Top-Trends bei Gebrauchtwagen: Elektrofahrzeuge erobern den Markt. Mängel an Bremsen und Achsaufhängungen treten bei Stromern gehäuft auf. Fahrzeugbestand wird immer älter – erstmals 12- bis 13-jährige Autos im TÜV-Report. Insgesamt fällt gut jeder fünfte Pkw bei der TÜV-Prüfung durch. HU-Modernisierung: Prüforganisationen fordern Zugang zu Fahrzeugdaten.
Verbraucher – Von Top bis Flop: Elektrofahrzeuge schneiden bei der Hauptuntersuchung (HU) durchwachsen ab. Das zeigen die Ergebnisse des „TÜV-Reports 2024“. Der nicht mehr produzierte VW e-Golf ist mit einer Mängelquote von 2,6 Prozent der beste Kompaktwagen unter den 2 bis 3 Jahre alten Fahrzeugen. Dagegen belegt der Tesla Model 3 mit einer Mängelquote von 14,7 Prozent den letzten Platz in dieser Altersklasse. Der Renault Zoe rangiert mit 5,1 Prozent im gehobenen Mittelfeld. „Mit dem Erfolg der Elektromobilität rollen immer mehr E-Autos auf die Prüfstellen“, sagte Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, bei der Vorstellung des TÜV-Reports 2024. „Bei den TÜV-Prüfungen zeigen sich einige antriebstypische Mängel, die für die technische Sicherheit der E-Fahrzeuge relevant sind.“ Überdurchschnittlich häufig werden Mängel bei der Bremsfunktion festgestellt. Ein Grund ist die Rekuperation, mit der E-Fahrzeuge Bremsenergie zurückgewinnen können. Die Bremsbeläge werden im Vergleich zu Verbrennern daher seltener beansprucht, was zu einer Beeinträchtigung der Bremsleistung führen kann. Ein weiterer Schwachpunkt vieler E-Autos sind die Achsaufhängen. Insbesondere beim Renault Zoe liegen die Mängelquoten bei der ersten und zweiten HU deutlich über dem Durchschnitt. „Die Achsaufhängungen vieler Elektroautos leiden unter dem hohen Gewicht der Antriebsbatterien“, sagt Bühler. „Die Folge sind negative Prüfergebnisse bei der HU und teure Reparaturen.“
Das gilt auch für das Model 3 von Tesla. Neben Defekten an den Achsaufhängungen weist der Tesla überdurchschnittlich hohe Mängelquoten an den Bremsen sowie an der Beleuchtung auf. Das beschert dem Model 3 im Ranking der 2- bis 3-Jährigen den letzten Platz unter den 111 in dieser Altersklasse untersuchten Pkw-Typen. Zwar liegt die Laufleistung nach drei Jahren mit 55.000 Kilometern deutlich über dem Durchschnitt von 41.000, aber andere Vielfahrerfahrzeuge schneiden deutlich besser ab. Bühler: „Inwieweit die festgestellten Brems- und Achsmängel typisch für E-Fahrzeuge sind und ob die Hersteller bei bestimmten Modellen nachbessern müssen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.“
Jedes fünfte Fahrzeug fällt bei der Hauptuntersuchung durch
Die Gesamtauswertung des TÜV-Reports 2024 zeigt: Mit einem Anteil von 20,5 Prozent ist gut jeder fünfte Pkw mit „erheblichen“ oder „gefährlichen Mängeln“ unterwegs und daher bei der Hauptuntersuchung (HU) durchgefallen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein leichter Anstieg um 0,3 Prozentpunkte. Bei 11,2 Prozent der Fahrzeuge haben die Sachverständigen auf den TÜV-Prüfstellen „geringe Mängel“ festgestellt (plus 0,5 Punkte). Immerhin 0,05 Prozent wurden als „verkehrsunsicher“ eingestuft und mussten sofort stillgelegt werden. Bezogen auf alle Hauptuntersuchungen in Deutschland entspricht das rund 15.000 Fahrzeugen. „Nach einem positiven Pandemieeffekt haben sich die Mängelquoten wieder auf dem alten Niveau eingependelt“, sagte Bühler. „Eine nachhaltige Verbesserung der technischen Sicherheit des Pkw-Bestandes in Deutschland ist in den vergangenen Jahren ausgeblieben.“ Fahrzeuge mit „erheblichen Mängeln“ müssen innerhalb eines Monats repariert und dann bei den Prüfstellen erneut vorgeführt werden. Wird ein „gefährlicher Mangel“ festgestellt, müssen die Halter:innen direkt in die Werkstatt fahren. Das war bei 0,5 Prozent aller Hauptuntersuchungen oder rund 150.000 Fahrzeugen der Fall.
Besonderes Augenmerk legt der TÜV-Report auf ältere Fahrzeuge, da der Anteil der beanstandeten Fahrzeuge naturgemäß mit dem Alter steigt. Das Durchschnittsalter des Pkw-Bestandes in Deutschland steigt kontinuierlich und liegt derzeit im Schnitt bei zehn Jahren. Im Jahr 2023 sind 45 Prozent der Fahrzeugflotte 10 Jahre oder älter. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 waren es noch 42 Prozent. „Wir beobachten zwei Trends: Die Langlebigkeit der Fahrzeuge verbessert sich, Rost ist kaum noch ein Thema“, sagte Bühler. „Gleichzeitig sind die Neuwagenpreise explodiert. Viele Verbraucher können sich das nicht mehr leisten und sind auf einen Gebrauchten angewiesen.“ Wegen der steigenden Bedeutung älterer Autos bildet der aktuelle TÜV-Report erstmals auch 12- bis 13 Jahre alte Fahrzeuge ab. Die Durchfallquote (erhebliche Mängel) liegt in dieser Altersklasse im Schnitt bei 28,9 Prozent. Die anfälligsten Modelle sind Renault Twingo mit 39,9 Prozent und Dacia Logan mit 40,9 Prozent. Der von seinen Halter:innen offenbar gut gepflegte Audi TT liegt bei nur 15,0 Prozent und der VW Golf Plus bei 20,7 Prozent. „Trotz einer insgesamt besseren Langlebigkeit sind ältere Fahrzeuge ein Problem für die Verkehrssicherheit“, sagte Bühler. „Bei Gebrauchten sollten Kaufinteressierte die Schwachstellen der jeweiligen Modelle kennen und einkalkulieren, regelmäßig in Wartung und Pflege der Fahrzeuge zu investieren.“
Gesamtsieger des TÜV-Reports 2024 ist der VW Golf Sportsvan. Der Anteil der 2- bis 3-jährigen Fahrzeuge mit erheblichen Mängeln beträgt nur 2,0 Prozent. Das ist der niedrigste Wert aller geprüften Fahrzeuge. Auf das Treppchen schaffen es auch der Audi Q2 mit 2,1 Prozent und der Audi TT mit 2,5 Prozent. Bei den 4- bis 5-Jährigen kann neben Doppelsieger Golf Sportsvan der VW T-Roc mit einer Mängelquote von 4,5 Prozent überzeugen. Bei den 6- bis 7-Jährigen gewinnt der Mazda CX-3 mit 6,5 Prozent. Im Ranking nach Fahrzeugklassen liegt bei den Minis der Opel Karl mit 3,6 Prozent bei der ersten HU an der Spitze. Bei den etwas größeren Kleinwagen gewinnt der Peugeot 208 mit 4,0 Prozent und der E-Golf bei den Kompakten (2,6 Prozent). Bei den SUV liegt der Audi Q2 vorne (2,1 Prozent) und bei den Vans der Golf Sportsvan (2,0 Prozent). Bühler: „Der TÜV-Report 2024 zeigt, dass in den verschiedenen Alters- und Fahrzeugklassen zahlreiche Hersteller Top-Platzierungen erzielen. Bei den Kunden zahlen sich Langlebigkeit und Qualität aus und sorgen für eine hohe Sicherheit der Fahrzeuge.“
Prüforganisationen benötigen Zugang zu sicherheitsrelevanten Fahrzeugdaten
Der TÜV-Verband fordert angesichts der Elektrifizierung und Digitalisierung des Fahrzeugbestandes eine Weiterentwicklung der Hauptuntersuchung. „Die Prüfung der Hochvoltbatterie von E-Autos besteht bisher aus einer reinen Sichtprüfung“, sagte Bühler. Mit zusätzlichen Prüfpunkten könne der Schutz vor elektrischen Schlägen und Überspannungen verbessert werden. „Die Prüforganisationen benötigen einen besseren Zugang zu sicherheitsrelevanten Fahrzeugdaten, um den Zustand der Batterie und andere Komponenten prüfen zu können“, sagte Bühler. Dazu zählen die Cybersicherheit und der Software-Stand, da Updates der Hersteller Einfluss auf Funktion und Sicherheit des jeweiligen Fahrzeugs haben. Darüber hinaus kann mit Datenanalysen effektiver gegen den weit verbreiteten Tachobetrug vorgegangen werden. Nach Schätzungen der EU-Kommission wird bei der Hälfte aller grenzüberschreitend gehandelten Gebrauchtwagen der Kilometerstand manipuliert.
Zudem spricht sich der TÜV-Verband für die Einrichtung eines digitalen Fahrzeugregisters aus. „Ein digitales Fahrzeugregister bildet die Historie eines Fahrzeugs ab und dokumentiert sicherheits- und umweltrelevante Änderungen“, sagte Bühler. Zu den Veränderungen gehörten neben nachgerüsteten Anhängerkupplungen, Alufelgen oder Spoilern auch Software-Updates, die Einfluss auf die Fahreigenschaften und weitere Funktionen eines Autos haben. Bühler: „Ein digitales Fahrzeugregister, wie es in anderen Ländern bereits üblich ist, bringt mehr Transparenz in den immer wichtiger werdenden Gebrauchtwagenmarkt.“
Methodik-Hinweis: Für den gemeinsam mit der AutoBild produzierten TÜV-Report 2024 sind 10,2 Millionen Hauptuntersuchungen von Pkw ausgewertet worden, die von Juli 2022 bis Juni 2023 durchgeführt wurden. Untersucht wurden für den aktuellen TÜV-Report 221 verschiedene Fahrzeugtypen. (opm)