Die Niederrheiner wissen: Was zum dritten Mal stattfindet gründet eine Tradition. An diesem Wochenende luden die Roahser Jonges und die Grosse Viersener Karnevalsgesellschaft erneut zur Herrensitzung und sorgten so für einen neuen närrischen Brauch in Viersche.
Von RS-Redakteur Dietmar Thelen und Martin Häming
Viersche – Wie überall hatte auch die Herrensitzung der zwei bekannten Gesellschaften in den vergangenen Jahren pausieren müssen. Versprochen hatten die Roahser Jonges und die Grosse Viersener Karnevalsgesellschaft bereits vor der Pandemie die Gründung einer Tradition. Nun hielten sie ihr Versprechen und die Herren rockten bis zur letzten Sekunde der diesjährigen Herrensitzung erstmals im beheizten Winterzelt.
Der Elferrat, der sich aus den beiden gastgebenden Gesellschaften gebildet hatte, zog sichtlich gutgelaunt in das Zelt an der Sittarder Straße am Sonntagmorgen – übrigens begleitet vom Viersener Tambour Corps 1925 e.V. in blauen und roten Uniformen passend zu beiden Gesellschaften – ein.
Ein Erfolg, der sich aus der Zeit vor Corona fortsetzte und dem die durchweg männlichen Gäste zahlreich gefolgt waren. Sitzungspräsident Wolfang Genenger war es, der die Ehre hatte eine ganze Reihe von Augenweiden an diesem Tag auf der Bühne willkommen zu heißen und mit gekonnten Trinksprüchen die Pausen zu füllen.
Ein mitreißendes Bühnenprogramm, welches mit der Tanzgarde „der Blauen“ startete. Die charmanten Damen gehören der Grossen Viersener Karnevalsgesellschaft an und begeistern bereits seit einigen Jahren mit ihren Tänzen. Nun mussten auch sie drei Jahre pausieren und haben in den vergangenen Monaten hart trainiert. Der letzte Feinschliff am Tanz wurde vorgenommen, denn das Comeback der Karnevalssession wollten sie durch eine perfekte Leistung gebührend feiern.
„Um auch für die nötige Motivation außerhalb des Trainings zu sorgen, haben einige Ersatzfestivitäten veranstaltet, die uns statt Frühschoppen, Altweiber und Züge bei karnevalistischer Laune halten konnten und die Vorfreude auf die Session steigern konnten“, so die Damen in den blau glitzernden Uniformen. „Bei uns gibt es eben das Komplettpaket – wir verbringen nicht nur gerne Zeit miteinander, um für unser gemeinsames Hobby zu trainieren. Auch außerhalb der Session sind uns gemeinsame Aktivitäten sehr wichtig, um unseren Zusammenhalt zu stärken und wir freuen uns immer über Zuwachs. Bei uns gibt es kein klassisches Probetraining. Wer mittwochs von 20 – 22 Uhr Zeit hat, mindestens 18 Jahre alt ist und super gerne einmal Gardetanz-Luft schnuppern möchte, kann sich gerne bei der GVK melden und jederzeit mitmachen.“
Von fröhlichen Klatschsalven ging es zu mitreißenden Lachern, denn die Bühne nahmen Redner Christian Pape und der „Mann im Pullunder“, Dr. Stefan Bimmermann ein. Für die Bühnen in Viersen bekannte Gesichter mit der Heimat nicht nur im Herzen, sondern ebenfalls auf der Zunge. Die scheinbaren Banalitäten des Alltags wurden gekonnt „jeckentauglich“ pointiert umgesetzt, als Lohn gab es für die Künstler den größten Dank mit Lachtränen in den Augen der Karnevalisten.
Diese saßen sowieso gerade nicht mehr auf ihren Plätzen, als die fünfzehn jungen Damen in rot-schwarzen Petticoats starteten, denn diese prägten den diesjährigen Auftritt der Fauth Dance Company, die mittlerweile bei den Veranstaltungen der GVK schon fast traditionell dazugehören. Trainiert von Saskia Fauth steht natürlich auch die diesjährige Session ganz im Motto mitreißender und energiegeladener Rhythmen.
Die gekonnt zum Tanzen animierten Herren übernahm dann die Mönchengladbacher Band „Dröpkes“, die die Jecken erneut von ihren Stühlen holte. Nicht nur Brauchtum, sondern Lebensfreude schwappte über an einem Nachmittag, der nicht schöner sein konnte. Seit 1996 sind die Musiker mittlerweile gemeinsam auf den Bühnen unterwegs und wussten das gefüllte Festzelt mit ihren Texten zu erreichen.
Das Saxofon der Dröpkes klang noch in den Ohren, als die Roahser Mädches im Herzchen-Outfit als heimische Damen einen Blick auf die Herren ergattern konnten. Damit zählen sie zur Ausnahme und die Herren ließen sich dabei natürlich nicht lumpen ihre Herzdamen besonders mit einem fast frenetischen Applaus zu belohne.
Gekonnte Schritte, akrobatische Einlagen und immer ein Lächeln – nicht verwunderlich, dass ihr Auftritt immer wieder ein Hochgenuss ist und ihre Stimmung schwappte nur zu gerne auf den Komiker John Doyle über. Es gibt sicherlich nicht viele Künstler, die Beleidigungen mit einer deutschen so perfekten Präzision dem Publikum entgegenschmettern können. Das Leben bietet halt so seine Schwierigkeiten, aus denen passenderweise eine Lachsalve nach der anderen zusammengestellt werden kann.
Von nur einem einzigen Darsteller wechselte das Bühnenbild zu „voll“, denn die Kammerkätzchen der Alten Kölner Karnevalsgesellschaft Schnüsse-Tring 1901 e.V. ließen sich an diesem Tag in der Teilnehmerzahl nicht lumpen. In den kölschen Farben Rot und Weiß, sowie abgerundet mit packender Musik, ein Auftritt mit anspruchsvollen Choreographien und akrobatischen Elementen. Klassisch und modern vereint zu einem echten Hochgenuss, den die Ratsherren Unkel nur zu gerne fortführten.
Sie gelten als bekanntestes Blasmusikboygroup des Rheinlands und auch wenn bei dem einen oder anderen „Boy“ ein wenig weiter gefasst werden muss, von Musik haben sie auf jeden Fall Ahnung. Mit Trompeten, Saxophon, Posaune & Co. brachten sie kölsche Töne von „En d´r Kayjass Nummer Null“ bis zu „Pirate“ mit. Texte, die das Festzelt aus dem Effeff mitträllern konnte – trotz der langen Brauchtumspause.
So langsam aber sicher, fand nach ihnen auch das mitreißende Programm der Herrensitzung einen Abschluss, welches die Band Kommando3 einläuten durften. „Leev Jecke, se hann sich en Rakeet verdeent! Kommando eins …“ Der klaren Aufforderung waren bereits die Gäste am Freitag zuvor bei den Blau-Wette Jonges gefolgt – gleich Ort, anderer Tag. Applaus brandete auf. „Kommando 2 …“ der Boden bebte, bevor dann die Herren von meist Damen abgelöst wurden.
Die Showtanzgruppe High Energy entführte zum Abschluss in 1001 Nacht und bewies, dass man auch im Orient jeck sein kann. 23 Tänzerinnen und zwei Tänzer stürmten dabei das Zelt. Tanz, Party und Stimmung, das können sie und brachten alles gerne mit, um am frühen Abend der Herrensitzung die verdiente Krone aufzusetzen. Nach einem Dank an die Blau-Wetten Jonges, die tatkräftig an diesem jecken Wochenende im Festzelt beteiligt waren, und dem Chor der Gäste mit „In unserem Veedel“ blieben nicht wenige der Karnevalisten gerne noch für den einen oder anderen Schnack. Eigentlich wollte nämlich so niemand wirklich jetzt schon nach Hause. (dt)