In Süchteln bestieg ein hell strahlendes Prinzenpaar den Narrenthron

Im ausverkauften Süchtelner Josefshaus wurde am Freitagabend, begleitet von jeckem Beifall, „Princess von Keramik“ in den Stand einer närrischen Prinzessin erhoben. Moment, so heißt das Prinzenpaar in schwarz-gelb doch gar nicht …
Von RS-Redakteurin Claudia-Isabell Schmitz und Fotograf Martin Häming

Soetele – Bereits seit Dienstag wuselte es im Süchtelner Josefshaus. Schließlich galt es einiges vorzubereiten für einen ganz besonderen Abend, an dem auch die Süchtelner Narrenwelt ihr Prinzenpaar hochleben lassen konnte. Ballons reihten sich dabei ebenso aneinander wie Tische, Stühle und übrigens auch Gäste, darunter beispielsweise das Prinzenpaar der KG „Bunte Kuh“ Walporzheim, die gespannt den Startschuss der diesjährigen Proklamation warteten. Das Prinzenpaar in Lauerstellung hatte noch am Vorabend die Blumen fleißig einfoliert, die am nächsten Tag beim Einzug Freude bereiten. Gefeiert wird mit dem diesjährigen Motto des Festausschusses Süchtelner Karneval „Soetele feiert kunterbunt, das Prinzenspiel macht die Sache rund“ und genau so sollte es auch sein, als „Princess von Keramik“ die Bühne betrat. Nein, falsch … gewartet wurde auf Bastian I. und Bianca I. Nur, wer ist denn dann diese Princess? Abwarten und noch eine Hopfenkaltschorle trinken!

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Durch das Programm des Abends führten als Sitzungspräsidenten Detlef Belk und der erste Vorsitzende des Festausschusses Süchtelner Karneval 1960 e.V., Nicolai Rattay, die sich glücklich zeigten nach lediglich einer Entthronisierung im vergangenen Jahr nun wieder alle „offenen, königlichen Stellen“ besetzt zu haben. Wie wunderbar, dass in dieser Session wieder alle Stadtteile von Prinzenpaaren groß und klein regiert werden. Das Rampenlicht gebührte aber natürlich nicht nur den Sitzungspräsidenten, die sich gekonnt den Ball … äh, die Moderation hin und her warfen, denn an ihre Stelle schoben sich Herzensbrecher mit der kleinen Süchtelner Garde. Vom Fleck weg verliebt in den Nachwuchs gebührte ihnen der erste begeisterte Applaus, der sie auch beim Auszug noch begleitete.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Schließlich wäre die Bühne sonst zu klein gewesen für die Hauptdarsteller, die traditionell von Garde, Vorstand und Exprinzen sowie in diesem Jahr vom Tambour- und Fanfarenkorps „Einigkeit“ Bracht 1925 e.V. begleitet wurden. Ein strahlend leuchtendes Prinzenpaar steht in dieser 5. Jahreszeit auf den Bühnen der Region und die Jecken empfingen mit offenen Armen ihre neuen Tollitäten. Dass Prinz Bastian I. (Wefers) und Prinzessin Bianca I. (Büßen) so sehr strahlen, dass liegt sicherlich auch daran, dass sich die beiden direkt aus mehreren Gründen im Glücksrausch befinden. Das 54. Prinzenpaar des Festausschusses Süchtelner Karneval hat nämlich nicht nur fleißig ihre jecke Regentschaft, sondern auch direkt ihre Hochzeit im April 2024 geplant. Wer die Hosen an hat, das wurde dann direkt im Vorfeld in Süchteln geklärt, denn die Prinzessin schwang charmant das Mikrofon.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

„Wenn nicht jetzt, wann dann“, hatten sich die 35-Jährige und ihr 42-jähriger Verlobter gedacht, als die Süchtelner Prinzengarde in der vergangenen Session mit einem großen Banner für ein Prinzenpaar warb. Wie das ist auf den närrischen Bühnen zu stehen, das weiß Bianca I. passenderweise genau, denn bereit 1996 zog sie als Kinderprinzessin in Vinkrath in die Säle ein. Ihr Prinz selbst wurde dann beim Biwak der Burggarde Brüggen mit dem jecken Virus infiziert – ein perfektes Paar für eine unvergessliche Session. Einen Haken gab es dabei allerdings, denn Bianca wollte dort Prinzessin werden, wo auch ihre Tochter Lina tanzt. Als dann diese im Herbst 2022 die Vereinsfarben zur großen Garde der Süchtelner Mariechen wechselte, wurde der Traum perfekt. Auf einem Städtetrip im Kölner Früh fiel dann die Entscheidung, die am Freitagabend Wirklichkeit wurde.

Noch ein paar Infos gefällig? Die Prinzessin hat zwei Kinder, ist Kundenberaterin bei der Targo Bank und fährt nebenberuflich, unter anderem für das HPZ Grefrath-Vinkrath, Taxi. Der designierte Prinz hat ebenfalls zwei Kinder, ist pensioniert und fährt übrigens auch Taxi. Kennengelernt haben die beiden sich 2020. Es hat ein wenig gedauert auf einem holprigen Weg, aber heute leben die beiden gemeinsam mit ihrer Patchwork-Familie in Mülhausen. Das erste Mal gesehen haben die beiden sich aber tatsächlich bei einem Friseur in Süchteln. Da die beiden aber nun nicht aus Süchteln sind, hatte Ortsbürgermeister Wolfgang Genenger zur Proklamation eine zeitweise Einbürgerung möglich gemacht, die Urkunde dazu gab es ganz offiziell auf der Bühne. Ab sofort darf sich das Prinzenpaar also Süchtelner nennen und die anderen Ortsteile zollfrei besuchen.

Mit ihren Ministern, die Eltern der Prinzessin, Angela und Johannes Büßen, sowie deren Vertretern Bianca und Guido Klingen, den Begleitmariechen Lina und Mathilda sowie ihrer Prinzenführerin (und ganz aktuell auch ihrer Trauzeugin) Daniela Erkes und „Princess von Keramik“ hoffen sie viele schöne Abende und unvergessliche Momente zu erleben. Die ersten Tränen der Freude flossen auf jeden Fall schon beim Antritt der königlichen Ehre. Ach und Moment, da war sie wieder, diese Princess!

Dann ist es jetzt auch Zeit diese Frage aufzulösen, denn „Princess von Keramik“ ist ein adeliges Sparschwein und in den kommenden Monaten ein kleiner Nimmersatt. Das kleine Schweinchen leidet aber traurigerweise an einer Kleingeld-Intoleranz und isst deshalb am liebsten Geldscheine. Diese sammelt es für nur eine Mission und für diese begleitet es das Prinzenpaar auf Schritt und Tritt. „Wenn ihr mich kräftig mästet, dann kann ich Gutes tun und dem Heilpädagogischen Zentrum in Grefrath und der Franziskus Förderschule Süchteln-Vorst eine fette Scheibe von mir abgeben“, unterstrich das kleine Schweinchen. Denn „Feiern und Freude verbreiten in den aktuellen Krisenzeiten ist unser Ziel, aber dabei dürfen wir nicht vor der eigenen Haustür die (gerade jungen) Menschen vergessen, denen es nicht so gut geht und die sich über eine kleine Unterstützung freuen“, ergänzte hierzu das neue Prinzenpaar.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

„Gemeinsam für Mütter in Not“ – so heißt das Spendenziel des diesjährigen WDR 2 Weihnachtswunders, für die zudem auf der Süchtelner Proklamation gesammelt wurde. Stolze 851,10 Euro spendeten die jecken Gäste, der Betrag wird im Dezember vom Prinzenpaar und dem Festausschuss Süchtelner Karneval übergeben. Die Spendengelder des WDR 2 Weihnachtswunders fließen in verschiedene Projekte verteilt in der ganzen Welt. Darunter Projekte des Bündnisses von Aktion Deutschland Hilft auf dem afrikanischen Kontinent und in Ostafrika.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

„Liebe Närrinnen und Narren, endlich ist sie da, die 5. Jahreszeit. Wir sind stolz und dankbar Euer Prinzenpaar zu sein und möchten mit Herz und guter Laune regieren und folgende 11 Punkte proklamieren:

1.) Mülhausen – Süchteln mit dem Rad wird zum reinen Abenteuer. Der Niederrhein soll fahrradfreundlich sein, aber nicht im Stadtgebiet Viersen, hier bieten die Radwege eine Belastung für Mensch und Material. Liebe Stadtverwaltung – da muss endlich was passieren.

2.) Die Brauchtumspflege wird immer schwieriger. Die Auflagen sind kaum noch zu erfüllen und die Veranstaltungssäle werden geschlossen, statt saniert zu werden. Eine Mehrzweckhalle zwischen Süchteln und Viersen muss her, die allen Brauchtumsvereinen, aber auch Kleinkunst und Musik ein Zuhause gibt.

3.) Statt Rossmann oder DM zogen die Fledermäuse auf der Hochstraße ein. Wann ziehen diese wieder aus und wird aus dem Lost Places ein lang ersehnter Drogeriemarkt?

4.) Der alte Tierpark muss für ein modernes Stadtbild weichen. Statt dafür Geld zu verpulvern, sollte man dies lieber in die vorhandenen Kinderspielplätze investieren, damit es Kindern wieder Spaß macht, draußen zu spielen.

5.) Amazon und Lieferando sind bequem, aber auch der Tod für die Innenstädte. Süchteln hat schöne Geschäfte und gute Gastronomie, man sollte zurück zum Heimatshoppen kommen, damit diese auch noch länger bleiben.

6.) Villa Ling: Kein Nachfolger, Höhen Hotel: Kein Nachfolger, Geschenke Cremers: Kein Nachfolger, Bäckerei Schmitz: Kein Nachfolger, Café Franken vom inhabergeführten Qualitätsbäcker zum Franchise-Bäcker. Tradition und Klasse stirbt leider aus. Da muss doch ne Lösung her.

7.) Süchteln ist die Heimat der Hl. Irmgardis. Die Irmgardiskapelle bekam ein Facelift, aber was ist mit den Heiligenhäuschen? Diese verwittern und bräuchten auch dringend eine Schönheitspflege.

8.) In den Postleitzahlen getrennt, aber im Karneval vereint. Wir sind das beste Beispiel dafür, dass man zusammen feiern kann, auch wenn man nicht aus der gleichen Stadt oder dem gleichen Verein kommt. Rückt zusammen und habt gemeinsam Spaß.

9.) Feiern wollen wir alle, dafür arbeiten im Hintergrund viele ehrenamtlich um von Deko bis Musik alles zu organisieren. Leider finden sich immer weniger Leute, die ihre Freizeit fürs Vereinsleben opfern. Damit das Vereinsleben nicht ausstirbt, braucht es dringend Nachwuchs in allen Bereichen, vom Vorstand bis zum Saalbau. Lasst den Verein für die Zukunft und für den Erhalt des Brauchtums nicht im Stich und helft mit – der Verein braucht euch.

10.) „Einmol Prinz zo sin“ … wir haben uns den Traum erfüllt. Gebt euch einen Ruck, wenn ihr auch davon träumt und werdet Prinzenpaar in Süchteln, bevor der Karneval, so wie wir ihn kennen, ausstirbt.

11.) Ein Prinz zum Mitreisen wurde gesucht … jetzt ist er da und den Worten müssen Taten folgen. Lasst uns alle eine großartige Reise erleben. Los geht’s! Die 5. Jahreszeit und damit unsere närrische Reise beginnt. Wir sind stolz und dankbar, Euer Prinzenpaar zu sein und wir freuen uns auf eine unvergessliche Reise gemeinsam mit dem Kinderprinzenpaar Hanna I. und Leon I. sowie der Weinkönigin Kristina I.“


Den Tollitäten zur Ehre hatte eine der besten Garden der Region, die große Süchtelner Tanzgarde, ein mitreißendes neues Programm einstudiert. Sie brillierten mit dem traditionellen Gardetanz, dessen Grundlage eine begeisternde Choreografie war und einem späteren Showprogramm zu großartigen ABBA-Klängen sowie dem Motto „Mamma Mia, how can I resist Süchteln?“ – also wir können es nicht.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming
Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Und wo wir gerade von heimischen Gewächsen berichten, darf dabei auch Solomariechen Sina und die Prinzengarde Süchteln nicht vergessen werden. Akrobatische Bewegungen dominierten den fantastischen Auftritt, Anerkennung und ein wenig Neid, denn so hoch sind die eigenen Beine nicht mehr zu bewegen.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Dass ein solches Programm aber nicht nur aus den eigenen Reihen kommen kann, das ist klar und so sorgte die kölsche Mundart-Band KWIEN – de Stäänefleejer vum Rhing für beste Stimmung. Von „Kumm danz met mir“ bis hin zu „M’r levve he …“ hatten sie Party- und Schunkelfeeling für die närrischen Feierbiester aus Erftstadt mitgebracht.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Bester Boden auch für Komiker und Musiker Heinz Gröning, der zu später Stunde die Karnevalisten für sich gewinnen wollte. Ja, wie gut, dass alle da waren – sie hätten sonst etwas verpasst. Dass Gröning auf den jecken Bühnen steht, das hat die närrische Welt übrigens Bernd Stelter zu verdanken. Den traf Heinz Gröning nämlich 2011 bei einem Galaauftritt in Ledgen/Münsterland und er animierte ihn doch auch einmal sein Glück im Karneval zu versuchen. Stelter bewies dabei ein geschultes Auge und Gehör, denn der singende Redner, der 2019 mit seiner neuen Figur, dem Krätzchensänger „Der dröge Pit“, seinen Durchbruch feierte, wusste genau wie er sein Publikum erreicht. Beim drögen Pit zu Hause hat der Mann die Hosen an und seine Frau entscheidet welche und wann. Und auf ihre Frage ob sie zu wenig Busen habe sagt er: „Neee, zwei sind ok.“

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Em Rampeleech stand zudem die Band ALUIS, die gerade mal vor drei Jahren von jungen Musikern gegründet wurde. Da waren die Bandmitglieder alle um die 20 Jahre alt und als Roadies der Räuber, Kuhl un de Gäng, Lupo und Chanterella unterwegs. Mit eigenen Songs sind sie mittlerweile einer der aufgehenden Sterne am Kölner Musikhimmel. Ihr Stil: Jung, rockig und mit einem Touch erfrischender Leichtigkeit, eben moderner Kölschrock. In diesem Jahr haben Mathieu Weiden (Gesang, Gitarre), Peter Parnow (Bass, Gesang), Jan Büchel (Keyboard, Gesang) und Chris Frank (Schlagzeug) ihre aktuelle Single „Realität“ veröffentlicht, ein leicht punkiger Rocksong, der den Perfektionismus-Wahn in der Gesellschaft und den sozialen Medien anspricht.

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming

Den letzten Programmpunkt, nein, den musste nun niemand vorstellen. Die Boore mit ihrer kölschen Bauernhof-Musik begeistern seit 1998 mit ihren Lederhosen und als 2003 ihre Erfolgsgeschichte mit „Rut sin de Ruse” begann, haben sie nicht aufgehört die Treppe zum närrischen Olymp zu besteigen. Sie krönten den bereits königlichen Abend, der mit der soetelschen Hymne einen grandiosen Abschluss fand. Darauf ruft auch die Redaktion des Rheinischen Spiegels aus: Dreemol Soetelsche Muure-Soat. (cs)

Foto: Rheinischer Spiegel/Martin Häming
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Ein Kommentar

  1. Liebe Redaktion, das muss man euch lassen. Dieser Bericht ist mal wieder fantastisch. Es gar ein super Abend und ihr habt ihn perfekt eingefangen.

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