Die Unternehmen in Tönisvorst geben dem Standort die Note 3. Sie sind vor allem mit den innerörtlichen Standortfaktoren, wie beispielsweise dem Stadtbild und der Sicherheit in den Ortszentren, zufrieden. Die kommunalen Kosten und Leistungen werden dagegen sehr kritisch bewertet. Das sind wesentliche Erkenntnisse aus der Standortanalyse Tönisvorst, deren Ergebnisse die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein Unternehmerinnen und Unternehmern im Haus Vorst vorgestellt hat.
Tönisvorst – „Tönisvorst hat den höchsten Gewerbesteuerhebesatz aller kreisangehörigen Städte und Gemeinden in unserem IHK-Bezirk. Hohe Kosten führen zu entsprechend großen Erwartungen an die Leistungen der Kommune – leider werden diese nicht erfüllt“, resümiert IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz.
Mit Blick auf die Daten aus der amtlichen Statistik, die für die Standortanalyse ausgewertet wurden, erklärte Dr. Anna Kindsmüller, Referentin für Wirtschaftspolitik bei der IHK: „Der Standort hat sich in den vergangenen 20 Jahren sehr gut entwickelt. Die Beschäftigung ist seit 1999 um 35 Prozent und damit stärker gewachsen als im Kreis und im Land.“
Beim Vergleich mit Kommunen ähnlicher Größe sowie dem Kreis und dem Land fällt auf: Tönisvorst hat eine niedrige Arbeitslosenquote und eine hohe Kaufkraft. Allerdings ist die Gewerbesteueraufbringungskraft gering. „Tönisvorst gelingt es nicht, steuerstarkes Gewerbe an den Standort zu ziehen“, erklärte Kindsmüller. Die IHK empfiehlt daher die weitere Ausweisung von Gewerbeflächen. „Um die Flächennachfrage der Wirtschaft bedienen zu können, sollte die Kommune für die Reserveflächen des Flächennutzungsplans sowie die Potenzialflächen des Regionalplans Düsseldorf zeitnah verbindliches Baurecht schaffen, umsetzen und entsprechende Flächen erwerben“, ergänzt Steinmetz.
Etwas kritischer als die Analyse der amtlichen Statistik fallen die Ergebnisse einer Unternehmensbefragung aus, an der knapp 100 Tönisvorster Betriebe teilgenommen haben. Sie konnten dem Standort insgesamt sowie 50 Standortfaktoren eine Schulnote zwischen 1 und 6 geben. „Die Gesamtnote von 3,0 ist schwächer als der Durchschnitt in den Städten, die wir in den vergangenen zwei Jahren untersucht haben“, erläuterte Steinmetz. Im Schnitt wurde am Mittleren Niederrhein die Bewertung 2,45 vergeben. „Die Kommune sollte dies als Ansporn verstehen, die Standortqualität zu verbessern.“
Die Notwendigkeit wird auch bei der Bewertung der bedeutenden harten Standortfaktoren, zu denen die Lage und Infrastruktur zählen, deutlich. „Alle Standortfaktoren dieses Bereichs werden in Tönisvorst schlechter bewertet als am Mittleren Niederrhein im Schnitt“, so Steinmetz. Ein Beispiel: Die Verkehrsanbindung wird mit 2,4 zufriedenstellend, aber eben weniger gut als am Mittleren Niederrhein insgesamt bewertet. Der wichtigste Standortfaktor für die Unternehmen ist die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur. Mit 3,3 wird sie zwar nicht besonders gut, aber insgesamt zumindest im Durchschnitt der Region bewertet. „Positiv muss erwähnt werden, dass sich die Bewertung seit 2017 verbessert hat“, so Steinmetz.
Gleichzeitig zeigt die Umfrage aber auch, dass die Unternehmen Defizite in der Tönisvorster Verwaltung sehen. „Auch hier werden alle Standortfaktoren schlechter bewertet als am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt“, so Steinmetz. Der IHK-Hauptgeschäftsführer sieht Handlungsbedarf beim hohen Gewerbesteuerhebesatz, aber auch bei den kommunalen Leistungen. „Kritisch werden insbesondere die behördlichen Reaktionszeiten und die Bestandspflege beurteilt“, so Steinmetz. Deutlich schlechter als vor fünf Jahren wurde die Erreichbarkeit der Verwaltung bewertet. Allein mit den coronabedingten Einschränkungen ist dies aus Sicht der IHK nicht zu erklären. „Wir empfehlen ein Zertifizierungsverfahren zur Mittelstandsorientierten Kommunalverwaltung.“ Im Rahmen dieses Verfahrens würden Probleme offengelegt und Verbesserungen für die Unternehmen initiiert.
Positiver bewerten die Betriebe dagegen die Innenstadtfaktoren. „Die Innenstädte und Ortskerne sind die Visitenkarte von Wirtschaftsstandorten“, so Steinmetz. So werden das Stadtbild, die Sicherheit in der Innenstadt, das Thema Parkgebühren und auch der Branchenmix gut bis zufriedenstellend bewertet. Nur durchschnittlich werden das Parkplatzangebot und die innerstädtischen Verkehrsverhältnisse beurteilt.
Im Anschluss an die Präsentation bedankte sich Bürgermeister Uwe Leuchtenberg für die Analyse: „Wir haben die Aufgabe, unsere Stadt weiterzuentwickeln. Dafür muss man die Stärken und Schwächen kennen.“ Leuchtenberg kündigte an, die Ergebnisse der Standortanalyse nun in den zuständigen politischen Gremien zu diskutieren. Während die Verwaltung bei Gewerbeflächen und Wohnraum intensiv dabei sei, Lösungen zu entwickeln, habe die Stadt in den vergangenen Jahren beim Breitbandausbau viel erreicht – alle Gewerbegebiete seien in hochwertiger Glasfasertechnik ausgebaut worden, und in den Außenbereichen habe man mit großem Ressourcenaufwand die weißen Flecken beseitigt. Aktuell mache man sich nun auf den Weg, die grauen Flecken ebenfalls in Angriff zu nehmen. Der Bürgermeister räumte Verbesserungspotenzial bei den behördlichen Reaktionszeiten ein, verwies aber auch auf eine verbesserte Bewertung der Bestandspflege der Wirtschaftsförderung.
Die Verbesserung der kommunalen Leistungen sei vor allem durch Kooperationen von Städten bei der Entwicklung digitaler Angebote zu erreichen. Dass die Gewerbesteuer gesenkt wird, kann sich Leuchtenberg nicht vorstellen: „Es gibt einen Investitionsstau, etwa im Bereich Schulen. Ein Gemeinwesen muss auch finanziert werden.“ (opm/ihk)