Die Zahl der politisch motivierten Straftaten nahm im letzten Jahr erneut zu. Das ergibt sich aus den Fallzahlen Politisch Motivierter Kriminalität 2021, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, vorgestellt hat.
Deutschland – Das Bundeskriminalamt hat im vergangenen Jahr insgesamt 55.048 Straftaten erfasst, die den einzelnen Phänomenbereichen der Politisch Motivierten Kriminalität zuzuordnen sind. Dies entspricht einer Steigerung um 23,17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und einer Verdoppelung in den letzten zehn Jahren. Die Zahl politisch motivierter Straftaten hat damit 2021 einen neuen Höchststand erreicht.
Der Gesamtzuwachs ist vor allem eine Folge der besonders stark gestiegenen Straftaten, die nicht den klassischen Bereichen der politisch rechts oder politisch links motivierten Kriminalität zuzuordnen sind. Mit 21.339 erfassten Fällen machen diese Taten inzwischen fast 40 Prozent der gesamten politisch motivierten Straftaten aus. Ein wesentlicher Teil dieser Taten ist im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie erfasst worden (7.142 Straftaten).
Zudem wurden im Zusammenhang mit Wahlen, insbesondere der Bundestagswahl 2021, 7.298 Straftaten registriert. Auch die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten ist um 16 Prozent auf 3.889 Delikte angestiegen.
„Wir müssen unsere Demokratie mit aller Kraft schützen. Die politisch motivierte Kriminalität ist ein Gradmesser für die Intensität von gesellschaftlichen Konflikten. Wir haben 2021 sehr viele Straftaten im Zuge der Corona-Proteste registriert – bis hin zu exzessiven Gewaltdelikten. Der furchtbare Höhepunkt dieser Gewalt war der Mord an der Tankstelle in Idar-Oberstein durch einen Mann, der das Tragen einer Maske verweigerte“, betonte Bundesinnenministerin Faeser.
Nach dem Höchststand im Jahr 2020 sind die Fallzahlen der Taten von rechts um rund sieben Prozent auf 21.964 Straftaten gesunken. Allerdings wurden im vergangenen Jahr 41 Prozent der insgesamt erfassten Opfer von Gewalttaten von rechtsmotivierten Tätern verletzt. Insgesamt liegt die Anzahl der rechtsextremen Gewalttaten bei 1.042 (gegenüber 1.092 im Vorjahr). Im Bereich der Hasskriminalität hat sich eine leichte Zunahme um rund zwei Prozent auf 10.501 gezeigt. Vier von fünf dieser Straftaten wurden im Phänomenbereich „PMK rechts“ begangen.
Auch im Themenfeld „Reichsbürger/Selbstverwalter“ sind die Fallzahlen stark auf 1.335 Straftaten angestiegen. Dies entspricht einer Zunahme um rund 73 Prozent. Die Zahl der Gewalttaten hat sich auf 239 Delikte etwa verdoppelt.
„Das zeigt: Der Rechtsextremismus ist die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie und die größte extremistische Gefahr für Menschen in unserem Land. Mit unserem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus haben wir die Gangart deutlich verschärft. Die Sicherheitsbehörden haben jüngst mehrfach sehr konsequent zugeschlagen. Wir müssen die Spirale von Hass und Gewalt stoppen“, hob Bundesinnenministerin Faeser hervor.
Antisemitische Straftaten steigen massiv
Besonders besorgniserregend ist der Anstieg der antisemitischen Straftaten um 29 Prozent auf den Höchststand von 3.027 Straftaten. 84 Prozentdieser Straftaten wurden im Phänomenbereich „PMK rechts“ verzeichnet. Bei rund 61 Prozent der antisemitischen Delikte handelt es sich um Volksverhetzungen (plus 40 Prozent), von denen wiederum die Hälfte im Internet verübt wurde. Ungefähr die Hälfte der antisemitischen Straftaten wurden im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie begangen. Auffällig ist aber auch der islamistisch geprägte Antisemitismus, der Hass gegen Juden und gegen den Staat Israel offen propagiert.
Die Bundesinnenministerin betonte: „Die massiv steigende Zahl antisemitischer Straftaten um noch einmal 29 Prozent macht mir größte Sorgen. Es ist eine Schande für unser Land, wie viel antisemitische Hetze und Menschenverachtung auch heute verbreitet wird. Es ist beschämend, wie der Völkermord an den europäischen Juden von manchen Corona-Leugnern, die sich einen gelben Stern anheften, verharmlost wurde. Immer wieder werden Juden als Schuldige gesucht. Zugleich sehen wir einen immer lauteren und immer stärker sichtbaren islamistisch geprägten Antisemitismus, der Hass gegen Juden und gegen den Staat Israel offen propagiert. Das erfordert ein sehr konsequentes Einschreiten der Polizei. Antisemitische Straftaten müssen für die Täter deutlich spürbare Konsequenzen haben. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, Antisemitismus mit aller Kraft zu bekämpfen und Jüdinnen und Juden zu schützen.“
Keine Entwarnung bei Linksextremismus
Auch im Linksextremismus gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Zwar ist im Phänomenbereich „PMK links“ die Zahl der Delikte um rund acht Prozent auf etwa 10.1130 Straftaten gesunken, was insbesondere auf einen coronabedingten weitgehenden Verzicht auf Großveranstaltungen im linken Spektrum zurückzuführen ist. Nach wie vor ist jedoch von einer besonders hohen Gewaltbereitschaft auszugehen, wie der hohe Anteil von Gewalttaten von rund zwölf Prozent belegt.
Die Bundesinnenministerin verdeutlichte deshalb, dass gegen linksextreme Gewalt weiter sehr konsequent vorgegangen werden muss und besonders mit Blick auf den G7-Gipfel Ende Juni auf Schloss Elmau alles getan werde, um diesen konsequent vor linksextremer Randale und Gewalt zu schützen.
Straftaten, die aus einer politischen Motivation heraus begangen werden, werden im „Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch Motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) erfasst. Darunter fallen zum Beispiel sogenannte Propagandastraftaten, wie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der KPMD-PMK ist ein gemeinsames System von Bund und Ländern, dass zum 1. Januar 2001 eingeführt wurde. Es gewährleistet bundesweit eine einheitliche, detaillierte und systematische Erhebung der gesamten Straftaten zur Politisch motivierten Kriminalität. (opm)