Literarisches: Rheinische Frauengeschichten

In Düsseldorf ist sie eine Institution, eine Legende: „Johanna Ey“. Für die Künstlervereinigung Junges Rheinland „Frau Ey“. Von Max Osborn mit dem Beinamen „Mutter Ey“ bedacht.
Von Peter Josef Dickers

LiterarischesGeboren 1864 in Wickrath, heute Stadtteil von Mönchengladbach. Ohne Schulbildung. Heiratete in Düsseldorf den Braumeister Robert Ey. Mutter von vier am Leben bleibenden Kindern. 1906 ließ sie sich scheiden. In einer Bäckerei in der Altstadt fand sie eine Anstellung. Eröffnete bald einen eigenen Laden in der Nähe der Kunstakademie.

Professoren und Lehrer der Akademie wurden ihre Kunden, Kunststudenten und Künstler kauften Brot bei ihr. Sie ließen „anschreiben“, wenn sie kein Geld hatten. Anstelle von Geld nahm sie ein Gemälde, wenn jemand die Zeche nicht zahlen konnte. Sie eröffnete eine Kunstgalerie unter dem Namen „Junge Kunst -Frau Ey“, die zum Treffpunkt für Maler und Bildhauer, Schriftsteller und Journalisten wurde. Maßnahmen der NSDAP bereiteten dem Geschehen ein Ende. Sie gab die Galerie auf. Nach dem Krieg eröffnete sie erneut eine Galerie, starb aber kurze Zeit später.

Wie gelingt das Leben? Für uns möglichst mit Abitur und anschließendem Studium. Ohne sie geht scheinbar nichts. „Nur das Beste für Sie“, verspricht ein Werbeslogan. Gesellschaft „Nimmersatt“. Es geht und ging auch anders. Auch ein weniger ambitioniertes Leben auf ungesichertem Terrain ist lebenswert. Manche Leute warten darauf, dass ihnen Türen geöffnet werden; andere öffnen selbst Türen und handeln. Der italienische Dichter und Philosoph Dante Alighieri äußerte sich vor siebenhundert Jahren in ähnlicher Weise.

Die Geschichte über die Felswand „Loreley“ an der tiefsten und zugleich engsten Stelle des Mittelrheins bei Sankt Goarshausen ist weniger geschichtsträchtig, aber eine nachhaltige Frauengeschichte. Niedrigwasser, Untiefen und starke Strömung bereiten den Schiffen zusätzliche Probleme. Ein Fahrgastschiff fuhr 2003 in Höhe des Loreleyfelsens auf das linke Ufer auf. Beim abrupten Stopp wurden viele Personen an Bord verletzt, einige schwer.

Wie beschreibt und erklärt man solche und andere Gefahren? Zwerge, Nymphen, böse Geister werden herangezogen, verantwortlich gemacht. Gefahren werden personifiziert. Clemens von Brentano identifizierte den Namen des Felsen mit einer Person. Er griff auf den antiken römischen Dichter Ovid und dessen „Metamorphosen“, Verwandlungen, zurück: Narciss verschmäht die Liebe der Nymphe Echo, die sich aus Gram in das „Echo“ verwandelt und zum Fels erstarrt. Brentanos Ballade „Zu Bacharach am Rheine“ erzählt von „Lore Lay“, deren Anziehungskraft Männer verwirrt und sie um den Verstand bringt. Als sie selbst von einem Liebhaber betrogen wird und sich den Tod wünscht, soll sie stattdessen ins Kloster. Auf dem Weg dahin steigt sie noch einmal auf den Fels und stürzt sich hinab.

Der Düsseldorfer Schriftsteller und Dichter Heinrich Heine hat die sagenumwobene Schönheit „Lorelay“, die verführerische Frau auf dem Loreleyfelsen, mit seinem1823 verfassten Gedicht „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin“, unsterblich gemacht:

. . .
Die schönste Jungfrau sitzet dort oben wunderbar
Ihr goldnes Geschmeide blitzet. Sie kämmt ihr goldenes Haar
Sie kämmt es mit goldenem Kamme und singt ein Lied dabei
Das hat eine wundersame gewaltige Melodei
Den Schiffer im kleinen Schiffe ergreift es mit wildem Weh
Er schaut nicht die Felsenriffe, er schaut nur hinauf in die Höh
Ich glaube, die Wellen verschlingen am Ende noch Schiffer und Kahn
Und das hat mit ihrem Singen die Loreley getan

Es war nicht ungewöhnlich, dass weibliche Wesen dafür verantwortlich gemacht wurden, wenn dunkle Wolken heraufzogen, Unvorhergesehenes passierte und sich unliebsame Sachverhalte abzeichneten. „Der Mann ist so beschaffen, dass er dem vernünftigsten Argument eines Mannes widersteht, jedoch dem unvernünftigsten Blick einer Frau erliegt.“ Das behauptet eine Redensart. Johanna Ey ist diesem Vorwand nicht erlegen. Die „Vertreibung aus dem Paradies“ hatte „Adam“, der biblische erste Mensch, dem weiblichen Wesen „Eva“ zu verdanken. Sie verführte ihn mit dem „Apfel“ von einem Baum, von dem niemand essen durfte.

Eine verheiratete Frau ist in der russischen Sprache eine замужняя женщина, „hinter dem Mann befindlich“. Aus dem „Schatten des Mannes“ scheinen Frauen nicht so leicht heraustreten zu können. (opm)

Foto: Privat

Peter Josef Dickers wurde 1938 in Büttgen geboren. Nach einem Studium der Katholischen Theologie sowie der Philosophie und Pädagogik in Bonn, Fribourg/Schweiz, Köln sowie Düsseldorf erhielt er 1965 die Priesterweihe. Anschließend  war er in der Seelsorge und im Schuldienst tätig, bis er sich 1977 in den Laienstand rückversetzen ließ und heiratete. Nach der Laisierung war er hauptamtlich tätig an den Beruflichen Schulen in Kempen (jetzt Rhein-Maas-Kolleg) mit den Fächern Kath. Religionslehre, Pädagogik, Soziallehre, Jugendhilfe/Jugendrecht.

„Seit der Pensionierung bin ich weiterhin engagiert durch meine Schreibtätigkeit, mein Vorlese-Engagement in diversen Einrichtungen und sonstige Initiativen. In den Sommermonaten lese ich zeitweise als „Lektor“ auf Flusskreuzfahrt-Schiffen aus meinen bisher erschienenen Büchern“, so Peter Josef Dickers, der mittlerweile in Mönchengladbach beheimatet ist.