Zu Gast in der Beratungsstelle der Caritas: „Bei uns wird jeder in seiner eigenen Persönlichkeit ernst genommen“

Wenn Erziehungsfragen Eltern über den Kopf wachsen, Kinder unter der Scheidung oder unter der Angst vor Gewalt leiden, dann ist die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche der Caritas in Viersen eine der wichtigsten Anlaufstellen.
Von RS-Redakteurin Nadja Becker

Viersen – Im ersten Stock am Hildegardisweg 3 in Viersen ist mittlerweile seit Jahrzehnten die Katholische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche der Caritas ansässig. Die Anlaufstelle steht allen Ratsuchenden der Stadt Viersen, des Kreises Viersen und der Stadt Nettetal offen – unabhängig ihrer Religion, Nationalität oder Weltanschauung. Doch wozu ist diese Beratungsstelle überhaupt da? Dieser Frage ging der Rheinische Spiegel im Interview mit dem Leiter der Beratungsstelle, Stefan Hoffmanns, nach.

Gegründet Anfang der 80er-Jahre bietet die Beratungsstelle der Caritas kostenlos Hilfe im Bereich der Elternberatung, Diagnostik und Verhaltensbeobachtung, Einzel- und Gruppenberatung für Kinder, Jugendliche und Eltern, Trennungs- und Scheidungsberatung, Begleiteten Umgang, Präventionsangebote oder eine Onlineberatung. Ein großes Feld mit nicht einfachen Aufgaben, denn wer sich hier meldet oder von einer Behörde geschickt wird, der muss innerhalb der Familie eine schwierige Zeit bewältigen.

Seit mittlerweile 2010 ist der Dipl. Sozialarbeiter und Systemische Familientherapeut Stefan Hoffmanns in der Beratungsstelle tätig, seit 2012 leitet er die Anlaufstelle. „Wir haben eine große Spannweite an Aufgaben“, so Hoffmanns. „Natürlich ist es manchmal schwierig, die Balance zwischen den unterschiedlichen Themenfeldern zu steuern. Aber breit aufgestellt zu sein betrachten wir sozusagen als Kernaufgabe einer Beratungsstelle.“
Alle Angebote werden von den Kommunen, in diesem Fall von der Stadt Viersen, dem Kreis Viersen und der Stadt Nettetal, pauschal finanziert. Der freie Träger gibt den Rest dazu, damit alle Angebote niedrigschwellig den Hilfesuchenden zur Verfügung stehen.

Foto: geralt/Pixabay

Landläufig sei das Angebot als Erziehungsberatungsstelle bekannt, allerdings wäre damit nur ein kleiner Bereich der Arbeit abgebildet. „Dieser Bereich wird vielfach heute online beantwortet“, erklärt Hoffmanns, denn viele Fragen der Eltern werden in Blogs beantwortet. „Das heißt aber nicht, dass wir weniger zu tun haben, denn die anderen Bereiche sind angewachsen.“ Seit der Corona-Pandemie haben sich zu den persönlichen Gesprächen Online-Termine gesellt und so wird häufig per „Videokonferenz“ über die aktuellen Probleme gesprochen. Hoffmanns ist sich sicher, dass dies eine Mischung bleiben wird.

„Die Erziehungsberatung bieten wir nach wie vor an, wir haben allerdings viel zu tun mit Trennungs- und Scheidungsproblematiken“, erklärt der Leiter der Beratungsstelle weiter. Rund 60 % der Anfragenden betreffen dieses Thema und Fragen, die in diesem Kontext mit den Kindern zu tun haben. Dabei sei natürlich nicht jedes Anliegen gleich schlimm oder gleich schwierig. Beginnend bei ‚Wir wollen uns trennen und ich weiß nicht, wie ich das unserem Kind erklären kann‘ bis hin zu den bekannten ‚Rosenkriegen‘ im Scheidungsverlauf, bei denen häufig die Kinder nicht mehr im Blick sind und die Betroffenen vom Gericht zur Beratungsstelle geschickt werden oder begleiteten Umgängen, ist alles dabei.

Die Spanne sei groß und die Probleme mitunter schwierig, weshalb die Beratungsstelle auf ein multiprofessionelles Team zurückgreifen kann. Das Team besteht aus SozialpädagInnen, SozialarbeiterInnen und Psychologinnen mit weiteren Ausbildungen in Systemischer Therapie und Traumafachberatung. Als Besonderheit gibt es ein Beratungsbegleithundeteam mit einem weißen Golden Retriever, im Allgemeinen eher als Therapiehund bekannt.

„Wir bieten eine Gruppe für Trennungs- und Scheidungskinder und haben auch ein Gruppenangebot für Eltern nach der Trennung“, informiert Stefans Hoffmanns weiter zu dem umfangreichen Arbeitsfeld. In der Regel sind 3. – 5. Klässler angesprochen, die bei zehn Treffen, möglichst wöchentlich, gemeinsam über die aktuelle Situation sprechen können. Die Elterngruppen werden gemeinsam mit einer Beratungsstelle in Kempen angeboten, die zum Verbund der Caritas im Bistum Aachen gehört. Die Eltern werden dabei geschult, die Kinderbedürfnisse im Blick zu halten.

Die weitere Thematik der Beratungsstelle umfasst die Beratung von Menschen und Familien, die mit sexuellem Missbrauch innerhalb der Familie oder im Umfeld zu tun haben. „Das ist ein Bereich, der schwierig zuzuordnen ist“, so Hoffmanns. „Wir werden niemals jemanden wegschicken, aber wir machen keine Diagnostik.“ Es ginge vielmehr um das Trauma danach. „Das Thema spaltet selbst Familien und diese haben im weiteren Verlauf große Problem damit umzugehen. Das ist ein Bereich, der leider zu groß ist und jeder Fall ist einer zu viel.“ Ein großer Teil des Betätigungsfeldes wäre deshalb die Präventionsarbeit. Hierbei berät die Anlaufstelle Kindergärten und andere Einrichtungen auch im Bereich der Sexualpädagogik und veranstaltet Elternabende sowie Gesprächskreise, beispielsweise zur Frage der ‚Doktorspiele‘. Unter den Bereich der Prävention fällt ebenfalls die Multiplikatoren-Beratung in Fällen, wenn die Einrichtungen der Ansicht sind, dass ‚etwas nicht stimmt‘.

Dreieinhalb Stellen umfasst die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, an die sich Eltern jederzeit von ‚ganz alleine‘ in einer Notsituation wenden können, nicht wenige werden von den Behörden geschickt. Alleine im vergangenen Jahr verzeichnete die Beratungsstelle 470 Gesamtfälle, manche über einen kurzen Zeitraum, andere sogar über Jahre hinweg. Mehr Fälle während der Corona-Pandemie hätte das Team zwar nicht verzeichnen können, die Intensität der Situation hätte jedoch stark zugenommen. „Herausfordernde Situationen und Konflikte haben an Herausforderung zugenommen aufgrund der ungekannten Situation“, erklärt Stefan Hoffmanns. „Hierdurch hat sich die Intensivität der Fälle gesteigert. Besonders im Bereich der Trennungs- und Scheidungsproblematik stritten die Betroffenen unnachgiebiger miteinander.“ Ebenfalls bei Familien, die darauf angewiesen waren, auf kleinem Raum die Zeit zu verbringen, war nicht nur das Knistern zu spüren. Es sei wie ein heißer Kochtopf mit Deckel gewesen, erklärt Hoffmanns die letzten Monate.

Nicht nur während der Lockdownzeit, sondern immer arbeitet die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche bindungsorientiert. „Bei uns wird jeder in seiner eigenen Persönlichkeit ernst genommen“, so Hoffmanns. „Nur so können wir etwas erreichen.“ Das bedeute mitunter viel Geduld bis man Punkte erreicht, an denen eine gemeinsame Arbeitsbeziehung entsteht, die Früchte tragen kann. Das bedeute zudem mitunter langwierige Beratungskonzepte, die dem Team und dem Hilfesuchenden genug Zeit geben. Erreichbar ist die Katholische Beratungsstelle unter der Telefonnummer 02162 15081 oder über die Webseite www.beratung-caritas-ac.de. (nb)