Erneut rief die Friedenskooperative, der unter anderem Pax Christi Viersen, die Organisation IPPNW und der Internationale Versöhnungsbund angehören, am 77. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki zu einer Welt ohne atomare Bedrohung auf.
Von RS-Redakteur Walter Henning
Viersen – Zahlreiche Veranstaltungen lenkten rund um den 6. August den Blick auf atomaren Katastrophen in Hiroshima und Nagasaki erinnerten. Bereits zum 77. Mal jährte sich das grausame Ereignis, weshalb erneut Vereine und Organisationen auf die anhaltende nukleare Bedrohung aufmerksam machten. Das Ziel der ganz unterschiedlichen Aktionen des Netzwerkes Friedenskooperative ist die weltweite Abschaffung aller Atomwaffen.
In der Viersener Innenstadt riefen Friedensdemonstranten am Samstag die Bundesregierung dazu auf konsequent gegen die anhaltende nukleare Bedrohung vorzugehen. Die Viersener Gruppe der internationale ökumenischen Friedensbewegung Pax Christi rückt bereits seit über zwanzig Jahren diesen Tag in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Aus Blumen legten sie gemeinsam mit Passanten ein Symbol des Friedens in Gedenken an die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945. Etwa 92.000 Menschen starben sofort, 130.000 weitere Menschen starben bis zum Jahresende an den Folgeschäden.
„Wir organisieren nicht nur das Gedenken an Hiroshima“, erklärte Christine Liedgens von der Viersener Gruppe Pax Christi, die bereits seit über 40 Jahren besteht. „Ebenfalls organisieren wir gemeinsam mit anderen Vereinen ein Gedenken am 9. November zur Reichspogromnacht, sowie am 27. Januar das Gedenken an die Befreiung von Auschwitz und erinnern an die vielen gequälten und ermordeten Patientinnen und Patienten der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Johannistal zu Süchteln.“ Sie erinnert daran, dass vor zwanzig Jahren noch rund 80 Teilnehmer in der Innenstadt an diesem Tag zusammenkamen, mittlerweile fehlt, wie bei anderen Organisationen und Vereinen, der Nachwuchs.
„Die Situation hier in der Fußgängerzone oder auf dem Markt ist ein Sinnbild für die Situation, in der wir leben. Wir spüren natürlich, dass sich vieles verändert, Preise steigen, manche Sorgen werden größer, Zukunftspläne werden mit Vorbehalt gemacht. Und doch gehen wir weiter dem Tagesgeschäft nach: essen, trinken, reden, kaufen ein, planen, treiben im Strom des Alltags. Mitten da drin wollen die Veranstalter*innen heute zu einer Zeit des Innehaltens und des Gedenkens einladen“, sagte Susanne Grabenhorst von der IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War) in ihrer Rede. „Aber leider müssen wir in diesem Jahr auch sehr traurige Entwicklungen miterleben: Den Ukrainekrieg und die Verhärtung zwischen verschiedenen Kontrahenten – ganz aktuell zwischen USA und China. Wir erleben eine massive militärische Aufrüstung und die Verfeindung zwischen Bevölkerungen verschiedener Länder, wir sehen Hunger und Armut im sogenannten globalen Süden.
Schon seit über 70 Jahren protestieren Menschen wie wir gegen den atomaren Wahnsinn. Sie haben den Weg frei gemacht für die großen Abrüstungswellen in den 90er Jahren. Es war nur eine Handvoll von Aktivist*innen aus der ganzen Welt, die mit ICAN, der Internationalen Kampagne für die Abschaffung der Atomwaffen erreicht haben, dass die große Mehrheit der Staaten das Atomwaffenverbot beschlossen haben, trotz Druck durch die Atommächte.
Aber je länger der Krieg in der Ukraine dauert und je mehr die Spannungen zwischen USA und China eskalieren, desto höher ist die Gefahr, dass Atomwaffen eingesetzt werden. Sei es durch den absichtlichen Einsatz, durch Missverständnisse oder durch Fehler in den technisch komplexen Frühwarnsystemen, wie sie in der Vergangenheit schon mehrfach vorgekommen sind.“
„Bis heute hat die Bundesregierung das UN-Atomwaffenverbot nicht unterzeichnet“, so Rainer Blix ebenfalls Mitglied bei Pax Christi. Zwar haben in 2017 122 Staaten den UN-Vertrag geschlossen und der Atomwaffenverbotsvertrag ist seit dem 22. Januar 2021 gültiges Völkerrecht, doch die Bundesregierung beuge sich dem Druck der USA und boykottiert noch immer das Abkommen – auch nach dem Partei-Wechsel an der Spitze der deutschen Politik. „Das hängt damit zusammen, dass Deutschland in einer Krisensituation eine kleine Atommacht ist. Im Fliegerhorst Büchel lagern bis heute amerikanische Atombomben. Wird ein Krisenfall ausgelöst, werden diese freigegeben und unter aktuell noch deutsche Bundeswehr-Tornados gesetzt. In Absprache mit den NATO-Partnern werden diese Atombomben dann in die Ziele geführt.“ Wenn Deutschland als wichtiger NATO-Staat dem Verbot beitritt, könne dies der Durchbruch sein und weitere Länder würden folgen.
Diese Woche begann in New York die Konferenz zum Atomwaffen-Nicht-Verbreitungs-Vertrag (NVV). Antonio Guterres, der UN-Generalsekretär, sagte am 01.08.2022 vor Staats- und Regierungsvertreter*innen von Ländern mit und ohne Atomwaffen:
„Die Krisen – mit nuklearen Untertönen – schwelen: vom Nahen Osten und der koreanischen Halbinsel bis hin zu Russlands Einmarsch in der Ukraine. Die Wolken, die sich nach dem Ende des Kalten Krieges verzogen hatten, ziehen wieder auf. Wir haben bisher außerordentliches Glück gehabt. Aber Glück ist keine Strategie. Es ist auch kein Schutz vor geopolitischen Spannungen, die in einen nuklearen Konflikt übergehen. Heute ist die Menschheit nur ein Missverständnis, eine Fehlkalkulation von der nuklearen Vernichtung entfernt.“ (wh)