Der Veranstaltungsort stimmte aufs Thema ein: Der Neubau der Stadtwerke Willich, in den die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein zu ihrem Regionalforum Kreis Viersen eingeladen hatte, ist nicht nur energetisch auf dem neusten Stand, sondern vereint vielfältige smarte Lösungen.
Kreis Viersen/Willich – „Inwieweit digitale Möglichkeiten schon jetzt, aber vor allem auch zukünftig unseren Alltag beeinflussen, möchten wir heute mit Unternehmen, Politikerinnen und Politikern sowie Verwaltungsvertretern diskutierten“, erklärte IHK-Vizepräsident Rainer Höppner bei der Begrüßung der Gäste. „In Metropolen ist das Thema Smart City bereits fest verankert. Im ländlichen Raum steckt es hingegen noch in den Kinderschuhen“, so Höppner. „Da wir gemeinsam den Kreis Viersen voranbringen möchten, sammeln wir heute Impulse für eine smarte Region.“
Wie auch in ländlichen Gegenden Smart-Region-Aktivitäten erfolgreich umgesetzt werden können, erläuterte Anne-Marie Kilpert vom Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE. Im Rahmen des Modellvorhabens Smarte.Land.Regionen arbeitet das Institut aus Kaiserslautern bundesweit mit sieben Landkreisen zusammen, um die Digitalisierung in ländlichen Räumen voranzutreiben. „Im Mittelpunkt steht unter anderem die Frage, wie smarte Lösungen dabei helfen können, die Lebensqualität im ländlichen Raum zu steigern“, erklärte Kilpert. Die Referentin nannte eine Plattform für Co-Working als Beispiel für den direkten Einfluss eines Digitalisierungsprozesses. „Bei solchen Projekten können Kommunen und Wirtschaft zusammenarbeiten“, betonte sie. Einen indirekten Einfluss auf die Lebensqualität hätten zum Beispiel digitale Abfalleimer. Die müssten erst dann geleert werden, wenn eine bestimmte Füllmenge erreicht sei und nicht – wie normalerweise üblich – in einem festgelegten Turnus. Diese bedarfsgerechte Leerung spart Zeit. „Diese Zeit wiederum kann für andere Dinge im öffentlichen Raum investiert werden.“
Am Ende ihres Vortrags gab Kilpert den Akteurinnen und Akteuren fünf Voraussetzungen für einen erfolgreichen Digitalisierungsprozess mit auf den Weg: Der Prozess muss Chefsache sein. „Es funktioniert nicht, wenn sich in einer Verwaltung jede einzelne Abteilung auf den Weg macht.“ Darüber hinaus müssten Prozesse genau angeschaut werden. „Wenn etwas nicht funktioniert, bedeutet es nicht automatisch, dass es digitalisiert besser klappt.“ Wichtig sei auch, dass Know-how dauerhaft vorhanden ist. Personalwechsel – etwa durch Förderprogramme bedingt – hemmten Digitalisierungsprozesse häufig. „Ganz wichtig sind Netzwerke. Ohne die Wirtschaft wird die Digitalisierung im ländlichen Raum nicht funktionieren“, betonte Kilpert. Schließlich appellierte sie an die Verantwortlichen, Transparenz zu schaffen. „Bürger und Wirtschaft müssen mitgenommen werden.“ Würden Prozesse nicht verstanden, entstehe Skepsis. Aus der Arbeit mit den sieben Landkreisen ist ein Toolset hervorgegangen, mit dessen Hilfe Verwaltungen ihre Kompetenzen in Sachen digitalem Wandel ausbauen können.
Nach dem Blick auf andere Regionen richtete Michael Schreurs das Augenmerk auf den Kreis Viersen. Der Mobilfunkkoordinator des Kreises Viersen stellte die Funktechnologie „Long Range Wide Area Network“ (LoRaWAN) und die Aktivitäten des Kreises vor. Mit LoRaWAN können Daten über eine große Entfernung, auch von abgelegenen und schwer zugänglichen Orten, energieeffizient, kostengünstig und sicher übertragen werden. 46 Antennen wurden dafür kreisweit bereits installiert und in Betrieb genommen. Damit ist ein flächendeckendes Netz im Kreis Viersen entstanden, das der Kreis allen Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und kommunalen Einrichtungen kostenlos zur Verfügung stellt.
„Dieses System ist für alle Dinge prädestiniert, die über eine Sensorik erfasst werden, und fördert damit Anwendungen und deren Vernetzung im Smart-City-Bereich“, erläuterte Schreurs. So können bedarfsorientiert und ressourcenschonend Zustände erfasst und gesteuert werden. Als Beispiele für den Einsatz nannte er unter anderem die Lichtsteuerung von Straßenlaternen, die Erfassung von Feuchtigkeit bei Grünanlagen oder landwirtschaftlichen Flächen, von Zählerständen in Gebäuden für effizientes Energiemonitoring, von Füllständen zum Beispiel bei Abfalleimern sowie die Parkplatzüberwachung und darauf basierende Parkleitsysteme.
Nachdem man bereits mit einigen Pilotprojekten in verschiedenen Kreiskommunen Erfahrungen gesammelt habe, wolle man nun weitere Anwender wie kommunale Einrichtungen, aber auch Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen für diese Technik und die Nutzung des kreisweiten Netzes begeistern und so zur Digitalisierung und mehr Nachhaltigkeit beitragen, so der Mobilfunkkoordinator.
„In unseren Regionalforen wollen wir den Dialog mit Unternehmen und Politik verstärken“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz zum Abschluss und erinnerte daran, dass der digitale Wandel nur eine von vielen Herausforderungen für die Wirtschaft sei. Der Fach- und Arbeitskräftebedarf sei ebenso ein Thema wie die Energiewende und der Strukturwandel, die desolate Verkehrsinfrastruktur sowie die Entwicklung der Innenstädte und des Handels. „Unsere Regionalforen sind eine gute Gelegenheit, uns über wirtschaftsrelevante Themen auszutauschen und unsere Anliegen an die Politik zu adressieren.“ (opm)