Defizit von 14,6 Millionen Euro – Viersener Kämmerer brachte Haushalt ein

Die diesjährige Haushaltsrede lag aufgrund der Coronasituation schriftlich vor. Stadtkämmerer Christian Canzler hatte allerdings nicht nur sie vorbereitet, ebenfalls den Haushaltplan-Entwurf für 2022 übergab er in der Ratssitzung am Dienstagabend dieser Woche.
Von RS-Redakteur Dietmar Thelen

Viersen – Mit einer Deckungslücke von 14,6 Millionen Euro ist laut Stadtkämmerer Christian Canzler in 2022 zu rechnen. Positiv: Eine Steuererhöhung sei aktuell nicht geplant. „Trotz einer schwierigen und weiterhin sehr angespannten Haushaltslage ist nach wie vor KEINE Steuererhöhung geplant. Es sollte auch weiterhin das Ziel sein, dies im Rahmen der Mittelfristplanung fortsetzen zu können, ein Versprechen kann dies jedoch leider nicht sein“, so Kämmerer Christian Canzler in seiner Haushaltrede. Und auch das Defizit, das in 2020 noch für 2021 angenommen wurde (rund. 5 Mio. Euro) bewahrheitet sich letztlich nicht.

Aber …
„… die Darstellung des Haushaltsaugleichs gelingt nur mit der bekannten Corona- Bilanzierungshilfe,
… der Einmaleffekt in der Gewerbesteuer 2021 hat massive Auswirkungen auf den Finanzausgleich zwischen Land, Städten und Gemeinden im Haushaltsjahr 2022. Der Einmaleffekt erhöht (rechnerisch) die städtische Steuerkraft, erhöht damit die zu zahlende Kreisumlage und mindert zeitgleich die Zuweisungen des Landes an die Stadt, so erhält Viersen in 2022 rd. 12,9 Mio. Euro weniger Schlüsselzuweisung.
… die weiteren, arbeits- und kostenintensiven Aufgaben und Herausforderungen für die Stadt, die derzeit noch nicht in voller Gänze absehbar und bezifferbar sind wie etwa:
– Zubauten im Bereich Schulgebäude und Offener Ganztag,
– Klimaschutz- und Klimafolgenanpassungsmaßnahmen im Rahmen der städtischen Zuständigkeiten,
– Digitalisierung,
– Finanzausgleich,
– Jugendhilfe/Kindertagesbetreuung,
– Personalgewinnung und –bindung,
– Pandemiebekämpfung.“

Zwar seien andere Kommunen deutlicher von den finanziellen Belastungen der Pandemie betroffen, dennoch käme es im Haushaltsplan 2022 zu deutlichen Verschlechterungen. Insbesondere beim Finanzausgleich seien die fehlenden Erträge in Millionenhöhe auffällig. „Dies ist Folge der Pandemie als auch des Einmaleffektes in der Gewerbesteuer. Im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert sich der Haushalt um rund 9,7 Mio. Euro“, führte Canzler weiter aus.

Auch wenn die Stadt mit dem Haushalt 2019 offiziell die Haushaltssicherungspflicht verlassen konnte, zeige sich mit der Haushaltsaufstellung 2022 die zwingende Notwendigkeit, den Konsolidierungskurs unbedingt fortzuführen, um eine erneute Haushaltssicherungspflicht zu vermeiden. Im ÖPNV habe sich die finanzielle Lage besser entwickelt als erwartet, was insbesondere auf den ÖPNV-Rettungsschirms zurückzuführen sei. Die Fahrgasteinnahmen blieben wie erwartet deutlich hinter den Vor-Pandemie-Werten zurück. Ein Rettungsschirm für 2022 sei nicht ausgeschlossen, aber auch noch nicht beschlossen.

Für das Jahr 2022 sind einige neue investive Maßnahmen geplant:
– Neubau Rettungswache Dülken (Planungskosten in 2022, Bau und Fertigstellung bis 2024/2025)
– Neubau von OGS-Gebäuden an städtischen Grundschulen (Planungskosten in 2022)
– Investitionskostenzuschüsse an freie Träger für die Einrichtung zusätzlicher Kinderbetreuungsplätze – Zweiter Rettungsweg Agnes-van-Brakel-Grundschule (Außentreppe)
– Wiederaufbau Turnhalle Helenabrunn (ggf. städtischer Anteil an der ansonsten versicherungsrechtlichen Wiederherstellung)
– Sanierung von Brücken mit Radwegeverbindungen im Stadtgebiet
– Umgestaltung Alter Tierpark + Fußgängerzone Süchteln
– Erneuerung der Weiherstraße (Baubeginn in 2022)
– Kleinere Straßenbaumaßnahmen sowie Planungskosten für straßenbauliche Maßnahmen (vor allem in Bezug auf Radwege) in Folgejahren
– „Kinderinseln auf der Löhstraße“
– Planungskosten für ÖPNV-Verknüpfungspunkt am Bahnhof Viersen sowie den barrierefreien Ausbau des Busbahnhofs Süchteln
– Wiederherstellung Postgarten nach Beendigung der Baumaßnahme Tiefensammler
– Zweitstandort Primusschule (Planungskosten und vorbereitende Maßnahmen in 2022).

Geplant ist ein Zweitstandort für die Primusschule. Foto: Rheinischer Spiegel/cs

Fortgesetzt werden im Wesentlichen folgende Investitionsmaßnahmen:
– Erwerb Fahrzeuge für Feuerwehr, Rettungsdienst und Städtische Betriebe
– Erweiterung und Modernisierung der Sirenenanlagen im Stadtgebiet
– Fortsetzung der Sanierungsmaßnahme an der Paul-Weyers-Schule
– „Pflanzoffensive“ für den Ersatz von Bäumen im Stadtgebiet infolge Hitzeperioden in Vorjahren
– Erwerb Betriebs-/Geschäftsausstattung + IT-Ausstattung an Schulen
– Ausbau der IT-Infrastruktur in städtischen Schulen
– Installation von Photovoltaikanlagen auf städt. Gebäuden gem. Sofortmaßnahmenprogramm Klimaschutz
– Barrierefreier Ausbau von Bushaltestellen im Stadtgebiet
– Investitionskostenzuschuss für Naturrasenplatz + Leichtathletikanlage im Sportpark Hoher Busch
– Ersatzbeschaffung Spielgeräte Spielplatzflächen + Neueinrichtung Spielfläche Brandenburger Straße.

Bei einer Reihe von Investitionen und Projekten käme es weiterhin zu Verzögerungen, Verschiebungen und nicht zuletzt Kostensteigerungen. „Die Ursachen hierfür sind mannigfaltig, nicht nur, aber auch weiterhin pandemiebedingt“, so der Kämmerer in seiner Haushaltsrede.

„Der „Bauboom“ im öffentlichen Sektor hält weiterhin an, weil viele öffentliche Auftraggeber derzeit zum Teil sogar gesteigert nachfragen. Hierzu trägt sicher auch der neu geschaffene Rechtsanspruch für Ganztagsbetreuung in Schulen bei. Bei nicht weiter gestiegenen Angeboten im Planungs- und Baubereich führt dies weiterhin zu einer geringen Anzahl von Angeboten auf städtische Ausschreibungen wie auch manchmal zu keinem Gebot. Es fehlt zum Teil eigenes Planungspersonal, das Maßnahmen selbst betreuen oder die Betreuung der Abwicklung der Projekte durch Externe steuern könnte ebenso wie schlicht Planungskapazität der anbietenden Unternehmen. Weiter treten in immer mehr Baumarktsegmenten Teile- oder Baustoffmängel ein, die Vorhaben behindern. Die Bauwirtschaft selbst rechnet in 2022 nicht mit Entspannung; letztlich führt diese Knappheit zu deutlich gestiegenen Preisen, die die Projekte teils drastisch verteuern“

Ausgehend der vorliegenden Daten spricht der Kämmerer zum 31.12.2022 von einer Verschuldung der Stadt Viersen von rund 121,0 Mio. Euro. Dies entspricht einer Pro-Kopf-Verschuldung von rund 1.560 Euro auf Basis der Einwohnerzahl von 77.568 Einwohnern.

„Es gilt es weiterhin, strukturelle Schwierigkeiten im Auge zu behalten und anzugehen, um zukünftig eine Haushaltssicherung zu vermeiden, wenngleich diese derzeit nicht konkret droht, auch nicht im Falle der Entscheidung für eine Sofortabschreibung der Corona-Bilanzierungshilfen in 2024. Gleichwohl möchte ich noch einmal auf den aus meiner Sicht nach wie vor nötigen Sparwillen aufmerksam machen. Nach Verlassen der Haushaltssicherung versucht die Stadt, bestimmte Dinge nachzuholen, die in den Vorjahren jedenfalls so nicht möglich waren. Das ist gut und richtig, dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die städtische Lage trotz Verlassen der Haushaltssicherung nicht ganz rosig darstellt“, appellierte Canzler.

„Bestimmte Effekte der Corona Pandemie können die Stadt immer noch treffen und mit Aufgabenver tiefungen und neuen, hinzukommenden Aufgaben, aber Ausbleiben einer auskömmlichen Finanzierung wird die Luft in Zukunft „nicht dicker, sondern eher dünner“.“ Da müsse es erlaubt sein, auch in den Blick zu rücken, gegebenenfalls freiwillige Leistungen anzupassen, Standards von Pflichtaufgaben zu überprüfen oder stattdessen erhöhte Einnahmen zu generieren.“ (opm/dt)