Die Ehre eines „Cheriff vom Hamm“ zu tragen ist schon etwas ganz Besonderes. Wenn das dann noch von einer närrischen Zahl begleitet wird, dann steht garantiert ein wunderbarer, jecker Abend bevor. So war es auch bei der Kostümsitzung der KG Hamm wer net, die an diesem Wochenende die mitreißende Party gar nicht erst enden ließ.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker und Fotograf Martin Häming
Viersche – Herzlich willkommen erneut im Evangelischen Gemeindehaus an der Königsallee. Schließlich haben wir es bereits in der Nacht zuvor erst spät (obwohl eher früh mit Blick auf den bald anbrechenden Morgen) nach einer großartigen Damensitzung verlassen. Am Samstagabend stand neben dem erlesenen Programm aber vor allen Dingen die traditionelle Kürung des „Cheriff vom Hamm“ im Mittelpunkt der diesjährigen Kostümsitzung der Karnevalsgesellschaft Hamm wer net 1950 e.V.
Bis zu dieser allerdings sollte es noch ein wenig dauern, als die Gesellschaft ihren Einzug durch die Reihen der gut gelaunten närrischen Gäste genoss und Sitzungspräsident Michael Berghausen am zweiten Abend hintereinander das karnevalistische Publikum unter dem Motto „Endlich wieder Disco“ willkommen hieß.
Bevor dann das Schönste, was die Viersener Narrenstadt zu bieten hat, traditionell die Blicke auf sich zog, wollen wir heute noch etwas anderes einfließen lassen. Kennen Sie das Vereinslied aus dem Hamm? Text und Melodie des Schunkelwalzers stammen von Waldemar Saltmann, der ein kleines Bötchen auf dem Hammer Bach schwimmen ließ.
Wir brauchen keine Mosel, wir brauchen keinen Rhein,
wir rudern auf dem Hammer Bach, das ist genau so fein.
Ach, ständen da noch Reben, wie wör os Hamm dann schön,
wir würden dann am Hammer Bach, nur noch bummeln gehn.
Ein kleines weißes Bötchen
schwimmt auf dem Hammer Bach,
drin sitzen Franz und Gretchen
und küssen sich ganz sacht.
Wenn am Himmel die Sterne funkeln
zieht der Franz die Ruder ein,
und das Bötchen treibt mit Schunkeln
zwei Herzen in den Hafen ein.
Wir werfen alle Sorgen einfach zum Fenster raus,
im Hamm gibt es nur Sonnenschein, und das in jedem Haus.
Die Wellen auf dem Hammer Bach singen in einem fort,
nur Frohsinn, gute Laune hat jedes Boot an Bord.
Refrain: Ein kleines weißes Bötchen …
Die ganze Welt, die lobt den Rhein, uns ist das ganz egal,
auch wir feiern in jedem Jahr unseren Karneval.
Wir lachen, scherzen, schunkeln, os Hamm ist wundervoll,
und erst die leckeren Mädchen, ich sage: einfach toll!
Dieses Lied sang Prinz Helmut II. zwar nicht gemeinsam mit seiner Prinzessin Anne I., dafür wusste er seinen jecken Hofstaat gekonnt zu animieren, um dann das feiernde Volk an die Prinzengarde der Narrenherrlichkeit Viersen gemeinsam mit Tanzmariechen Anna-Lena zu übergeben.
Dann wurde es kölsch mit einem Ruhrpott-Kind im Piratenkostüm, denn Kabarettistin Andrea Volk hat Köln als Wahlheimat erkoren und das „Schlechteste aus beiden Welten bewahrt“, wie sie selber sagt. Das sei der raue Charme und die Direktheit Duisburgs, die Andrea Volk tatsächlich mit dem nuschelnden Singsang und der Alkoholiker-Kernkompetenz der Karnevalshochburg Köln verband. Pointiert und mit einer großen Priese schwarzem Humor gepaart gab sie ein wenig Politik und Gesellschaftskritik hinzu – kein Wunder, dass sie gerngesehener Gast der „Ladies-Night“ (ARD) ist.
Das Glucksen und Kichern aus dem Saal, welches leider zu oft durch Gespräche gestört wurde, mündete in die rockige Karnevalsmusik der Band De Kloetschköpp aus Wegberg. Die Handvoll musikalischer Narren startete 2002 so richtig durch, als sie live am Rosenmontagszug teilnahmen. Mittlerweile ist die achtköpfige Band auf den Bühnen weit über die Grenzen ihrer Heimatstadt heraus bekannt und begeistert mit ihrem mehrstimmigen Gesang bis hin in die Karnevalshochburg Köln.
Längst hatte das jecke Flair eine karibische Temperatur erreicht, als der Hammer Show Express sich seine Standing Ovations abholte. Berauscht von den Klängen der Hobbytanztruppe, die während der kommenden Karnevalszüge mit „25 Jahre Hammer Show Express“ auch auf der Straße die Jecken begeistern wird (und dabei selbst den Weg nach Dölke wagt), schlugen die Sugar Girls ein wie ein Blitz.
Eben ganz passend zu ihrem Motto, mit dem die Tanzformation in dieser Session den Himmel erleuchtete. Aus Euskirchen angereist waren die über dreißig Tänzerinnen, die in jedem Jahr eine neue Darbietung aus Tanz, Akrobatik und Show kreieren. Leicht eng wurde es allerdings bei den Hebefiguren und die Bühnendecke kam doch fast schon bedrohlich nah. Die Begeisterung der Vierscher Karnevalisten war ihnen gewiss und die glitzernden Kostüme blinkten fast schon im Takt. Seit 1991 ist die Truppe aktiv und so bleibt zu hoffen, dass die Augenweiden auch bald wieder auf einer Bühne der Gesamtstadt zu sehen sind.
Ja, dann, dann der Höhepunkt der diesjährigen Kostümsitzung. Schließlich hatte der neue „Cheriff vom Hamm“ seit der Bekanntgabe im letzten November auf diesen Moment warten müssen. Es ist der 55. Träger dieser Auszeichnung, mit der auch schon unter anderem Hans-Willy Bouren, Wolfgang Genenger oder Günter Jansen bedacht wurden. Letzterer sogar in der vergangenen Session, weshalb dem Präsidenten des Vaterstädtischen Vereins die wichtige Aufgabe zustand die Laudatio auf den nächsten Träger zu halten. Auch dieser ist natürlich kein Unbekannter in der närrischen Welt und begann seine karnevalistische Laufbahn im Jahre 2006 als einfaches, aber aktives Mitglied bei der KG Hoseria in Viersen. Ebenfalls als Prinz mit seiner Frau Daniela eroberte er die Bühnen und leitet seit 2012 die Geschicke der KG Hoseria als Vorsitzender.
Ihm zu Ehren hatte sich deshalb auch die Tanzgarde der Karnevalsgesellschaft Hoseria 1950 e.V. nicht nur in ihre Uniformen geschmissen, auch ein Tanz durfte zu Ehren ihres Vorsitzenden nicht fehlen. Na, haben Sie ihn erkannt? Mit Standing Ovations hießen die Karnevalisten ihn willkommen: Peter Hillekes, mit passendem Cowboy-Hut, der nun den Cheriff-Stern tragen darf.
Die Gratulationen konnte der neue Ehrenträger dann auch direkt in der Pause entgegennehmen, an die sich der US-ameriakanische Comedian John Doyle anschloss. Es gibt sicherlich nicht viele Künstler, die Beleidigungen mit einer deutschen so perfekten Präzision dem Publikum entgegenschmettern können. Das Leben bietet halt so seine Schwierigkeiten, aus denen passenderweise eine Lachsalve nach der anderen zusammengestellt werden kann.
Als dann mit den Les Hammphries wieder mitmachen angesagt war, da waren die Wangenmuskeln stark strapaziert und die Handflächen durften wieder beim Klatschmarsch für den schönsten Zweck der künstlerischen Welt genutzt werden.
Zur Ruhe kamen sie allerdings auch zu vorangeschrittener Stunde nicht mehr, als die Fauth Dance Company Ladies den rasanten Einzug begann. Nun haben wir in dieser Session bereits fleißig über die verschiedenen Gruppen berichtet, deshalb gibt es eine kleine Geschichtsstunde. Die Tanzschule Fauth, zu der auch die Fauth Dance Company gehört, wurde nämlich bereits 1936 in Viersen gegründet, und das sind immerhin 88 Jahre. Auch die Tanzschule feiert also in diesem Jahr ein närrisches Jubiläum.
Eugen Fauth Senior und seine Annemarie lernten sich bei ihrer großen Leidenschaft, dem Tanzen, kennen und gründeten die Tanzschule Fauth. Natürlich hat sich seitdem einiges verändert und so wurde die Tanzschule 1963 um die Fauth Dance Company erweitert, die die Jecken noch heute so sehr auf der Bühne begeistert. 1967 kam dann die Ballettschule hinzu mit Ballett, Jazz, Hip Hop & Co. und seit 2016 gibt es auch das Festhaus Fauth, wodurch Hochzeitsfeiern, Firmenevents und vieles mehr möglich wurde.
Eben ein junger und dynamischer Auftritt, der die Stimmung nahtlos fast zum Abschluss einer großartigen Kostümsitzung schwappen ließ, denn ein wenig zu früh war das Programm fertig geworden. Kein Problem für die Karnevalisten, weshalb nicht nur Prinz Helmut II. nochmals die Stimmbänder ins Schwingen brachte, auch die Tollitäten aus Dölke feierten auf der Bühne ihren Moment und schwangen die Tanzbeine gemeinsam mit ihrer Begleitung.
Das letzte i-Tüpfelchen gestaltete The Fantastic Company, eine eher unkonventionelle Big Band voller Power und Energie. Aus Neuss stammen die erfahrenen Musiker, die die brodelnde Atmosphäre fest in der Hand hielten. Jetzt schon nach Hause? Nö lieber nicht … Wie gut, dass Musiker Roland Zetzen nicht nur bei den Pausen kunstgerecht in die Tasten haute, sondern auch noch ein wenig das gemeinsame Schunkeln der Jecken begleitete, als auf der Bühne die Scheinwerfer längst verloschen waren. (nb)