. Zum Ehrenmitglied und Ehrenliterat wurde Wilfried Schulz ernannt.

Und dann zur Seite treten, um dem weiteren Programm Platz auf der Bühne zu machen, nein, das ging noch nicht, denn auch für Frank Schiffers, den Senatspräsidenten des Festausschusses Viersener Karneval gab es an diesem Abend eine Überraschung. Schließlich hatte der Rat der Stadt Viersen beschlossen ihn mit der Stadtplakette in Bronze für sein Engagement im Jubiläumsjahr des Viersener Festausschusses auszuzeichnen.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Wie wunderbar also, dass die Prinzengarde ihren begeisternden Sessionstanz und die Premiere des neuen Tanzmariechens Anna-Lena zu Ehren so vieler Ordensträger präsentieren konnte. „Vorhang auf und Bühne frei für Zauberspiel und Gaukelei. Vorhang auf und Bühne frei! Jetzt gehts los! Wir sind nicht mehr aufzuhalten! Jetzt gehts los! Hier spielt die Musik! Jetzt gehts los! Wir sind nicht mehr abzuschalten! Jetzt gehts los! Hier spielt die Musik!“ Die Halle klatschte mit, Stühle wurden zu Nebendarstellern.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming
Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Wer allerdings genau steht denn da an der Spitze der Viersener Jecken in dieser Session? Auch, wenn die beiden den meisten nicht vorgestellt werden müssen, hier ein kleiner Einblick in das Leben der neuen Tollitäten. Das jecke Volk regiert Anna-Maria Erckens, die als Anne I. auf dem Orden verewigt wird, denn irgendwie hat sich Anne mit der Zeit verbreitet und so ist die Helenabrunnerin auch bekannt. Geboren 1961, ist sie ein echtes Vierscher Kind, welches nach der Volksschule an der Körnerstraße und der Gemeinschaftshauptschule Mitte ihre Ausbildung als Kaufmännische Angestellte bei Pronova im Vertrieb für Farbe, Tapete und Lacke absolvierte. Nach einer Babypause und einem beruflichen Zwischenstopp sind Tapeten längst Vergangenheit, denn Anne Erckens ist seit 2010 die gute Seele im Hotel Stadt Lobberich, wo sie sich engagiert so ziemlich um alles kümmert. Neben ihrer Arbeit hat sie ihre Leidenschaft fürs Fahrradfahren und Skilaufen entdeckt … und natürlich für die 5. Jahreszeit, an die sie durch ihren verstorbenen Mann Wilfried kam, der in der Zugleitung des FAVK aktiv war.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

An ihrer Seite steht ebenfalls kein Unbekannter mit Helmut II. Spätestens bei seinem Nachnamen … Schatten … ist bei jedem in Viersen und über die Stadtgrenze hinaus der Groschen gefallen. Der Prinz kommt passenderweise daher, wo Anne I. aktuell arbeitet, nämlich aus Lobberich. Geboren ebenfalls 1961 konnte er sich bei seiner Ausbildung zunächst gar nicht entscheiden. Also versuchte er sich als Maurer, Zimmermann und als Schreiner – und alle drei Ausbildungen schloss er ab.

1995 machte sich Helmut Schatten mit dem Bittchen zunächst am Remigiusplatz und später gegenüber mit dem Schattodrom selbstständig. 2010 kam das Hotel Stadt Lobberich mit seinen 14 Hotelzimmern hinzu. Helmut II. ist eben Wirt mit Leib und Seele – sucht sich aber daneben immer noch etwas Zeit für sein Hobby im Verein der Billard-Freunde Lobberich. Dass er auf der Bühne auch im Brauchtum eine hervorragende Figur macht, das muss eigentlich nicht erwähnt werden, denn jeder Jeck hat ihn schon einmal gesehen. Immerhin ist er nämlich Mitglied in 26 Karnevalsvereinen und hält damit wahrscheinlich in der Stadt Viersen den Rekord. Bereits in der Session 84/85 war er dem närrischen Spiel als Prinz bei der Ki Ka Kai a Boisheim verfallen, steht seit 2007 auf der Bühne der KG Helenabrunn als Sitzungspräsident und ist auch beim Möhrenschälen des Festausschusses Süchtelner Karneval nicht mehr wegzudenken.


Für die Unterstützung des Tulpensonntagszuges hat der Festausschuss Viersener Karneval einen Sonderorden aufgelegt. Von diesem gibt es allerdings nur 78 Stück (nummeriert von 0 – 77). Er kann zum Preis von 75 Euro beim Festausschuss Viersener Karneval erworben werden. Die bisherigen Träger des Ordens haben ein Vorkaufsrecht.


Der Jubel der närrischen Gäste mündete in den Auftritt des Heddemer Dreigestirns – eigentlich … Bekannt ist ihre Show als Mischung aus Augsburger Puppenkiste und bissig-kurioser Karaoke-Darstellung. Warum? Die ursprünglich drei Künstler aus Frankfurt kürzen sich auf der Bühne selbst mal kurz ab und auch direkt ihre Anzahl, denn in Viersen standen sie an diesem Abend nur zu zweit auf dem Podium. Das liegt daran, dass aus dem Dreigestirn nun ein Duo wurde. „Heddemer twiXX – sonst ändert sich niXX“, wie sie selbst lachend unterstrichen

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Hinter der rechteckigen Kiste war genug Platz für den Kostümwechsel zu verschiedenen Karnevals- und Schlagerstars. Vor der Kiste wirkten sie dagegen als Zwerge in kurzen Beinen, mal in Jeans, mal in Netzstrumpfhosen gekleidet. 2006 entstand die Idee, die längst im rheinischen Karneval eine bekannte Größe ist und so performten die Jungs auch schon mit den Bläck Fööss, Brings, den Höhnern und Bernd Stelter auf der Bühne.

„Zu jeder neuen Saison arbeiten wir ein neues Bühnenprogramm und Showkonzept aus, denn ‚Wer sich nicht versucht zu verbessern, der ist bereits gescheitert!‘“, so das Heddemer twiXX, welches auch in dieser Session wieder mit neuen Stücken begeistern.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Klamauk gab es auch beim nächsten Programmpunkt, denn Christian Pape bewies erneut, dass er die Heimat im Herzen und auf der Zunge hat. Ob nun im Karneval oder im Zirkus, Pape weiß als Redner auch große Hallen zu erreichen. Die scheinbaren Banalitäten des Alltags griff er bekannt mit lausbübischem Charme auf. Aber da fehlte doch noch jemand? Nein, natürlich nicht, denn gewohnt wurde Pape begleitet von Dr. Stefan Bimmermann, dem „Mann im Pullunder“. Beide bekannte Gesichter auf den jecken Bühnen rund um Viersche und natürlich gab es als Lohn für die Künstler den größten Dank mit Freudentränen in den Augen der Karnevalisten.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming
Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Natürlich darf an einem solchen Abend aber auch ein traditionelles Tanzcorps nicht fehlen. Passend in den roten Farben des Festausschusses eroberte nach der Anstrengung der Lachmuskeln das Tanzcorps Agrippina Colonia e.V., das Ehrentanzcorps der KG Kölsche Figaros e.V. von 1950, die Szenerie in Viersens guter Stube. Seit sieben Jahren sind sie im Karneval dabei und wer glaubte jetzt könnte eine kleine Pause am Tisch eingelegt werden, der hatte sich wahrlich geirrt. Von den Lachmuskeln ging es nämlich zu Klatschsalven als Anerkennung der akrobatischen Hebefiguren, die so mühelos und fast schwebend wirkten. Als dann die Handflächen leicht vom Beifall brannten und sich gerade die Stimme etwas erholt hatte musste diese für die nächsten Lacher und Gluckser bei der bekannten Comedy-Dame Lieselotte Lotterlappen wieder ran.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Stürmische Begrüßung empfing sie (bzw. ihn), denn die Bühne eroberte Lieselotte Lotterlappen, alias Joachim Jung, aus Limburg an der Lahn. Bekannt für den schnellen Zungenschlag eines Leguans und für ihre unverwechselbare Spontanität, wurde Lotterlappen mehrfach zum Künstler des Jahres vom deutschen Künstlermagazin ausgezeichnet. Auch am Freitagabend war die Dame mit Trompete und Hochfrisur schlagfertig wie eh und je, und trampelte dabei, vom grölenden Publikum begleitet, ein wenig wie der sprichwörtliche Elefant durch den Porzellanladen.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Sie war die letzte komödiantische Rednerin, bevor dann Fauth Dance Company langsam aber sicher bereits das Ende des Abends mit ihren mitreißenden Tänzen einläutete und die Karnevalisten zum Jubel auf den Stühlen standen. Gefühlt viel zu früh, obwohl die Uhr bereits den fortgeschrittenen Abend anzeigte. Die Tänzerinnen aus Viersche bereiteten den Countdown gemeinsam mit den Fauth Gentleman für die letzte närrische Rakete mit der Band „Die JunX“ aus Hamburg.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

In Viersen ist der Name auf den Bühnen bisher eher unbekannt, aber Zuschauer der Sendungen „Immer wieder sonntags“ und „ZDF-Fernsehgarten“ werden nun zustimmend nicken, denn Christopher Garbers und Gunnar Schmidt sind dort gern gesehene Gäste. 2017 gelang ihnen mit dem Debütalbum „BÄM!“ der Sprung über die norddeutsche Tiefebene und mittlerweile können sie über 100 Auftritte im Jahr verzeichnen. Dass das Schlager- und Deutschpop-Act auch im Karneval eine gute Figur macht, damit überzeugten sie in der Festhalle, wo die Proklamation schunkelnd, vereint durch das jecke Virus und die Liebe zur 5. Jahreszeit langsam ihr erfolgreiches Ende fand. (cs)