Joe Biden versus Donald Trump – kaum ein politisches Ereignis wird im Herbst von der Weltöffentlichkeit mit mehr Spannung verfolgt werden als das Rennen um das Weiße Haus in den Vereinigten Staaten. Der Ausgang der Wahl kann schwerwiegende Folgen für die internationale Sicherheitsordnung und die globale Wirtschaft haben.
Region – Gründe genug, das diesjährige Strategieforum Außenwirtschaft der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein, des Rhein-Kreises Neuss und der Sparkasse Neuss unter die Überschrift „Die USA vor den Wahlen: Sind Demokratie und globale Ordnung in Gefahr?“ zu stellen. Rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Einladung ins S-Forum der Sparkasse gefolgt, um Keynote-Redner Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington, und die anschließende Podiumsdiskussion zu erleben.
Im Eröffnungs-Talk stimmten die Gastgeber das Publikum auf das Thema ein. „Für die nordrhein-westfälische Wirtschaft waren die USA im vergangenen Jahr der drittwichtigste Exportmarkt“, erklärte IHK-Präsident Elmar te Neues. „Gleichzeitig sind am Mittleren Niederrhein knapp 130 Unternehmen mit US-amerikanischem Hintergrund zu Hause – Platz 4 unter den ausländischen Unternehmen.“ Dominikus Penners, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Neuss, rechnet mit zunehmendem Protektionismus – ganz gleich wie die Wahl ausgeht. „Aber Biden gilt als der verlässlichere Partner.“ Landrat Hans-Jürgen Petrauschke kritisierte das Trump-Motto „America First“: „Man ist erfolgreicher, wenn man nicht nur auf sich schaut, sondern gemeinsam mit Partnern agiert.“
Dass ein partnerschaftliches Miteinander in den internationalen Beziehungen zunehmend zum Auslaufmodell wird, machte Theveßen, der als gebürtiger Viersener fast ein Heimspiel hatte, in seiner Keynote sehr deutlich. „In dieser globalisierten Welt hängt alles mit allem zusammen“, erläuterte Theveßen. „Die Aussichten – auch mit Blick auf die US-Wahl – sind düster. Die regelbasierte Ordnung der Welt steht ein stückweit auf dem Spiel.“ Theveßen beschrieb ausführlich, worum es der Biden-Administration außenpolitisch und wirtschaftspolitisch geht. „Für die USA handelt es sich um eine Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Autoritarismus.“ Auf der einen Seite stünden insbesondere die Regime in Moskau und Peking, auf der anderen die USA und Europa. Für die Vereinigten Staaten sei dabei die Konfrontation mit China die unmittelbarere Bedrohung. „Im Zentrum steht der Taiwan-Konflikt“, erklärt Theveßen. „Die USA haben deutlich gemacht, dass sie die Insel gegen einen chinesischen Angriff verteidigen werden.“ Damit verbunden seien auch massive Wirtschaftssanktionen gegen China. „Das erwarten die Amerikaner dann auch von ihren europäischen Verbündeten“, betonte der Keynote-Speaker. „Ich bin nicht sicher, ob man sich dessen in Europa bewusst ist.“
Neben der militärischen Komponente setzen die USA massiv auf wirtschaftspolitische Instrumente, um sich in der globalen Auseinandersetzung besser aufzustellen. Theveßen beschrieb, wie der Inflation Reduction Act (IRA) gigantische Steuermittel in die Wirtschaft pumpt und dadurch enorme private Mittel für Investitionen in Infrastruktur, erneuerbare Energien und Zukunftstechnologien wie Halbleiter und Batterien ausgelöst hat. „Dabei geht es vor allem darum, unabhängig von China zu werden“, so Theveßen. Dazu passen auch die jüngsten Zölle auf E-Autos und andere Produkte aus der Volksrepublik. Was handelspolitisch bei einer Trump-Administration auf die Wirtschaftspartner der USA zukäme, beschrieb Theveßen ebenfalls: „Trump hat bereits pauschal 10 Prozent Strafzoll auf alle Einfuhren angekündigt – und 60 Prozent auf alle Produkte aus China.“ Laut Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnten diese Zölle die deutsche Wirtschaft – gerechnet auf eine vierjährige Amtszeit – bis zu 150 Milliarden Euro kosten.
Die Innenpolitik werde inzwischen vom Wahlkampf beherrscht. „Dabei steht das Alter der Kandidaten im Mittelpunkt der Debatte“, berichtet der ZDF-Studioleiter. „Man sorgt sich bei Biden um seinen Gesundheitszustand, und Trump wirkt oft geistig wenig überzeugend.“ Trump habe die republikanische Partei inzwischen weitgehen von Gegner „gesäubert“. Für die Demokraten seien die Republikaner unter Trump längst eine Bedrohung für die Demokratie in den Vereinigten Staaten. Theveßen verwies auf „Project 2025“, einen Plan der Republikaner zur Umgestaltung der Exekutive der US-Bundesregierung im Fall eines Trump-Siegs. Theveßen: „50.000 Regierungsmitarbeiter sollen gefeuert und gegen linientreue Trump-Anhänger ersetzt werden – die Rekrutierungskampagne der Republikaner läuft schon.“ Angesichts der tiefen Spaltung der Gesellschaft, schließt Theveßen nicht aus, dass es je nach Wahlausgang auch zu Gewaltausbrüchen zwischen den politischen Lagern kommen kann.
Angesichts der düsteren Aussichten war die Wahl-Prognose des USA-Experten für viele im Publikum ein kleiner Hoffnungsschimmer: „Glauben Sie nicht den Umfrageergebnissen. Die Demokraten haben in den jüngsten Wahlen deutlich besser abgeschnitten als die Republikaner. Wenn Biden gesund bleibt, die Wirtschaft stabil bleibt und Trump sein Gegenkandidat ist, wird Biden mit größerem Vorsprung gewinnen als bei der vergangenen Wahl.“
Im Anschluss an seine Keynote diskutierte Theveßen noch mit Prof. Dr. Galina Kolev-Schaefer (Technische Hochschule Köln / Institut der deutschen Wirtschaft, IW), Dorothee Stamm (Medtronic GmbH, Meerbusch) und Sebastian Voss (Hager & Meisinger GmbH, Neuss) über die wirtschaftspolitischen Aspekte der US-Wahl. Beim anschließenden Get-together gab es reichlich Gesprächsstoff für die Teilnehmer. (opm)