Beim ASV Süchteln spielen ältere Menschen seit gut einem Jahr Walking Football. Diese besondere Form des „Gehfußballs“ wird dank einfacher Regeln immer beliebter. Laufen ist Tabu, der Ball sorgt aber für viel Dynamik.
Viersen-Süchteln – Der Ball folgt seiner Bestimmung – er rollt. Und zwar so schnell, dass er in wenigen Sekunden die Torauslinie erreichen wird. Mit raumgreifenden Schritten versucht ein Fußballer dies zu verhindern. Noch bevor das Spielgerät an die weiße Markierung kommt, stoppt er es und kickt es zurück zu einem Mitspieler. „Super, Jan!“, hört er ein dickes Lob für seinen kernigen Einsatz.
Eine Szene, die sich so oder ähnlich an jedem Wochenende hundertfach auf Sportplätzen in der Region abspielen kann. Und doch ist an dieser Szene vieles anders. Der Fußballer und seine Mitspieler vom ASV Süchteln sind teilweise deutlich älter als 60 Jahre und frönen einem Sport, der aus England kommt und seit wenigen Jahren seinen Siegeszug in Deutschland angetreten hat. Die Fußball-Bundesligisten Schalke 04, Bayer Leverkusen, Werder Bremen und VfL Wolfsburg haben schon seit geraumer Zeit eigene Teams. Mittlerweile entdecken auch in der Region immer mehr Vereine die Chance, wie ältere Menschen ihren Lieblingssport ausüben können.
Der ASV Süchteln hat Anfang vergangenen Jahres eine Gruppe initiiert. Es war anfangs ein schwieriges Unterfangen mit nur wenigen Begeisterten. Denn die Begriffe „Gehfußball“ oder sogar „Standfußball“ scheinen auf ehemalige Kicker eher abschreckend zu wirken: Fußball gilt als Laufspiel, doch genau das Joggen ist bei Walking Football absolut tabu. Auch wenn jeder Laufschritt sofort abgepfiffen wird, ist die Sportart aber alles andere als statisch. „Die Spieler dürfen schnell gehen. Wie bei Wettkampfgehern muss ein Fuß immer auf dem Boden sein. Wenn das richtig gemacht wird, ist Walking Football sehr dynamisch“, sagt Paul Irskens. Der 22-Jährige ist Sport- und Fitnesskaufmann und Reha-Trainer für Orthopädie und Innere Medizin und hat die Betreuung der neuen Walking-Football-Gruppe übernommen.
Inzwischen ist das ASV-Team auf mehr als 20 Mitspieler gewachsen. Wer einmal das einfache Regelwerk kennengelernt hat, lernt es schnell zu schätzen: Zweikämpfe sind ebenso verboten wie hohe Zuspiele über einen Meter. Abseits gibt es nicht, das Spielfeld ist für die sechs Kicker pro Team deutlich kleiner, der Ball leichter. Eine Grundregel des Spiels bleibt jedoch unverändert: Das Runde muss ins Eckige – wobei Letzteres drei Meter breit und einen Meter hoch ist. „Damit ist garantiert, dass viele Tore fallen. Der Erfolg ist da, und das macht den Reiz des Spiels aus“, sagt Wolfgang Küppenbender. Der 72-Jährige ist beim ASV seit Start der Gruppe dabei und möchte als ehemaliger Fußballer diese Trainingsstunden nicht mehr missen.
Da sich das ASV-Angebot vornehmlich an über 60-jährige Männer und Frauen richtet – laut Regelwerk ist ein Mindestalter von 55 Jahre bindend -, sind die meisten von ihnen im Rentenalter. Ihnen und dem Verein kommt gelegen, dass die Trainingsstunden vormittags sind, wenn Jugendspieler die Volksbankarena an den Süchtelner Höhen noch nicht frequentieren.
War zunächst nur ein Trainingstag vorgesehen, ist inzwischen ein zweiter dazu gekommen. Auf eines achtet Reha-Trainer Paul Irskens dabei gewissenhaft: „Ohne ein vernünftiges und ausgiebiges Aufwärm- und Dehnprogramm kommt mir keiner zum Fußball auf den Platz.“ Das ist auch wichtig, denn die meisten der Walking-Football-Kicker haben Mobilitätsprobleme – oftmals lassen die Knie, der Rücken oder die Füße andere Sportarten wie Joggen nicht mehr zu. Ärzte schätzen die Qualität des Walking Football: Das dosierte Wettkampfprinzip und der Teamgedanken wecken selbst bei anfänglichen Bewegungsmuffeln schnell die Bereitschaft, wieder aktiver zu werden.
Wer mitmacht, muss nicht auf eine Fußballkarriere verweisen können. „Die Freude an der Bewegung ist entscheidend. Der Ball und die Mitspieler sorgen dann schon dafür, dass sich jeder Walking-Footballer entsprechend ins Spiel einbindet“, sagt Trainer Irskens. Die Erfolge sind durchaus erkennbar. Nach der anderthalbstündigen Trainingseinheit zeigt Erwin (72) auf sein Sportshirt, auf der große Schweißflecke sichtbar sind. Und Antonio (65) liest die eigene Trainingsintensität auf seiner Fitness-Uhr ab: „Mehr als 10.000 Schritte – das ist mein neuer Bewegungsrekord.“
Ligenspiele: Dies wird von Vereinen und Verbänden angestrebt, ist aber nicht verpflichtet. In England gibt es bereits deutlich mehr als 300 Clubs.
Training: Die Walking-Footballer des ASV Süchteln treffen sich montags, 10.30 bis 12 Uhr, und donnerstags, 10 bis 12 Uhr, in der Volksbank-Arena in Süchteln.
Ansprechpartner: Weitere Informationen gibt Wolfgang Küppenbender, Tel. 02162-77668, iwkueppi@gmx.de
Weitere Vereine: Auch Blau-Weiß Concordia Viersen und die Sportfreunde Leuth bieten inzwischen Walking Football an. (opm/Dieter Weber)