Trotz niedriger Temperaturen versammelten sich am Freitagmittag zahlreiche Menschen auf dem Sparkassenplatz Viersen zu einem beeindruckenden Flashmob im Rahmen der weltweiten One Billion Rising-Bewegung. Unter dem diesjährigen Motto „Rise For Empathy – Mit Empathie den Ursachen von Gewalt entgegenwirken“ demonstrierten der SkF e. V. Viersen, die Diakonie Krefeld & Viersen sowie die Stadt Viersen gemeinsam ihr entschlossenes Engagement gegen Gewalt an Frauen und Mädchen.
Von RS-Redakteurin Claudia-Isabell Schmitz
Viersen – Freitagvormittag … kurz vor der Bundestagswahl sorgte der letzte Bundesrat für Aufsehen: In seiner vermutlich Sitzung vor den Wahlen stimmte er dem Gewalthilfegesetz zu, das Frauen und Kinder, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, ab dem 1. Januar 2032 einen Rechtsanspruch auf kostenlose Beratung und Schutz garantiert. Bis zu diesem Datum soll das Hilfesystem bedarfsgerecht aufgebaut werden – mit dem Ziel, mehr Frauenhäuser, Schutzwohnungen und Beratungsstellen zu schaffen. Zwischen 2027 und 2036 sollen insgesamt 2,6 Milliarden Euro an Bundesmittel fließen.

Knapp drei Stunden später wurden auf dem Sparkassenplatz Viersen leidenschaftliche Botschaften der Solidarität und des Empowerments ausgetauscht. Auch das Frauenhaus war mit Informationsmaterial vor Ort. Die Teilnehmer*innen zeigten nicht nur ihre Freude über das neu verabschiedete Gewalthilfegesetz, sondern erinnerten vor allen Dingen daran wie wichtig es ist den Ursachen von Gewalt mit Empathie und Prävention entgegenzuwirken.
„Wir feiern heute nicht nur den Fortschritt in der Gesetzgebung, sondern setzen ein deutliches Zeichen gegen Gewalt in all ihren Formen. Es ist gemeinsam unsere Verantwortung den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen und eine Gesellschaft aufzubauen, in der Frauen und Mädchen in Sicherheit und Respekt leben können“, so eine Teilnehmerin, bevor die Initiatoren zum gemeinsamen Tanz aufriefen.

Wie wichtig die Aktion hinter dem Flashmob ist, zeigen die aktuellen Statistiken, die mit einem düsteren Bild aufwarten: Im Jahr 2023 wurden 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten – das entspricht 32,3 Prozent aller Tötungsdelikte in Deutschland. Besonders erschütternd ist die Tatsache, dass fast täglich ein Femizid registriert wird. Bei partnerschaftlich bedingten Tötungsdelikten liegt der Frauenanteil bei 80,6 Prozent, und insgesamt wurden 360 Mädchen und Frauen Opfer vollendeter Taten – Tendenz steigend.
Auch Sexualstraftaten nehmen zu: 52.330 Frauen und Mädchen wurden 2023 Opfer, wobei über die Hälfte der Betroffenen unter 18 Jahren alt war. Ein weiterer besorgniserregender Trend zeigt sich im Bereich der digitalen Gewalt: 17.193 Frauen und Mädchen wurden im vergangenen Jahr Opfer von Cyberstalking und Delikten – ein Anstieg von 25 Prozent gegenüber 2022.

Die Zahlen häuslicher Gewalt sind ebenso alarmierend. Mit 70,5 Prozent machen Frauen und Mädchen den Großteil der 180.715 registrierten Fälle aus, was einem Anstieg von 5,6 Prozent entspricht. Zudem steigen auch Fälle von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und frauenfeindlichen Straftaten im Rahmen politisch motivierter Kriminalität rapide an – hier verzeichnete man 322 Fälle im Jahr 2023, was einem Zuwachs von 56,3 Prozent entspricht.
In dieser herausfordernden Situation spielen Initiativen und Hilfsangebote eine zentrale Rolle. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet rund um die Uhr kostenlose, barrierefreie und anonyme Beratung in Deutsch sowie 18 Fremdsprachen unter der Nummer 116 016 an – Männer, die unter Gewalt leiden, finden unter der Telefonnummer 0800 123 99 00 Hilfe. Auch die App des Vereins „Gewaltfrei in die Zukunft e. V.“ leistet wertvolle Unterstützung, indem sie einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen und Hilfsangeboten bietet und Betroffenen den Weg in ein bestehendes Netzwerk erleichtert.
One Billion Rising hat sich weltweit als Symbol für den Kampf gegen Gewalt an Frauen etabliert. Die Bewegung ruft Menschen dazu auf sich gemeinsam gegen Ungerechtigkeiten und patriarchale Strukturen zu erheben und die Ursachen von Gewalt aktiv anzugehen. Das diesjährige Motto „Rise For Empathy“ unterstreicht, wie wesentlich Empathie und Verständnis im Kampf gegen Gewalt sind – Werte, die auch in Viersen eindrucksvoll demonstriert wurden.
Der gestrige Flashmob auf dem Sparkassenplatz war nicht nur ein emotionales und politisches Statement, sondern auch ein Aufruf an die Gesellschaft die dringend notwendige Unterstützung für von Gewalt Betroffene weiter auszubauen. Mit dem historischen Gewalthilfegesetz und dem unermüdlichen Einsatz engagierter Organisationen wird ein wichtiger Schritt in Richtung einer gerechteren und sichereren Zukunft gesetzt. (cs)
