Kevelaer: Jahrhundertealte Tradition der Pilgerreisen

Rund eine Million Pilger zieht es in jedem Jahr nach Kevelaer. Die Stadt am unteren Niederrhein gilt als eine der bedeutendsten und größten Wallfahrtsorte in Europa. Wer den Weg zu Fuß, mit dem Fahrrad, Auto oder Bus auf sich nimmt, taucht ein in uralte Traditionen der Wallfahrenden.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker

Niederrhein – Die Gnadenkapelle, die Basilika St. Marien oder die Kerzenkapelle – Kevelaer ist nicht nur für Wallfahrer ein besonderer Ausflugstipp. Ob als Pilger oder Reisender ohne christlichen Hintergrund, in einem der bedeutendsten Wallfahrtsorte in Europa ist die jahrhundertealte Tradition der Pilgerreisen spürbar. Hier betete schon Hendrik Busmann, der Stifter der Kevelaer-Wallfahrt, an einem Holzkreuz, welches heute allerdings nicht mehr aufgestellt ist.
Die Besucher nahmen im Laufe der Zeit kleine Splitter mit und nachdem das Kreuz immer mehr in der Welt verteilt wurde, wurde das Kreuz entfernt und an seinem Ort die sechseckige Gnadenkapelle gebaut. 1654 wurde sie als Schutz um das Heiligenhäuschen gebaut, dem Ort, an dem sich für einen einfachen Mann der Himmel geöffnet hatte, der im Dreißigjährigen Krieg hier an einem Wegekreuz betete.

Gnadenkapelle Kevelaer – Foto: Rheinischer Spiegel

Geprägt von tiefem Glauben fand die Wallfahrt in Kevelaer ihren Beginn zur Weihnachtszeit im Jahre 1641. Der holländische Krämer Henrik Busmann kniete an einem Wegekreuz und betete, als die Gottesmutter Maria ihre Stimme erhob und ihm befahl an genau dieser Stelle eine Kapelle zu bauen. Doch Busmann folgte zunächst der Aufforderung nicht und reiste weiter zwischen Weeze und Geldern. Zwei weitere Male ertönte die Stimme der Gottesmutter und obwohl der Krämer nicht wohlhabend war folgte er der göttlichen Stimme. An Pfingsten erfuhr ebenfalls seiner Frau eine Erscheinung, in der sie das Heiligenhäuschen sah und ein Bild der Gottesmutter.

Dieses Bild, welches ihr zuvor zwei Soldaten zum Kauf angeboten hatten, ist heute als das Gnadenbild der „Trösterin der Betrübten“ bekannt. Am 1. Juni 1642 wurde es in die kleine Kapelle eingesetzt und es sprach sich schnell herum, dass es sich um ein besonderes Bild handeln müsse. Bereits fünf Jahre später wurde die Kapelle von der Synode zu Venlo offiziell als Wallfahrtsort Kevelaer anerkannt. Weitere Wunderheilungen, die von der katholischen Kirche anerkannt wurden, folgten in den nächsten Jahrhunderten und so pilgerten bereits 1700 rund 15.000 Pilger täglich zu dem Gnadenbild, zu Beginn des Ersten Weltkriegs verzeichnete die Pilgerstätte über 500.000 Besucher im Jahr.

Kerzenkapelle Kevelaer – Foto: Rheinischer Spiegel

Den Mittelpunkt der Wallfahrt bildet heute das Kevelaer Gnadenbild „Trösterin der Betrübten“, welches über die Zeit hinweg seinen Platz erhalten hat. Mehr als dreihundert Jahre hat der mittlerweile stark vergilbte und schlichte Kupferstich die Zeit überdauert. Seitdem das Gnadenbild aufgestellt wurde, riss der Strom frommer Pilger nicht mehr ab. Bereits im Dreißigjährigen Krieg stieg die Besucherschar so sehr an, weshalb im Jahre 1643 mit dem Bau einer Wallfahrtkirche begonnen wurde. Sie ist die heutige Kerzenkapelle, in deren Inneren ein Gedenkstein über dem Weihwasserbecken an die Bauzeit erinnerte, die bereits 1645 endete. In jedem Jahr bringen die Prozessionen hier ihre großen Kerzen als Weihegaben dar und die Kerzenschilder lassen einen Blick auf das Alter mancher Prozessionen und das riesige Einzugsgebiet der Pilger zu.

Erst 1858 wurde die prächtige Basilika St. Marien erbaut, in der die liturgischen Feiern das Bild der Wallfahrt bestimmen. Neben der Basilika laden die Sakramentskapelle und die Beichtkapelle zur Einkehr und Selbstbesinnung ein. Wer die Innenstadt betritt kann schnell nachvollziehen, warum Kevelaer zu einem so bedeutsamen Wallfahrtsort wurde. Die Pilger strömen aus der ganzen Welt an den Niederrhein und auch Papst Johannes Paul II. stärkte mit seinem Besuch 1987 den Ruf der Pilgerstadt.
Neben den Prozessionen hat sich zudem eine Motorradwallfahrt entwickelt, an der hunderte von Motorradfahrern teilnehmen die in mitgebrachten Zelten vor Ort übernachten. (nb)

Basilika St. Marien – Foto: Rheinischer Spiegel