Zwei Jahre nach der schweren Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands zieht das Medikamentenhilfswerk action medeor Bilanz.
Region – Nach der akuten Nothilfephase in den ersten Wochen nach der Flut und den anschließenden Maßnahmen der Übergangshilfe hat für die humanitären Helfer inzwischen die Phase des Wiederaufbaus begonnen. „In der akuten Nothilfe ging es darum, zu retten und zu schützen, in der Übergangshilfe ging es um temporäre Lösungen für zerstörte Strukturen. Jetzt schauen wir, welche Dinge nach dem Hochwasser dauerhaft wiederhergestellt werden“, erläutert Alexandra Geiser, Koordinatorin des Fluthilfe-Projektteams von action medeor.
Nach zwei Jahren kann die „Notapotheke der Welt“, wie action medeor auch genannt wird, auf eine ganze Reihe solcher Maßnahmen zurückblicken. Im von der Flut besonders betroffenen Ahrtal hat das Hilfswerk medizinisches Material und solarbetriebene Straßenbeleuchtung bereitgestellt, Übergangsräume für zerstörte Arztpraxen und Apotheken errichtet, Seniorennachmittage gefördert, Tanz- und Theaterangebote für Kinder finanziert, mobile häusliche Pflege für ältere Menschen unterstützt, Übergangs-Sportstätten für Kinder und Jugendliche aufgebaut, Multifunktionsräume bereitgestellt, in denen wechselweise Krisenstäbe tagten, psychotherapeutische Behandlungen stattfanden und soziales Beisammensein möglich war. Auch in Nordrhein-Westfalen ist action medeor seit dem Hochwasser aktiv, hat etwa in Eschweiler Sportgeräte und soziale Projekte für Jugendliche gefördert.
„Viele dieser Projekte dauern bis heute an und haben sich den geänderten Bedarfen inzwischen auch angepasst“, erläutert Markus Bremers, Pressesprecher und Mitglied des Hochwasser-Projektteams von action medeor. In der Ortsgemeinde Kalenborn im Ahrtal etwa wurden zunächst Übergangsräume in Containerbauweise für eine zerstörte Arztpraxis und eine Apotheke geschaffen. „Dadurch konnte die hausärztliche und pharmazeutische Versorgung für viele tausend Menschen im Ahrtal nach der Flut schnell gesichert werden“, blickt Bremers zurück. „Die Arztpraxis und Apotheke haben ihre alten Räume inzwischen aber wieder renoviert oder neue Standorte bezogen, daher werden unsere Räume nun für psychotherapeutische Angebote genutzt.“ Der Bedarf an solchen Angeboten ist in den Hochwassergebieten ungebrochen hoch. „Nachdem sie zwei Jahre an der Belastungsgrenze gearbeitet, ihr Zuhause wiederaufgebaut und sich mit vielen Formalien auseinandergesetzt haben, leiden viele Menschen unter Traumata und Erschöpfungszuständen“, sagt Bremers. Auch zwei Jahre nach dem Hochwasser stünden die Menschen vor großen Herausforderungen, die natürlich auch gesundheitliche und psychische Probleme nach sich zögen. Es werde noch Jahre dauern, diese Folgen zu behandeln, so Bremers.
Für ältere und pflegebedürftige Menschen, die von der Flut besonders betroffen sind, hat sich action medeor in besonderer Weise eingesetzt. „Für viele hat sich ihr Lebensumfeld gravierend verändert, sie mussten umziehen, leben nun in räumlich beengten Verhältnissen zusammen mit ihren Angehörigen“, schildert Alexandra Geiser. „Nicht wenige mussten ihre Dörfer verlassen und haben damit ihr gewohntes soziales Umfeld verloren.“ Das Hilfswerk habe daher bereits früh dafür gesorgt, dass Seniorennachmittage wieder stattfinden konnten und auch die häusliche Pflege wieder geleistet werden konnte. Ein besonderes Projekt in diesem Zusammenhang sei zudem die Errichtung einer Tagespflege-Einrichtung in Kooperation mit der Sozialstation Adenau-Altenahr. „Mit der Förderung der neuen Tagespflege-Einrichtung wollen wir einen nachhaltigen Beitrag dazu leisten, dass ältere Menschen, die nach der Flut ihr gewohntes Lebensumfeld verloren haben, wieder soziale Kontakte knüpfen und Begegnung mit anderen pflegen können“, begründen Geiser und Bremers das Engagement des Hilfswerks, das dazu auch Spendenmittel des Bündnisses „Aktion Deutschland Hilft“ einsetzt.
Dass action medeor überhaupt mit Hilfsmaßnahmen in Deutschland aktiv ist, ist für die Hilfsorganisation mit Sitz im niederrheinischen Tönisvorst eine große Ausnahme. Üblicherweise setzt die „Notapotheke der Welt“ ihre Hilfsprojekte in Afrika, Asien und Lateinamerika um. Als sich im Juli 2021 die Hochwasserkatastrophe in Deutschland ereignete, wurde man erstmals in der fast 60-jährigen Geschichte des Hilfswerks im eigenen Land tätig. „Aber angesichts einer solchen Katastrophe, die sich quasi vor unserer Haustür ereignet, konnten und können wir als Hilfswerk natürlich nicht untätig bleiben“, erklären Alexandra Geiser und Markus Bremers, „deswegen war für uns völlig klar: Wir helfen!“
Und diese Hilfe wird auch in den nächsten Jahren fortgesetzt. Bis 2025, schätzt man bei action medeor, werden die Übergangshilfe-Projekte noch laufen. (opm)